"Im Handwerk baut man Freude!"
Wie bist Du zum Handwerk gekommen?
Sicher wusste ich nur, dass ich etwas Kreatives machen will. Ins Handwerk bin ich erst über Umwege gekommen – auch weil ich lange mit mir gehadert habe, ob eine Ausbildung für mich wirklich das Richtige ist. Denn in der Schule wird man, so zumindest mein Gefühl, nur aufs Studium vorbereitet. Daher stand auch für mich lange fest, dass ich studieren will: Architektur oder Produktdesign etwa, weil hier auf der Hand liegt, dass es sich um kreative Berufe handelt, die aber nicht allzu weit von der Praxis entfernt sind.
Allerdings: Das Studium ist das eine – ich wollte im Anschluss auch einen kreativen Beruf, in dem ich nicht nur planen, sondern auch umsetzen kann. Denn ich bin schon Perfektionistin: Wenn ich mir etwas überlege, dann denke ich mich wirklich rein, und das heißt dann auch, dass ich diesen Prozess von Anfang bis Ende gestalten will. Dafür braucht man zusätzliche Erfahrung aus der Praxis, die man wiederum allein durch ein Studium nicht unbedingt bekommt.
Dadurch ist die Ausbildung in einem handwerklich-kreativen Bereich in mein Blickfeld gerückt. Mich dann für den Ausbildungsstart zu entscheiden, hat tatsächlich auch Mut gebraucht: Man wird mit vielen Klischees konfrontiert, wenn man sagt: Hey, ich werde Schreinerin! Da hätte ich mir mehr Unterstützung gewünscht, und dass öfter kommuniziert wird: Auch eine Ausbildung ist eine gute, manchmal sogar die bessere Option. So hatte ich zunächst das Gefühl, dass die Ausbildung erst mal nur eine Übergangslösung ist.
Eine Übergangslösung ist Dein Handwerk heute aber nicht mehr, oder?
Nein, auch wenn ich tatsächlich etwas Startschwierigkeiten hatte. Denn das eher zierliche, 1,60 m große Mädchen sieht nicht unbedingt so aus, als würde es ins Schreinerhandwerk passen. Das hat nicht nur die Ausbildungsplatzsuche erschwert, sondern auch die Arbeit in den ersten Wochen. Zum Beispiel beim ersten Versuch an der Hobelbank: Nicht nur, dass diese direkt zu hoch für mich war – bei mir sind anfangs beim Hobeln auch keine Späne gefallen (lacht).
Im Laufe des ersten Ausbildungsjahres hat sich das aber gegeben. Das lag nicht nur an meinem Ausbildungsbetrieb, der mir – obwohl dies eine ganz kleine Schreinerei mit nur zwei weiteren Gesellen ist – Einblick in viele unterschiedliche Arbeiten geben konnte, weil mein Ausbilder mich viel eigenständig hat arbeiten lassen. Auch das "Nebenherarbeiten" daheim hat mir sehr geholfen, weil ich mir dadurch viel an Technik, Kraft und Geschick aneignen konnte. Und diese sichtbaren Fortschritte motivieren natürlich auch.
Ich denke, es ist ein echter Vorteil im Handwerk, dass man hier sehr früh herausfinden kann, wo im Beruf die eigenen Talente liegen, damit man diese gezielt trainieren kann. Das galt für mich auch von Anfang an für die "Gute Form". Als ich das erste Mal von dem Wettbewerb gehört habe, war meine erste Reaktion direkt: Da muss ich mitmachen, das ist genau mein Ding! Dadurch war natürlich auch klar, dass ich mir für mein Gesellenstück wirklich etwas Großes – nicht als Möbelstück, aber als Design – überlegen muss.
Und womit bist Du dann bei "Guten Form" angetreten?
Mit einem Stück, das wirklich zu mir passt: Ein kleiner Beistelltisch aus hellem, runtergebleichten Ahornholz mit Details aus Messing an Füßen und Griff, um es noch etwas edler zu gestalten. Ich wollte ein Möbelstück, das in jeden Raum passt, weil es keine Zeit hat. Mein Design ist kein Barock-Abklatsch oder zwanghaft modern, sondern ganz bewusst ein Möbel, das Ruhe ausstrahlt und das so fertig ist, dass man nichts mehr hinzufügen möchte, aber auch nichts weglassen könnte. Dahin zu kommen, hat viel Spielerei mit dem Design gefordert, bis ich mir irgendwann dachte: Okay, das ist es, das wird spannend!
Was ganz einfach aussieht, ist in Sachen Design und Technik trotzdem eine ziemliche Herausforderung. Denn genau diese Kriterien werden für die "Gute Form" gewertet und benotet. Je nach Punktzahl entscheidet sich dann, ob man weiterkommt: Auf Innungs-, Landes- und Bundesebene bewerten jeweils unterschiedliche Jurys.
Toll ist, dass diese unterschiedlichen Ebenen jeweils ausgestellt werden, sodass man die Konkurrenz, die man auf der jeweiligen Ebene hat, auch sehen kann. Auf Innungsebene wurden unsere Gesellenstücke etwa hier in unserer Berufsschule ausgestellt, auf Landesebene im "Haus der Wirtschaft" in Stuttgart und auf Bundesebene auf der LIGNA in Hannover. Das verschafft uns nicht nur Sichtbarkeit, sondern auch die Möglichkeit zum Austausch: Zwei der anderen Teilnehmerinnen auf Landesebene sind mittlerweile gute Freundinnen von mir.
Und was mir auch wichtig ist: Die Wettbewerbe erhöhen die Chance auf das Weiterbildungsstipendium. Dass es dieses Stipendium überhaupt gibt, und dass man nicht einen Abischnitt von 1,0 haben muss, um gefördert zu werden, das muss für meinen Geschmack noch viel bekannter werden: Es gibt nicht nur zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten im Handwerk, es gibt auch Unterstützung dafür!
Du hast nicht nur an der "Guten Form" teilgenommen, sondern auch an der Deutsche Meisterschaft im Handwerk (DMH). Dadurch kannst Du hautnah berichten: Wie unterscheiden sich die beiden Wettbewerbe?
Klar ist: Das sind grundverschiedene Wettbewerbe, bei denen komplett andere Fähigkeiten gefordert sind. Bei der "Guten Form" kommt es darauf an, sich mit einem Design auseinanderzusetzen: Wie denke ich mich in ein Stück hinein, wie gut plane ich? Ich liebe es, zu planen, nicht nur bei der Anfertigung meines Gesellenstücks, auch beim Urlaub, der immer ganz sauber durchgetaktet ist (lacht).
Bei der DMH kommt es darauf an, wie fähig man in einem Jetzt-Moment ist: Da muss man unter Druck abliefern können. Auch wenn mein Ergebnis wirklich nicht schlecht war, muss ich doch sagen: Das lag mir deutlich weniger als die "Gute Form", weil bei der DMH eine ganz andere Kunst gefordert ist.
Aber genau deswegen finde ich es wichtig, dass es beide Wettbewerbe gibt, denn beide Dinge sind wichtig im Beruf. Ich finde es toll, dass nicht nur die Schnelligkeit und das 'Abliefern' wie bei der DMH, sondern auch die Planung und das Kreative wie im Wettbewerb der "Guten Form" im Handwerk wertgeschätzt werden!
Wie geht es für eine Bundessiegerin nach der "Guten Form" denn weiter?
Bis zum September 2024 möchte ich weiterarbeiten, um dann auf die Meisterschule in Garmisch-Partenkirchen zu gehen. Das ist eine besondere Meisterschule, weil sie viel Wert auf Design legt, und daher auch ein halbes Jahr länger dauert. Weil Design aber genau das ist, was mich reizt und mir bisher am meisten Erfolg verschafft hat, finde ich das sogar gut.
Langfristig ist es auf jeden Fall mein Traum, dass ich mich selbstständig mache. Denn das stellt wirklich sicher, dass ich meine Projekte von Anfang bis Ende begleiten kann, da kann ich kreativ sein und meine Kunst auf eine Ebene bringen, die im Alltag nutzbar ist. Und mir damit am freien Markt einen Namen machen – das ist mein großes Karriereziel.
Was würdest Du also anderen jungen Menschen raten: Warum lohnt sich eine Ausbildung im Handwerk?
Dass man sich und anderen Menschen mit seinem Handwerk Träume erfüllen kann, ist für mich wesentlich. Und dass man am Ende nicht nur greifbare Produkte hat, an denen man die eigenen Erfolge messen kann, sondern auch das direkte Feedback von Familie, Freunden und Kunden: Durch die Rückmeldung, dass man es geschafft hat, eine Wohnung oder ein Haus zu verschönern und so einen echten Mehrwert erreicht hat, geht man mit einem ganz anderen Gefühl heim, als wenn man nur den PC runterfährt und ins Auto steigt.
Persönlich kommt für mich noch hinzu, dass ich wirklich das Gefühl habe, ich habe mit meiner Ausbildung was fürs Leben gelernt und werde durch meine Arbeit erwachsener, weil ich mir Wissen erarbeitet habe, das ich direkt im Alltag anwenden kann. Dieses Gefühl lässt sich schwer beschreiben. Aber auch im privaten Umfeld wird man zu einer Person, die gebraucht wird, die helfen und unter die Arme greifen kann, und das ist mir sehr wichtig.
Ein Beispiel macht es vielleicht deutlicher: Zum Geburtstag habe ich meiner Schwester ein Sideboard gebaut. Das ist nicht einfach nur ein 'großes' Geschenk, weil es ein Möbelstück ist. Sondern das ist ein Geschenk, bei dem sofort sichtbar wird, wie viel Arbeit, Zeit und Mühe man für den anderen reingesteckt hat. Das hat sich auch direkt in ihrer Reaktion gezeigt, weil ihr erster Satz war: DAS Stück nehme ich später mal mit in mein eigenes Haus!
In solchen Momenten merke ich: Im Handwerk baut man Freunde. Und wo sonst findet man das?