"Im Handwerk kannst Du alles erreichen!"
Wie sind Sie ins Handwerk gekommen?
Ich fand Handwerk schon immer cool, also habe ich meine Schulpraktika in der neunten Klasse im Handwerk gemacht. Da bin ich dann auch vom ersten Tag an mit voller Motivation reingestartet, um meinem Chef und meinen Kollegen zu zeigen, dass ich wirklich Interesse und Lust auf die Arbeit habe. Außerdem konnte ich schauen, welche Jobs und welche Branche mir wirklich liegen. Dadurch haben die Praktika gleich doppelt geholfen: Ich war mir schon in der Schulzeit sicher, dass ich in die Autobranche will, und ich habe direkt ein Angebot für die Ausbildung als Kfz-Mechatroniker bekommen und konnte mit der Ausbildung sofort nach dem Realschulabschluss starten.
Wie ging es danach weiter?
Klar ist: Nach der Ausbildung ist man noch nicht fertig, sondern fängt erst richtig an. Und ich dachte mir, dass ich am besten und meisten lerne, wenn ich mich weiterbilde. Also habe ich meinen Meister gemacht und wurde mit 23 Werkstattleiter. Das war ein ziemlich angenehmer Job: Ich musste Kundengespräche führen, die Arbeit an meine Kollegen verteilen, Rechnungen schreiben und Angebote machen. Und da hat man auch ganz gut verdient. Für jemanden, der 2011 ohne Deutschkenntnisse in der 9. Klasse angefangen hat, hat es sich super angefühlt, nach nur sieben Jahren Werkstattleiter zu sein – und Gesellen zu haben, die deutlich älter sind.
Warum ich das erzähle? Weil es zeigt: Man kann sich hocharbeiten, wenn man motiviert ist und Leistung zeigt. Man sollte sich nicht so leicht zufriedengeben. Was mir der Job als Werkstattleiter aber auch gezeigt hat: Mir reichte das noch nicht aus. Ich wollte mich selbstständig machen. Also habe ich mir 2019 hier in Hannover eine kleine Halle gesucht, eine Kfz-Meisterwerkstatt in einem Hinterhof, und losgelegt.
Sie haben also Ihr eigenes Unternehmen gestartet.
Genau, ich habe einen Kfz-Meisterbetrieb gegründet, mit einem Mitarbeiter: mit mir. Egal was: Ob Kundengespräche führen, Teile bestellen, Reparaturen durchführen oder auch die Werkstatt putzen: Zwei Jahre lang habe ich das alles selbst gemacht. Diese Zeit ging wirklich schnell vorbei.Am Anfang nach einer Unternehmensgründung macht man ja fast nichts anderes als Arbeiten. Die ersten sieben Jahre - die „heiße Phase“ - sind wichtig, um sein Unternehmen gesund auf die Beine zu stellen. Jetzt habe ich davon noch vier Jahre vor mir. Denn Ende des letzten Jahres bin ich leider schwer erkrankt und musste meinen Betrieb für sechs Monate schließen. Das hat natürlich an meinen Rücklagen gezehrt, weil alles weg war, was ich mir über die zwei Jahre zur Seite gelegt hatte. Dadurch stand ich an einer Kreuzung: Mache ich das weiter – oder gehe ich in eine Anstellung? Viele Leute in meinem Umfeld haben mir gesagt: Du hast einen sehr guten Ruf, du hast die Erfahrung aus zwei Jahren Selbstständigkeit, du wirst überall mit einem sehr guten Gehalt genommen! Ich sehe aber Potential in mir und meinem Betrieb, weshalb ich weitermache.
Ich habe einen Plan, ich habe von Null angefangen. Und was ich in den elf Jahre geschafft habe, macht mich sehr stolz. In den nächsten vier Jahren will ich zeigen, dass ein kleiner Junge, der mit 15 in ein fremdes Land kommt und von Null anfängt, trotzdem alles erreichen kann.
Wie schafft man es in so einer Situation, weiterzumachen?
Mit der Unterstützung der Familie und von guten Menschen. Ich kann mich auf die Leute in meinem Umfeld verlassen, ich habe die Handwerkskammer hinter mir, und bekomme wirklich Hilfe von allen Seiten. Das ist wichtig, denn allein kann man nicht alles stemmen.
Ich habe das Glück, dass ich von Leuten umgeben bin, die auch daran glauben, dass man hierherkommen, sich integrieren und auch anderen Menschen dieselben Möglichkeiten geben kann. Diese Hilfsbereitschaft, die man ja auch aktuell sieht, finde ich wichtig. Und ich will meinen Beitrag dazu leisten. Denn es sind vielleicht schwierige Zeiten – aber wenn wir zusammenhalten und anpacken, dann kommen wir da durch!
Sind Sie deswegen auch als Botschafter des Handwerks tätig?
Ich denke, jeder hat sein Päckchen zu tragen – egal, woher er kommt. Aber wie sagt man so schön: Solange du die Schmerzen selbst nicht gefühlt hast, kannst du bei anderen nicht mitfühlen. Und ich habe Schmerzen gefühlt. Deswegen kann ich auch bei den Leuten mitfühlen, die neu gekommen sind und sagen: Ja, ich weiß, was du durchmachst.
Dadurch kann ich den vielen Menschen, die vertrieben werden und hierherkommen – nicht nur aus Afghanistan, aktuell ja auch aus der Ukraine oder den vielen anderen Kriegen – helfen. Und das hat mich auch motiviert zu sagen, dass ich selbstständig bleiben muss. Denn da kann ich nicht nur mir helfen, gutes Geld verdienen und ein schönes Haus haben. Das ist nicht mein Ziel. Ich will anderen helfen. Und ich will, dass mein Unternehmen das auch tut.
Wo stehen Sie jetzt, wie geht es Ihnen und Ihrem Betrieb derzeit?
Nach sechsmonatigem Betriebsausfall muss ich gerade quasi von Null anfangen. Aber ich habe mein Ziel fest vor Augen und erst kürzlich einen Azubi angestellt. Ein sehr guter junger Mann, der 2015 aus Afghanistan nach Deutschland kam, allein hier ist und Kfz-Mechaniker werden will. Und genau dem kann ich die Chance geben, die ich selbst hatte, weil ich damals einen sehr, sehr netten Filialleiter getroffen habe, der mich eingestellt hat. Der hat damals gesehen, dass ich motiviert war, dass ich nicht in der Gegend rumstand, sondern immer gefragt habe: Was kann ich machen, wo kann ich helfen?
Eigentlich haben Sie schon mehr als genug Gründe geliefert – aber angenommen, vor Ihnen steht ein junger Mensch, der noch mit sich hadert: Was raten Sie, warum lohnt sich eine Ausbildung im Handwerk?
Deine zehn Finger sind Gold. Und Handwerk ist Wissen, das dir keiner nehmen kann. Außerdem kannst du im Handwerk sehr, sehr erfolgreich sein, egal in welchem Bereich, denn es gibt so viele gute – und gutbezahlte! – Handwerksberufe, gerade wenn du dich weiterbildest. Ich merke das als Kfz-Meister – der Titel und die Selbstständigkeit machen wirklich Etwas aus, sie verschaffen Anerkennung. Und klar ist auch: Die Arbeit wird uns nicht ausgehen, sondern wird sich immer weiterentwickeln. Mit einem Beruf im Handwerk kannst du nichts falsch machen – aber alles erreichen!