Wasser auf die Mühlen der Nachhaltigkeit
Wer sich, von Stuttgart kommend, auf den Weg zur Mühle Gosbach macht, wird schon unterwegs auf die Region und ihre Natur eingestimmt. In malerischen Biegen führt die Straße durch die Alblandschaft. Buchenwälder und Bachläufe tauchen am Wegesrand auf, dazwischen liegen kleine Orte und die Natur-Genuss-Mühle Gosbach. Links das Mühlenhaus, gut erkennbar am gelb-blau gemalerten Silo – rechts der Laden, eingerichtet in einem modernen Flachbau aus Holz.
Das Getreide wird oben auf der Alb angebaut und hier unten in unserer Mühle mit der Wasserkraft der Fils verarbeitet und verkauft. Vom Korn bis zum Mehl: auf diese regionale Kette sind wir stolz. Wir werden gesehen in dem, was wir tun. Als Handwerker bekommen wir Anerkennung.
Drinnen wartet Ruth Erhardt-Zonka. Sie habe immer gewusst, dass sie Müllerin wird. Schon als junges Mädchen hat sie als Älteste von drei Schwestern erklärt, später einmal den elterlichen Betrieb übernehmen zu wollen. Vater und Mutter Erhardt waren skeptisch: Die viele Arbeit! Und dann auch noch als Frau. Lass es besser, so der Ratschlag an die Tochter. Also hat sie erst einmal Lebensmitteltechnologie an der Hochschule Weihenstephan studiert und anschließend an der Universität Hohenheim ihr Diplom als Getreidetechnologin abgelegt.
Das war 1997. Zwei Jahre später hat es dann doch geklappt mit der Nachfolge. Die Handwerkskammer erkannte ihr Diplom als Meistertitel an, das Mahlen erlernte sie von ihrem Vater. Und als hätten die Eltern es geahnt, als sie der Tochter rieten, sich "den richtigen Partner" zu suchen, lernte sie wenig später ihren heutigen Ehemann Markus kennen. Der hatte zwar keine Ahnung von Mehl und Schrot, von Getreiden und Saaten. Aber er verstand eine Menge von Vertrieb und Marketing.
"Wenn mein Mann nicht mit eingestiegen wäre, würde es die Mühle heute nicht mehr geben", sagt Ruth Erhardt-Zonka. "Denn in so einem kleinen Familienbetrieb funktioniert es nur, wenn alle zusammenhalten." Und das klappt ganz offensichtlich gut. Sie sei die Technologin, sagt Ruth Erhardt-Zonka, Markus eher der Organisator. Beide sind Könner ihres jeweiligen Fachs. Und, ganz wichtig: Sie besprechen alles und haben spürbar Freude an ihrem Handwerk und Projekt.
Im Mühlenladen ist von montags bis samstags die Tür auf. Die Kundschaft bummelt durch das gemütlich eingerichtete Geschäft. Zu kaufen gibt es dort natürlich Mehl und Getreide, aber auch Müsli und Saaten, Reis und Nüsse, Kaffee und Tee. Und wo sie schon mal hier sind, schlendern sie vorbei an Regalen und Tischen mit regionalen Schätzen wie Obst und Gemüse, Eiern, Käse und Senf. Es gibt Prosecco und Gewürze sowie Schönes zum Einrichten und Verschenken.
"Das Getreide wird oben auf der Alb angebaut und hier unten mit der Wasserkraft der Fils verarbeitet und verkauft. Vom Korn bis zum Mehl, auf diese regionale Kette sind wir stolz", sagt die Chefin. Wer mag, kann auch sehen, wo und wie der Großteil des Angebots produziert wird. Hinter einer Glaswand stehen die alten, gut gepflegten Maschinen und Anlagen der Mühle. Was die Kundinnen und Kunden nicht sehen, ist die hochmoderne Technik, die hinter diesem Projekt aus sorgfältiger Eigenproduktion und liebevoller Vermarktung steckt.
"Wir nennen das: Tradition trifft Innovation", umschreibt Ruth Erhardt-Zonka den Prozess des Umdenkens, der hinter ihr und ihrem Mann Markus liegt. 2021, die Corona-Pandemie war in vollem Gange, fragten sich die beiden, wie sie mit ihrem Betrieb Klimaneutralität erreichen könnten. "Wir hatten schon das QS-Zertifikat für Lebensmittelsicherheit und das Bio-Siegel; da war energetisches Umdenken der logische nächste Schritt." Der Zufall wollte es, dass gerade jetzt die Handwerkskammer Stuttgart ein solches Projekt startete. Von heute aus betrachtet, war manches dann zwar umständlich und kompliziert. Aber so ist es eben bei einem "Pilot-Betrieb", wie Ruth Erhardt-Zonka stolz ihre Mühle nennt.
Heute produzieren sie ihren Strom mit einer Photovoltaik-Anlage selbst. "Aber das reicht bei weitem nicht aus, um unsere Kosten zu decken." Im Zuge der durch den Krieg gegen die Ukraine ausgelösten Getreidekrise wurden die zugekauften Rohprodukte teurer, von den Energiepreisen ganz zu schweigen. Zugleich bleiben die Ansprüche an ihre Naturprodukte gleich hoch. Zu Recht. "Wir werden dem Wort Qualität gerecht, beispielsweise mit unserer Herkunftsgarantie", sagt Ruth Erhardt-Zonka.
Gute Produkte einzukaufen, hat viel mit dem gesellschaftlichen Wandel zu tun. Eltern wollen ihre Kinder gesund und nachhaltig ernähren, Bäcker gute Brötchen und Brote backen, Seniorinnen und Senioren essen gesundheitsbewusster. Sie alle danken es den Erhardt-Zonkas: mit Anerkennung, Freundlichkeit und Treue. Die wiederum fühlen sich bestätigt in dem, was sie Tag für Tag bewegen. "Wir werden gesehen in dem, was wir tun. Als Handwerker bekommen wir Anerkennung", freut sie sich.
Wir nennen das: Tradition trifft Innovation. Wir hatten schon das QS-Zertifikat für Lebensmittelsicherheit und das Bio-Siegel; da war energetisches Umdenken der logische nächste Schritt.
Jahrbuch 2023
Diese Handwerk-Story wurde zuerst im ZDH-Jahrbuch 2023 veröffentlicht. Das Jahrbuch zeigt auf, wie mit dem geballten Können von Handwerkerinnen und Handwerkern Zukunft gestaltet wird.