Innovationsgeist trifft auf Teamspirit
Der Brunnenbau gehört wie etwa 30 andere Handwerksberufe zu den Klimahandwerken. Ihr Ziel ist der Erfolg der Energie- und Mobilitätswende. Handwerkerinnen und Handwerker modernisieren Heizungen, dämmen Gebäude, warten Elektrofahrzeuge, installieren Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen. Und sie erschließen Erdwärme, wie die Firma Handke Brunnenbau aus dem rheinland-pfälzischen Dirmstein. Weil der Handwerksbetrieb dabei erfindungsreich auf dem Gebiet der Geothermie unterwegs ist, wurde er 2022 mit dem Innovationspreis Rheinland-Pfalz ausgezeichnet. Firmengründer Heiko Handke hat eine spezielle Sonde entwickelt und patentieren lassen, mit der Erdwärme aus 1.500 Metern Tiefe kostengünstig und CO₂-neutral genutzt werden kann. Aufgrund der besonderen Rohrisolierung verliert das heiß geförderte Wasser weniger Temperatur als mit gewöhnlichen Sonden.
Heiko Handke ist Spezialist für Tiefenbohrung. Schon sein Vater war Bohrmeister, ließ den Sohn in den Ferien auf Baustellen jobben. Gleich in die Fußstapfen des Vaters treten wollte er aber damals nicht. "Wie wahrscheinlich jeder Jugendliche wollte ich meinen eigenen Weg gehen", erzählt der 46-Jährige. Er entschied sich zunächst für eine Ausbildung zum Stahlbetonbauer, um dann doch noch umzuschwenken. "Also habe ich die Ausbildung zum Brunnenbauer angeschlossen und den Meister gemacht."
Während eines ersten längeren Urlaubs in dieser Zeit kam Heiko Handke auf die Idee, sich einen Bagger zu kaufen und diesen zu einem Bohrgerät umzubauen. "Kundschaft kam von allein, zuerst habe ich vor allem Gartenbrunnen gebohrt", schildert er. Heute umfasst sein Gerätepark unter anderem sieben Bohranlagen, sieben Schwerlastwagen. Und es stehen zudem sogar ein Schubschiff, ein Beiboot und zwei Bohrplattformen bereit. Denn gebohrt wird auch auf Bundeswasserstraßen, Seen und in der Nordsee.
Schweres Gerät und Fingerspitzengefühl
Wer in die Tiefe bohrt, arbeitet mit schwerem Gerät. Gleichzeitig ist Fingerspitzengefühl gefragt. Heiko Handke und seine 15 Angestellten sind Profis, wenn es um Erdbohrungen geht. Ihr Fachwissen wird von privaten Auftraggebern ebenso abgerufen wie von Bundes- und Länderbehörden sowie Kommunen. "Trinkwasserbrunnen sind für alle interessant, die sorgsam mit dem Wasser umgehen und hohe Kosten vermeiden wollen", erläutert Jacqueline Schattner, stellvertretende Geschäftsführerin. Zudem verfügt das Unternehmen über eine enorme Expertise für Wärmepumpen – auch in großem Maßstab.
Wir wollen immer einen Schritt weiter sein als die anderen.
Die von Heiko Handke entwickelte und mit dem Innovationspreis ausgezeichnete koaxiale Erdwärmesonde eignet sich hervorragend zum Heizen mehrerer Wohngebäude oder gewerblicher Bauten. "Das ist interessant für Kommunen, die zukunftsfähig bauen wollen", erläutert Heiko Handke. Allerdings müssten manchmal immer noch ziemlich dicke Bretter gebohrt werden, um Verantwortliche in den Bauämtern dafür zu begeistern: "Hier in unserer Gegend im Oberrheingraben herrschen Temperaturen von bis zu 120 Grad Celsius in Tiefen von 1.000 bis 1.500 Metern – also holen wir die Energie aus der Erde und heizen unsere Gebäude."
Hohe Problemlösungskompetenz gefragt
Spezialisiert hat sich die Firma zudem auf Aufschlussbohrungen für geologische Baugrundgutachten. "Dabei unterstützen wir unsere Kunden bei größeren Bauvorhaben sowie schwierigen Baugrundverhältnissen. Wir erstellen beispielsweise Baugrundgutachten, wir sind aber auch als Kampfmittelsucher in Gewässern tätig", skizziert Jacqueline Schattner die Einsatzmöglichkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. "Wir bei Handke Brunnenbau haben tolle, abwechslungsreiche Jobs. Kein Tag ist wieder andere und alle, die hier arbeiten, bringen große Problemlösungskompetenz mit." Das gilt für ihr dreiköpfiges Frauenteam in der kaufmännischen Abteilung im Firmensitz in Dirmstein wie für die Männer, die deutschlandweit auf den Baustellen zu Lande und zu Wasser im Einsatz sind.
Heiko Handke verhehlt nicht, dass sein Handwerk auch einiges abverlangt. Muskelkraft, Arbeiten bei Wind und Wetter im Freien, je nach Projekt auch samstags und sonntags. Und doch gibt es für ihn nichts Schöneres, als mit der Natur zu arbeiten. "Wer eine Aufgabe will, die immer neue Herausforderungen bringt, wo Flexibilität, technisches Verständnis und eine Hands-on-Mentalität gefragt sind, ist im Brunnenbau richtig. Mitgebracht werden muss allerdings eine gewisse körperliche Fitness, denn auch wenn die Technik manches einfacher macht, ist bei uns auf den Baustellen immer noch Muskelkraft gefragt."
Die große Frage
Doch wie erreichen wir junge Leute und begeistern sie für das Brunnenbau-Metier? Diese Frage beschäftigt Heiko Handke und Jacqueline Schattner momentan schwer. Denn die Auftragsbücher sind voll, es gibt genug zu tun, gern würden die beiden das Team erweitern und mehr junge Menschen ausbilden. Wie kann man den Nachwuchs für den Betrieb gewinnen? Ein Mobiltelefon bezahlen? Den Führerschein finanzieren? "Alles denkbar", sagt Jacqueline Schattner. Was wünscht sich Heiko Handke von seinen Auszubildenden? "Ich stelle mir einen jungen Menschen vor, der Lust auf den Beruf hat. Der nicht fragt, was bekomme ich dafür, wenn ihr mir etwas beibringt. Sondern jemand, der richtig stolz darauf ist, bei uns zu arbeiten. Weil wir etwas Sinnvolles tun, weil wir dazu beitragen, das Land zukunftsfit zu machen", antwortet er. Er selbst hat sich immer engagiert, wenn seine Azubis Schwierigkeiten mit der Berufsschule hatten. Er hat zum Beispiel höchstpersönlich Mathenachhilfe sonntags im Konferenzraum gegeben. Aktuell gibt es eine Jugendliche, die kommt seinem Ideal nahe: "Eine Schülerin, die während eines Praktikums Feuer gefangen hat. Sie ist total begeistert und findet es cool, in so einem außergewöhnlichen Beruf zu arbeiten. Dass sie sich auch mal die Hände schmutzig macht, stört sie nicht, undsie denkt über eine Ausbildung nach dem Abitur nach", schwärmt Heiko Handke. Ein Hoffnungsschimmer. "Es mag schwer sein, gute Leute zu finden, aber wir sind zuversichtlich."
Mit sportlichen Zielen kennt Heiko Handke sich aus. Als passionierter Radfahrer, der in seiner Freizeit auf 30.000 Kilometer im Jahr kommt, weiß er, was es braucht, um ans Ziel zu kommen: mentale Stärke, Disziplin, Ausdauer und nicht zuletzt ein starkes Team. Seit 2019 sponsert er das Handke Brunnenbau Cyclingteam, zehn Fahrer aus unterschiedlichen Vereinen, die sich in der Amateur-Rennszene etablieren wollen. Für die Teams Handke – im Sattel wie am Bohrmast – heißt die Erfolgsformel: Gemeinsam mehr erreichen!
Klimahandwerke
Deutschland soll klimaneutral werden. Damit diese Herkulesaufgabe gelingt, braucht es vor allem die klimarelevanten Handwerke. Schon jetzt sind rund 490.000 Handwerksbetriebe mit mehr als 3,1 Millionen Beschäftigten in knapp 30 Gewerken am Start. Bei den anstehenden Transformationsprozessen beim Klimaschutz und bei der Energie- wie auch der Mobilitätswende nimmt das Handwerk eine Schlüsselrolle ein. Von Flensburg bis Freiburg, von Aachen bis Görlitz: Überall in Deutschland installieren Handwerkerinnen und Handwerker Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen, dämmen Gebäude oder bauen an der Infrastruktur für die zunehmende E-Mobilität.
Jahrbuch 2024
Diese Handwerk-Story wurde zuerst im ZDH-Jahrbuch 2024 veröffentlicht. Das Jahrbuch zeigt unter dem Moitto "Neu denken. Zeit, zu machen." viele Positivbeispiele von Handwerkerinnen und Handwerkern in den Bereichen Transformation, Digitalisierung, Innovation und Gesellschaft.