Energiewende unter einem Dach
Andreas Kopp muss nur in den eigenen Garten gehen und auf eine Leiter steigen, um die Misere zu erkennen. Und gleichzeitig zumindest einen Teil der Lösung. Das Dach seines Eigenheimanbaus am Rande von Hamburg ist begrünt, aber alles ist gelb und trocken. "Im Sommer war die Begrünung völlig verbrannt", sagt der Handwerksmeister und blickt mitleidend auf Gräser und Moos. Dabei erreicht ein Großteil der Sonnenstrahlen die Pflanzen gar nicht, denn auf dem begrünten Dach stehen auch die Photovoltaikmodule, die den Löwenanteil des Stroms liefern, den er und seine Familie verbrauchen.
Sowohl Dach als auch PV-Anlage hat der gebürtige Hamburger mit dem eigenen Betrieb bauen können. Denn Kopp besitzt zwei Meistertitel: als Dachdecker und als Installateur- und Heizungsbauer. Die Verbindung der beiden Gewerke ist nicht nur im Privaten praktisch, sondern auch das Erfolgsmodell des von ihm in der dritten Generation geführten Familienbetriebs mit 15 Beschäftigten, darunter seine Ehefrau und seine beiden Schwestern.
Für den 1974 geborenen Kopp war immer klar, "dass ich mal die Nachfolge meines Vaters antrete". 2006 übernahm er Kopp Sanitär und stieß schnell auf einen Grundwiderspruch des damals noch traditionell ausgerichteten Betriebs: "Wir haben die Kunden überzeugt, dass sie sich moderne Heizungen einbauen lassen, die effizienter und vor allem umweltfreundlicher sind. Und dann sind wir in unseren Diesel-Transporter gestiegen und stinkend davon getuckert", erinnert er sich an die ersten Jahre.
"Dieser Kontrast zwischen dem, was wir gepredigt, und dem, was wir selbst getan haben, war ein Schlüsselerlebnis für mich", erzählt der Handwerksmeister. Das trieb ihn an, schon 2006 seinen ersten Prius, einen Voll-Hybrid, anzuschaffen. "Das wartungsärmste Auto, das wir jemals hatten", schwärmt der 48-Jährige. 2010 folgte die Photovoltaik-Anlage auf dem Betriebsdach, vier Jahre später das erste reine Elektrofahrzeug: "Ein Montagewagen, der bis heute anstandslos läuft". Aus dem einen Montagewagen sind mittlerweile sechs geworden. Insgesamt neun E-Fahrzeuge nutzt der Betrieb, die nahezu komplett mit selbst produziertem Strom fahren. Die drei Fahrzeuge, die noch CO2 ausstoßen, sollen nach Ende ihrer Nutzung ebenfalls ersetzt werden. Der Strom, den der Betrieb zukaufen muss, stammt schon lange aus erneuerbaren Energien.
Nun, da Klimawandel und Energiewende in aller Munde sind, ist auch Andreas Kopp ein immer gefragterer Mann. Länger schon ist sein Unternehmen offizieller Umweltpartner und Luftgütepartner der Stadt Hamburg, gilt als Best-Practice-Beispiel und hat das Siegel des Qualitätsverbunds umweltbewusster Betriebe (QuB) inne.
Andreas Kopp war ein Pionier der Energiewende, heute ist er einer ihrer aktivsten Protagonisten: "Ich habe immer laut gesagt, was ich falsch finde, aber jetzt hören mehr zu", sagt er und lächelt. Die Branche sei in den Augen vieler vielleicht nicht sexy: "Aber wir wissen, dass das, was wir machen, cool ist, denn wir setzen die oft beschworene Energiewende um. Wir sind es, die die Energiewende voranbringen."
Wir wissen, dass das, was wir machen, cool ist, denn wir setzen die oft beschworene Energiewende um.
Eigentlich hat der Chef das Ziel ausgegeben, dass Kopp Sanitär im Jahr 2025 CO2-neutral sein soll. Ein Ziel, das angesichts der Umstände, vor allem wegen des Krieges in der Ukraine, schwierig umzusetzen sein könnte. Aber Kopp will nicht bloß die entsprechenden Zertifikate zukaufen, er will tatsächlich klimaneutral wirtschaften – und so weiter Vorbild bleiben.
Natürlich hat Kopp das Rad nicht neu erfunden. "In der SHK-Branche ist ja nicht erst seit gestern, sondern spätestens seit den 90er-Jahren Energiesparen das große Thema", sagt er, "aber wir haben auf jeden Fall schon vor dem Markt auf Wärmepumpen gesetzt." Das allgemeine Umdenken, das nun schließlich doch eingesetzt hat, kann er am Alltagsgeschäft ablesen. "Noch bin ich ein Exot in der Branche, aber immer mehr schlagen den Weg ein, den wir bereits vor zehn Jahren begonnen haben." Längst rufen Kollegen an und wollen Rat: "Die fragen nicht mehr nach dem 'Warum', sondern nur noch nach dem 'Wie'."
Aktuell wartet seine Firma nur noch eine Handvoll Ölheizungen bei einzelnen Kundinnen und Kunden, während die Nachfrage nach Wärmepumpen explodiert sei. Kopp erinnert sich an die früher oft schwierige Überzeugungsarbeit: "Da hatten die Leute noch Angst, im Winter frieren zu müssen, doch heute muss man niemanden mehr von den Vorzügen der Wärmepumpentechnik überzeugen." Der große Vorteil seines Betriebs ist es, dass er seinen Kundinnen und Kunden nicht allein die Heiztechnik verkaufen kann, sondern das Komplettpaket. Denn natürlich macht es Sinn, auch gleich noch das Dach zu dämmen. "Dass wir so aufgestellt sind, ist natürlich ein großes Plus", sagt er, "aber jede Maßnahme muss effektiv sein, wir schwatzen niemandem etwas auf. Denn wir machen unsere Arbeit nicht nur, weil sie Arbeit ist und uns ernährt. Sondern nicht zuletzt auch deswegen, weil sie sinnhaft ist."
Ist Andreas Kopp ein Weltverbesserer? "Nein, das ist ein abgedroschenes Wort", antwortet der Vater von drei Kindern schnell, denkt dann aber noch einmal nach: "Allerdings finde ich schon wichtig, dass die künftigen Generationen noch etwas von diesem Planeten haben sollen. Und wenn ich mal ein Enkelkind habe und mich das fragen sollte: 'Opa, was hast du gemacht?' Dann kann ich sagen: Ich war nicht leise, ich habe was getan."
Eigentlich müssten die jungen Leute, die gegen den Klimawandel kämpfen, von der Fridays-for-Future-Demo direkt zu ihm kommen und eine Ausbildung machen, findet Kopp. Denn "wenn wir den Klimawandel aufhalten wollen, brauchen wir mehr Handwerkerinnen und Handwerker, die die neue Technik auch installieren". Dann klingelt das Handy: Nicht zum ersten Mal. Ein Mitarbeiter will wissen, wo genau der Durchbruch für ein Rohr hinsoll. Aber damit kennt sich Andreas Kopp ja aus: Löcher in dicke Bretter aus alten Überzeugungen bohrt er schließlich schon seit Jahrzehnten.
Eigentlich müssten die jungen Leute, die gegen den Klimawandel demonstrieren, direkt zu mir kommen und eine Ausbildung machen.
Jahrbuch 2023
Diese Handwerk-Story wurde zuerst im ZDH-Jahrbuch 2023 veröffentlicht. Das Jahrbuch zeigt auf, wie mit dem geballten Können von Handwerkerinnen und Handwerkern Zukunft gestaltet wird.