Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Nachhaltige Sneaker-Reparateurin

Immer mehr Menschen tragen Turnschuhe und Sneaker und immer mehr möchten sich an ihren Lieblingsstücken so lange wie möglich erfreuen. Das Handwerk muss sich solchen Veränderungen anpassen, meint Maßschuhmacherin und "Sneaker-Reparateurin" Karina Ranft.
Karina Ranft

"Die Gesellschaft wandelt sich und ich muss mitgehen", sagt Karina Ranft. Vor allem wandelt die Allgemeinheit auf Turnschuhen, "gefühlt tragen 95 Prozent der Menschen Sportschuhe", so die Schuhmacherin. Das Handwerk muss sich solchen Veränderungen anpassen. Wenn eben weniger Lederschuhe zugeschnürt werden, widmet sich der Schuhfan Karina Ranft eben verstärkt den Turnschuhen, neudeutsch den Sneakern.

Ein Händchen für ramponierte Turnschuhe

Es hat sich im Rheinland rumgesprochen, dass in Düsseldorf eine Schuhmacherin tätig ist, die nicht nur sorgfältig Absätze wieder geradeschleift und Schuhe repariert, sondern die sich auch auf die Heilung von Sneaker-Krankheiten versteht. Sie verpasst dem Fersenfutter von ramponierten Sportschuhen eine Lederstütze, verstärkt den beanspruchten Großzehenbereich und sorgt mit stabilen Langsohlen für Tragekomfort. Karina Ranft ist Mitglied bei den "Repair Rebels", einem Mode-Netzwerk, das Kleidungsstücken ein Update gibt, sodass sie länger zu tragen sind. Alle dort sind Profis in ihrem Metier und zeigen Leidenschaft und Liebe bei jeder Reparatur.

Wir müssen JETZT das Handwerk sichtbarer und hipper machen, damit es auch für jüngere Menschen attraktiv ist. Nur dann finden wir genug Nachwuchs und das Handwerk stirbt nicht aus.

Herzensprojekt: umweltfreundliche Sneaker fertigen

Sneaker von Schuhmacherin Karina Ranft

"Kapire" steht über der Eingangstür der Schuhmacherei an der Heyestraße im Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim. Das Wort ist aus Karina Ranfts Vornamen, ihrem polnischen Mädchennamen und ihrem Geburtsort zusammengesetzt. "Kapire" ist auch der Markenname der von ihr entworfenen, up-gecycelten Sneaker. Das ist ihr Herzensprojekt: nachhaltige Turnschuhe in coolem Look. Der Prototyp aus kariertem Wollstoff ist bereits in ihrem Schaufenster zu bewundern. Für ihr up-gecycletes Schuhwerk bezieht Karina Ranft Reststoffe eines Berliner Modelabels, das Mäntel aus alten Wolldecken schneidert.

"Mein Handwerk ist unglaublich vielseitig"

Karina Sanft sensibilisiert für ethischen Konsum und wünscht sich Wertschätzung für die Arbeit aller an der Produktion Beteiligten. Dafür tritt sie unaufgeregt und ohne missionieren zu wollen ein. Als Mutter eines zehnjährigen Sohnes und einer achtjährigen Tochter ist ihr ressourcenschonendes Verhalten auch im Alltag wichtig. Karina Ranft freut sich, wenn ihre Kinder Dinge finden und zu ihr in die Werkstatt bringen, im festen Vertrauen darauf, dass Mama das reparieren kann. Meist kann sie das. Auch die Kundschaft weiß um die kreative Energie der Schuhmacherin, die besonders gern knifflige Wünsche erfüllt: So hat sie beispielsweise auf Wunsch einer Kundin deren Pumps von ihrer spitzen Form befreit. Ein weiterer Kunde gab die Fertigung eines Wäschekorbs aus Leder in Auftrag. "Das liebe ich an meinem Handwerk, es ist so vielseitig", sagt Karina Ranft.

Ausbildung zur Maßschuhmacherin

Karina Ranft vor ihrem Schuhladen

Obschon sie bereits als Kind ein Faible für Schuhe hatte und über eine stattliche Sammlung daheim im Schuhschrank verfügt, ist sie als Schuhmacherin spätberufen. Nach dem Realschulabschluss arbeitete sie zunächst zehn Jahre in einem Elektromarkt, bevor sie sich mit 27 beruflich neu orientierte und eine Ausbildung zur Schuhmacherin begann. Im ersten Jahr lernte sie in einer Schuhfabrik in Langenfeld. Nach einem Jahr wollte sie ihre Erfahrungen ausbauen – und wechselte in die Ausbildung zur Maßschuhmacherin. "Mir wurde der erste Teil der Ausbildung anerkannt", erzählt Karina Ranft. Dank ihres umtriebigen Ausbilders bekam sie sogar die Chance, ein vierwöchiges Praktikum in einem Betrieb in Moskau zu absolvieren.

Ladenwerkstatt am Traditionsstandort

Zwei Jahre lang hat Karina Ranft nach ihrer Ausbildung einen geeigneten Standort für ihre Selbstständigkeit gesucht. Im Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim konnte sie eine traditionelle Schuhmacherei  übernehmen. Ihr Vorgänger war 40 Jahre als Schuhmacher an gleicher Stelle tätig, die Kundschaft freute sich, dass die Tradition fortgeführt wird. Auch wenn Karina Ranft eigene Akzente setzt: Sie hat die frühere Trennung von Werkstatt und Kundenbereich aufgehoben und erlaubt Einblicke in ihre Arbeit. Der Werkstattladen ist ein zauberhafter Ort geworden: Lederstücke hängen an den farbigen Wänden, ein weiß lackiertes Hollandrad dient als Blickfang und Unterstand für die Kasse. Traditionelle Leder-Nähmaschinen stehen neben Ständern mit quietschbunten Socken.

Ich bin flexibel und stelle mich den Herausforderungen immer wieder aufs Neue.

Offene Werkstatt, Zeit für Gespräche

Schuhmacherei Karina Ranft in Düsseldorf-Gerresheim

"Ich will zeigen, was ich mache. Und ich freue mich über jeden, der reinkommt und Fragen stellt", sagt die 40-Jährige. "Manchmal kommt jemand auch nur, um ein bisschen zu quatschen, das ist für mich auch in Ordnung." Und für die Kundinnen und Kunden war es in Ordnung, dass die neue Schuhmacherin die Preise angehoben hat. Während ihr Vorgänger für einen neuen Absatz 6,50 Euro verlangt hat, kostet es inzwischen 20 Euro. "Das ist natürlich ein großer Unterschied. Aber die Kundschaft hat glücklicherweise verstanden, warum ich solche Preise verlangen muss."

"Slow Working" heißt die Devise

Selbst dass die Schuhmacherin – anders als ihr Vorgänger – montags geschlossen hat, wurde  akzeptiert. "Viele haben Verständnis dafür, dass mir auch mein Familienleben wichtig ist", sagt Karina Ranft. Hat sie sich die Vereinbarkeitsfrage gestellt, als sie sich für ihre Selbstständigkeit entschieden hat? "Das war jedenfalls kein Hinderungsgrund, ich konnte mir immer schon vorstellen, ein eigenes Business zu führen. Zudem sehen mein Mann und ich das nicht so, dass die Balance zwischen Familie und Arbeit allein ein Thema für die Frau ist", sagt Karina Ranft. Für ihre Arbeit bedeutet das, dass sie sich nicht hetzen lässt. "Slow Working ist das Motto bei Kapire. Wenn ich anfange, mich zu stressen, werden die Sachen nicht gut." Sie bleibt unaufgeregt auf ihrem Weg: Kreativ, zielstrebig und mit langem Atem.

Nachhaltigkeit im Handwerk

Das deutsche Handwerk ist stolz auf seine lange Nachhaltigkeitstradition. Ein schonender Umgang mit Ressourcen ist für uns kein Trend, sondern ein über Jahrhunderte gewachsener und bestimmender Bestandteil unserer Identität und Werte. Auf der ZDH-Themenseite finden sich unter anderem zu dem Thema zahlreiche Praxisbeispiele, eine Stellungnahme zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und ein Selbstcheck für Betriebe.

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Diese Handwerk-Story wurde zuerst im ZDH-Jahrbuch 2024 veröffentlicht. Das Jahrbuch zeigt unter dem Moitto "Neu denken. Zeit, zu machen." viele Positivbeispiele von Handwerkerinnen und Handwerkern in den Bereichen Transformation, Digitalisierung, Innovation und Gesellschaft.

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