Aus fünf mach vier und wage Neues
Dass Traditionen noch etwas zählen bei der Heizungs-Service Michael Zierau GmbH, das sieht man schon, wenn man auf dem Hof der Firma im Norden von Magdeburg ankommt. Dort steht neben den Parkplätzen, auf denen die Montagewagen auf ihren nächsten Einsatz warten, ein altertümlicher Badeofen, eingelassen in Schotter. Ein Modell, mit dem schon vor mehr als hundert Jahren das Wasser für ein Vollbad erwärmt wurde. Unter dem Schotter sei der Ofen aufwendig gesichert, erzählt Michael Zierau, Kupferdiebe gebe es schließlich überall.
Die gute alte Zeit hat nicht nur vor der Firma ihre Spuren hinterlassen. Drinnen an den Wänden der modern renovierten Räume künden alte Wasserhähne, Duscharmaturen, Rohre, Wasserzähler und Emaille-Schilder von der wechselvollen Geschichte des Sanitär- und Heizungsbetriebes. Manches Stück stammt aus dem 18. Jahrhundert, eine Gasuhr von 1928 aus einer Tankstelle ganz aus der Nähe. "Die Kundinnen und Kunden sammeln mittlerweile die alten Sachen für uns", erzählt der stämmige Mann mit dem offenen Gesicht – und weiß zu nahezu jedem Ausstellungsstück eine eigene Geschichte zu erzählen. Trotzdem ist die Zukunft auch in der Heizungs-Service Michael Zierau GmbH längst angekommen – auch personell: Sohn Marc-Kevin lernt seit dem Sommer 2022 Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik im Betrieb des Vaters.
Marc-Kevin ist fast einen Kopf größer als der Vater, ein gutes Stück blonder, und wollte eigentlich Medizin studieren. Die Abiturnote hätte nach ein paar Wartesemestern wohl auch gereicht. Aber dann setzte sich der Sohnemann hin, beschäftigte sich mit der langen Studienzeit und mit dem Studienkredit – und sagte sich, dass er auch eine andere Option hat, dass er auch als Handwerker gutes Geld verdienen kann und das schon sehr viel früher: "Doch es geht ganz bestimmt nicht nur ums Geld, man schafft auch Werte, und das ist ein mega Gefühl." Natürlich, erzählt der 19-Jährige, sei er in den Betrieb über die Jahre hineingewachsen. "Aber es war allein meine Entscheidung. Es gab überhaupt keinen Druck meines alten Herrn."
Doch es geht ganz bestimmt nicht nur ums Geld, man schafft auch Werte, und das ist ein mega Gefühl.
"Alter Herr – mit 52", knurrt Michael Zierau, eher belustigt als mürrisch. "In der Firma bekommt Marc-Kevin keine Extrawurst gebraten", betont er. Der Vater kann nachempfinden, wie sich sein Sohn fühlt. Auch er lernte einen Beruf, den er ursprünglich nicht auf dem Plan hatte. Sein Traumberuf Kfz-Schlosser blieb ihm ‘wegen jugendlichem Leichtsinn‘ verwehrt. Stattdessen machte er in den Achtzigerjahren eine Ausbildung zum Zentralheizungs- und Lüftungsbauer und arbeitete im VEB Technische Gebäudeausrüstung (TGA).
Nach der Wende verließ Michael Zierau die TGA, arbeitete in verschiedenen Betrieben und machte sich im Februar 1999 selbstständig. Den Meisterbrief als Heizungsbauer hatte er kurz zuvor erworben, den Meister als Sanitärinstallateur ließ er 2002 folgen. "Bis zum Mauerfall kannten wir ja nur Kohle und Holzkessel. Seitdem musste ich immer lernen, mich stets weiterentwickeln, umdenken, aber das macht den Beruf ja auch spannend", sagt Zierau. Vom Ein-Mann-Betrieb ist sein Betrieb langsam, aber sicher gewachsen auf nun 12 Beschäftigte. Drei davon sind Azubis, so viele wie noch nie. Wohl auch ein Zeichen dafür, dass der Beruf angesichts der Herausforderungen der Zukunft immer attraktiver wird. Und auch dafür, dass gerade der Betrieb Zierau einen guten Ruf hat. Vielleicht auch, weil er weiter die Vorteile eines Familienbetriebes hat, in dem neben dem Sohn auch Ehefrau Babette arbeitet und vor allem den 'Papierkram' regelt, man aber zugleich im Betrieb Zierau offen für Neues ist - von der Digitalisierung der Arbeitsabläufe bis hin zu Experimenten mit modernen Arbeitszeitmodellen. "Alles, was wir in der Firma bislang eingeführt haben, hat prima funktioniert", sagt Michael Zierau.
So sorgt die mobile Auftragsvergabe schon seit 2006 für effektivere Arbeitsabläufe. Mittlerweile finden die Monteure auf ihren 'Tabbies', wie die Laptops im Betrieb genannt werden, die gesamte Historie und alle Infos zum Kunden ebenso wie sämtliche Betriebsanleitungen, die sonst in Papierform mitgeführt werden müssten. Bei Notfällen kann problemlos das Fahrzeug mit der kürzesten Anfahrt geschickt werden: Manche Havarien werden bereits jetzt in Zusammenarbeit mit den Kundinnen und Kunden über Video-Calls gelöst. "Dieses Maß an Digitalisierung ist noch kein Standard in der Branche für regional agierende Firmen wie unsere, aber spart uns locker 40 Prozent Bürozeit", sagt Michael Zierau stolz. Unlängst angeschafft wurde eine Drohne, um Schornsteine inspizieren oder Dacheinstiege lokalisieren zu können. Und neben Michael Zieraus Schreibtisch steht im Regal schon der Cloud-Server, mit dem demnächst alle sensiblen Daten gesichert werden sollen – eine Anregung von Marc-Kevin.
Eine andere Idee kam aus einem Fernsehbeitrag. Die Monteure sind in zwei Teams aufgeteilt, von denen jedes im Wechsel alle zwei Wochen dann nur vier Tage arbeitet. Dieser Wechsel zwischen einer 4-Tage- oder 5-Tagewoche ist noch in der Testphase, aber "kommt gut an", sagt Zierau. Zudem gewährt er seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch einen sogenannten "Day for you". Unbürokratisch, ohne Anlass und kurzfristig können die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einen Tag frei machen: "Da sollen die sich dann aber wirklich um sich kümmern, Angeln gehen oder sich Wellness gönnen."
Das seien alles Maßnahmen, so Zierau, "um den Beruf und den Betrieb attraktiver zu gestalten". Die Arbeit ist stressig genug, und sie wird nicht weniger. Eher im Gegenteil: Das SHK-Handwerk steht schließlich im Mittelpunkt der Energiewende, weiß auch Michael Zierau: "Wir tragen eine hohe Verantwortung für das Klima. Die Technik wird immer komplizierter, deshalb brauchen wir guten Nachwuchs." Und deshalb setzt man im Betrieb Zierau auch darauf, Neues zu wagen und Digitales anzuwenden.
Das SHK-Handwerk steht im Mittelpunkt der Energiewende. Wir tragen eine hohe Verantwortung für das Klima. Deshalb brauchen wir guten Nachwuchs.
Jahrbuch 2023
Diese Handwerk-Story wurde zuerst im ZDH-Jahrbuch 2023 veröffentlicht. Das Jahrbuch zeigt auf, wie mit dem geballten Können von Handwerkerinnen und Handwerkern Zukunft gestaltet wird.