Cooler Beruf für heiße Zeiten
Ein "mega Ding", sagt ein Mitarbeiter, sei da mit dem Schwertransporter angeliefert worden. Das Ding ist sechs Meter lang, drei Meter breit und mannshoch: eine Klimaanlage, die bald ein ganzes Bürogebäude in der Münsterschen Innenstadt kühlen soll. Wenn denn die Genehmigungen endlich alle da sind: für den riesigen Kran, der sie aufs Dach bringen soll, und für die Sperrung einer wichtigen Durchgangsstraße, die dafür nötig ist. Bis dahin steht das Ding auf dem Hof – und die Azubis sehen schon mal, worauf sie sich eingelassen haben.
Denn das Gebäude in einem Gewerbegebiet in Münster ist nicht nur einer von drei Standorten, von denen aus die Zeller Gruppe Klima- und Wärmetechnik vertreibt, sondern die dortige Niederlassung beherbergt auch das betriebseigene und für einen Handwerksbetrieb ziemlich große Ausbildungszentrum. "Wir konkurrieren ja nicht nur mit unseren Produkten und Leistungen auf dem Markt, sondern sind auch in Konkurrenz um Auszubildende mit anderen Betrieben und der Industrie mit ihren Betriebswerkstätten und Lehrmeisterinnen und Lehrmeistern", sagt Achim Zeller. "Das war auf jeden Fall ein Grund, 2019 das Ausbildungszentrum einzurichten."
Aber nicht der einzige Grund. Klimaanlagen, Kälteanlagen und erst recht Wärmepumpen sind längst so hochkomplex, dass der betriebliche Nachwuchs im ersten Lehrjahr auf den Baustellen allzu oft nur zuschauen, aber selbst noch nicht recht anpacken und installieren kann. Also befinden sich jeweils drei Azubis mehrmals im Jahr für eine Woche in der Ausbildungswerkstatt mit der angeschlossenen Wohngemeinschaft, und werden weitergebildet – und das nicht nur in Kälte- und Klimatechnik. "Die müssen erstmal ihre Betten beziehen, die müssen einkaufen und sich selbst versorgen, und am Ende waschen sie das Bettzeug für ihre Nachfolger", beschreibt Zeller das Konzept, mit dem nicht nur die fachliche Qualifikation, sondern auch Verantwortungsgefühl, Zusammenhalt, Teamfähigkeit, die sogenannten und oft beschworenen 'Soft Skills' geschult werden sollen. Auch die langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden regelmäßig ins Ausbildungszentrum geschickt, um dort fortgebildet zu werden.
Eine hochqualifizierte Belegschaft ist nötig, weil die Zeller Gruppe – so wie der Rest der Kälte-Klima-Haustechnik-Branche – vor gewaltigen Herausforderungen steht. Den technischen Umbau, der durch den drohenden Klimawandel nötig wird, werden ganz entscheidend Handwerksbetriebe aus diesem Segment und ihre Beschäftigten stemmen müssen. Und die müssen dafür stets auf dem aktuellen technischen Stand sein. "Es war schon immer ein unglaublich breites Berufsfeld", sagt Zeller. "Insofern müssen wir wegen der Anforderungen der Energiewende nicht grundsätzlich umdenken, aber unser Beruf wird noch komplexer und anspruchsvoller."
Den technischen Umbau, der durch den drohenden Klimawandel nötig wird, müssen entscheidend Handwerksbetriebe und ihre Beschäftigten stemmen – und die müssen dafür auf dem aktuellen technischen Stand sein.
An den Klimawandel war noch nicht zu denken, als der Großvater Georg Zeller 1928 den Betrieb in Gelsenkirchen als Kfz-Werkstatt gründete. Eher durch Zufall kam er dann zur Kältetechnik. Die Geschichte gehört inzwischen zur Firmenhistorie: Einem Kumpel des Großvaters aus dem Männerchor - von Beruf Metzger - fiel kurz vor Pfingsten die Kühlanlage aus. Der herbeigerufene Autoschlosser, ein "genialer Tüftler und Handwerker", beschreibt Enkel Achim seinen Großvater, behob das Problem und entdeckte sein Geschick und seine Leidenschaft für die Kältetechnik. In den folgenden Jahrzehnten installierte er im ganzen Ruhrgebiet Kühlhaustechnik, vor allem bei Fleischern.
Der 1961 geborene Enkel Achim lernte Kälteanlagenbauer und wurde später geprüfter Kältetechniker. Mit dem Beruf geht er damals in die weite Welt und steigt bei einem japanischen Unternehmen ins höhere Management auf, arbeitet und lebt zuletzt in Brüssel. Sein sieben Jahre jüngerer Bruder Thorsten wird ebenfalls im eigenen Betrieb ausgebildet, erwirbt den Meistertitel und übernimmt den damals noch überschaubaren Familienbetrieb um die Jahrtausendwende vom Vater.
Schnell erkannte Thorsten Zeller, dass die Kundenbasis zu verschwinden drohte, weil die Zahl der familiengeführten Fleischereien zurückging. Bei Treffen nach Feierabend entwickelten die beiden Brüder eine Vision für den Familienbetrieb. Sie wollten einen neuen Kundenkreis erschließen: Klimatechnik nicht mehr nur für den Gewerbe- und Industrieeinsatz, sondern auch für die Wohnung. "Wir haben sehr früh erkannt - früher als andere -, dass Klimatechnik auch ein Thema für Privathaushalte ist", sagt Achim Zeller. "Aber da muss man ganz anders herangehen. In einem Schlafzimmer gelten andere Anforderungen als in einem Fleischkühlhaus."
Die logische Konsequenz: Eine neue Firma. 2008 wurde ATHOKA gegründet. Sie bietet Klimatechnik für den Privatkunden an, während die anderen Unternehmen der Zeller Gruppe sich weiter um Fleischereien, Brauereien und andere Betriebe kümmerten. Und Achim kehrte zurück in den zwischenzeitlich von Thorsten Zeller geleiteten Betrieb. Seitdem führen die beiden Brüder das Unternehmen zusammen. "Und unser Vater war gerührt, dass die Söhne ihre Lebenswege wieder zusammenwarfen", erinnert sich Achim Zeller.
Mit Erfolg: 80 Angestellte zählt man mittlerweile an den drei Standorten Herten, Münster und Dortmund. "Eine starke Transformation", nennt das Achim Zeller. Dazu gehörte auch, sich nicht mehr allein auf die Kälte- und Klimatechnik zu beschränken, sondern auch auf Wärmepumpen zu setzen. Inzwischen haben die Zellers mehr als 1.600 Wärmepumpen installiert: Eine Pionierleistung und ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz. Genauso wie die Firmenzentrale in Herten, die 2010 als Null-Energie-Gebäude errichtet wurde.
Mittlerweile machen Wärmepumpen schon die Hälfte des ATHOKA-Umsatzes aus, und Achim Zeller sucht auf seinem Mobiltelefon das Bild von einem T-Shirt, das er kürzlich auf einer Messe bekommen hat: "I liked heat pumps before they were cool." Wärmepumpen sind cool, nicht nur weil die Gaspreise steigen. Sondern auch, weil das Berufsfeld der Anlagenmechanikerin oder des Anlagenmechanikers für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik immer anspruchsvoller wird – und damit attraktiver für junge Menschen. "Die Grenzen zwischen Heiz- und Klimatechnik lösen sich auf: Die Technik wird immer komplexer. Damit steigen die Anforderungen, aber auch die Möglichkeiten", sagt Achim Zeller. "Aber noch haben wir nicht genug von den Fachkräften, die die politisch gewollte Energiewende auch umsetzen können." Dann meldet sich das Handy, der Klingelton ist ein Hit der Dancepop-Formation 2raumwohnung: "36 Grad, und es wird noch heißer", singt Inga Humpe. "Cooler Song, oder?", fragt Achim Zeller. Cooler Beruf für heiße Zeiten.
Wir haben noch nicht genug qualifizierte Fachkräfte, die die politisch gewollte Energiewende auch umsetzen können.
Jahrbuch 2023
Diese Handwerk-Story wurde zuerst im ZDH-Jahrbuch 2023 veröffentlicht. Das Jahrbuch zeigt auf, wie mit dem geballten Können von Handwerkerinnen und Handwerkern Zukunft gestaltet wird.