Umsatzsteuer bei der Abgabe von Speisen und Getränken im Handwerk
Im Lebensmittelhandwerk werden eine Vielzahl unterschiedlicher Leistungen rund um das Thema "Speisen und Getränke" erbracht. Dazu zählen z. B. der Verkauf über die Ladentheke, in einem Café oder Imbiss, die Verpflegungsleistungen in Schulen, Kindertagesstätten, Krankenhäusern, Kantinen oder ähnlichen Einrichtungen sowie auch die Leistungen eines Partyservice und eines Mahlzeitendienstes ("Essen auf Rädern").
In jedem Einzelfall muss der Handwerksbetrieb entscheiden, ob es sich bei seiner Leistung um eine dem ermäßigten Umsatzsteuersatz (7 %) unterliegende Lieferung oder eine dem allgemeinen Umsatzsteuersatz (19 %) unterliegende sonstige Leistung handelt.
Aufgrund aktueller Rechtsprechung im Jahr 2011 hat das Bundesfinanzministerium mit Erlass vom 20. März 2013 die Abgrenzungskriterien – teilweise neu – festgelegt.
Welcher Umsatzsteuersatz gilt?
Bei der Abgabe von Speisen und Getränken ist umsatzsteuerlich zwischen
- ermäßigt besteuerten Speisen- und Getränkelieferungen (7 %)
- und dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen (sonstige Leistungen, 19 %)
zu unterscheiden.
Achtung! Getränke, die dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen, sind
- Milch und Milcherzeugnisse,
- Milchmischgetränke mit einem Anteil an Milch oder Milcherzeugnissen von mind. 75 % des Fertigerzeugnisses und
- Wasser, jedoch nicht solches Trinkwasser, das in Fertigpackungen, die zur Abgabe an den Verbraucher bestimmt sind, in den Verkehr gebracht wird
vgl. Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG).
Abgrenzung zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen
Reine Lieferungen von Speisen/Getränken unterliegen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz. Hierbei kommt es weder auf die Qualität oder Zubereitungsform der Speisen/Getränke noch auf den Lieferzeitpunkt an. Erfolgt die Abgabe von Speisen/Getränken jedoch zusammen mit ausreichend unterstützenden Dienstleistungen, die deren sofortigen Verzehr ermöglichen (z. B. in Restaurants), so handelt es sich insgesamt um eine dem allgemeinen Steuersatz unterliegende sonstige Leistung.
Eine sonstige Leistung liegt vor, wenn bei einer Gesamtbetrachtung das Dienstleistungselement die Lieferung der Speisen/Getränke qualitativ überwiegt.
Nicht zu berücksichtigende Dienstleistungselemente
Dienstleistungen, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen/Getränke verbunden sind, sind im Rahmen der Gesamtbetrachtung nicht zu berücksichtigen. Hierzu gehören insbesondere:
- Zubereitung der Speisen;
- Transport der Speisen/Getränke und Sicherstellung der Verzehrfertigkeit während des Transports (z. B. Kühlen, Wärmen);
- Vereinbarung eines festen Zeitpunkts für die Übergabe der Speisen an den Kunden;
- übliche Nebenleistung (z. B. Verpacken, Beigabe von Einweggeschirr, -besteck, Papierservietten);
- Bereitstellung von Abfalleimern;
- Bereitstellung von Vorrichtungen, die in erster Linie dem Verkauf dienen (z. B. Verkaufstheken und Ablagebretter);
- Erstellung von Leistungsbeschreibungen (z. B. Speisekarten oder -pläne);
- allgemeine Erläuterung des Leistungsangebots;
- Einzug des Entgelts für Schulverpflegung von den Konten des Erziehungsberechtigten.
Zu berücksichtigende Dienstleistungselemente
Folgende Elemente können im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu einer sonstigen Leistung führen:
- Bereitstellung einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur; Servieren der Speisen und Getränke;
- Gestellung von Bedienungs-, Koch- oder Reinigungspersonal;
- Durchführung von Service-, Bedien- oder Spülleistungen im Rahmen einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur oder in den Räumlichkeiten des Kunden;
- Überlassung von Geschirr oder Besteck, es sei denn, die überlassenen Gegenstände erfüllen vornehmlich Verpackungsfunktion. In diesem Fall ist auch die anschließende Reinigung bzw. Entsorgung nicht zu berücksichtigen;
- Überlassung von Mobiliar (z. B. Tischen und Stühlen) zur Nutzung außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers;
- Reinigung bzw. Entsorgung der überlassenen Gegenstände, es sei denn, die Gegenstände erfüllen vornehmlich Verpackungsfunktion;
- individuelle Beratung bei der Auswahl und Zusammenstellung der Speisen/Getränke;
- Anordnen und Dekorieren eines Buffets.
Bereitstellung einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur
Gibt der Unternehmer die Speisen/Getränke in seinen eigenen Räumlichkeiten (z. B. Ladenlokal) oder im Rahmen eines Verkaufsstandes an die Kunden ab, führt die Bereitstellung einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur regelmäßig zu einer Restaurantdienstleistung (19 %). Hierzu gehören z. B. Tische, Stühle/Bänke, Bierzeltgarnituren, Garderoben, Toiletten. Auf die Qualität der zur Verfügung gestellten Infrastruktur kommt es nicht an. Nicht zu berücksichtigen sind behelfsmäßige Verzehrvorrichtungen wie z. B. Ablagebretter, Verzehrtheken oder Stehtische ohne Sitzgelegenheit.
Hinweis: Es kommt nicht darauf an, ob die bereitgestellten Einrichtungen vom Kunden tatsächlich genutzt werden, vielmehr ist das bloße Zurverfügungstellen ausreichend. In diesem Fall ist auf alle Vor-Ort-Umsätze der allgemeine Steuersatz (19 %) anzuwenden. Sind dagegen lediglich Stehtische ohne Sitzgelegenheit und ohne weitere Infrastruktur vorhanden, kann auf alle Umsätze (vor Ort und außer Haus) der ermäßigte Steuersatz angewendet werden.
Ist eine die Bewirtung fördernde Infrastruktur vorhanden, sodass zwischen Vor-Ort-Verzehr (19 %) und Außer-Haus-Verzehr (7 %) unterschieden werden muss, gilt die Zweckabrede zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Das bedeutet: Maßgeblich für die Höhe des Steuersatzes ist die Absichtserklärung des Kunden, die Speisen mitnehmen oder vor Ort verzehren zu wollen; der Steuersatz wird bei absprachewidrigem Verhalten des Kunden nicht nachträglich korrigiert.
Von Dritten erbrachte Dienstleistungselemente sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (z. B. nahestehende Parkbank oder Tische und Stühle eines benachbarten Geschäfts), es sei denn, es bestehen Vereinbarungen mit dem Dritten über die Nutzung der Infrastruktur, sodass diese Dienstleistungselemente dem Speise abgebenden Unternehmer zuzurechnen sind.
Unentgeltliche Wertabgaben
Die oben dargestellten Grundsätze gelten auch für Nahrungsmittel, die der Unternehmer zum Verzehr für sich oder seine Angestellten entnimmt (unentgeltliche Wertabgabe). Ist der Verzehr danach als sonstige Leistung anzusehen (§ 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG), unterliegt die unentgeltliche Wertabgabe dem allgemeinen Umsatzsteuersatz; handelt es sich bei der Wertabgabe um eine Lieferung (§ 3 Abs. 1b UStG), z. B. bei Mitnahme der Speisen nach Hause, kommt der ermäßigte Umsatzsteuersatz in Betracht.
Verpflegungsleistungen
Die oben dargestellten Grundsätze gelten gleichermaßen für die Abgabe von Speisen und Getränken im Rahmen eines Partyservice oder Mahlzeitendienstes („Essen auf Rädern“) sowie für Verpflegungsleistungen an Kitas, Schulen, Kantinen, Altenheime u. a.
Beispiele
- Eine Bäckerei verkauft in ihrem Ladenlokal Backwaren und warme Speisen. Vor der Theke gibt es mehrere Stehtische. Sitzgelegenheiten oder andere Infrastruktur (z. B. Garderoben, Toiletten) fehlen. Die Speisen werden den Kunden auf Mehrweggeschirr oder zum Mitnehmen verpackt über die Theke gereicht.
Es liegen insgesamt Lieferungen zum ermäßigten Steuersatz vor (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG). - Eine Konditorei stellt eine Hochzeitstorte nach Kundenwunsch her. Die Torte wird wahlweise vom Kunden abgeholt oder durch den Unternehmer zum Kunden transportiert und dort lediglich abgestellt.
Es liegt eine Lieferung zum ermäßigten Steuersatz vor (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG). - Eine Fleischerei betreibt einen Partyservice. Nach indivi dueller Beratung wird ein kalt-warmes Buffet zubereitet. Die Platten und Warmhaltebehälter werden wahlweise vom Kunden abgeholt oder durch den Unternehmer zum Kunden transportiert und dort lediglich abgestellt. Die leeren Platten und Warmhaltebehälter werden am Folgetag durch den Unternehmer abgeholt und gereinigt.
Es liegt eine Lieferung zum ermäßigten Steuersatz vor (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Die Platten und Warmhaltebehälter erfüllen lediglich Verpackungsfunktion; die anschließende Reinigung ist daher ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Das zu berücksichtigende Dienstleistungselement „Beratung“ überwiegt bei einer Gesamtbetrachtung für sich allein genommen nicht das Lieferelement - Ein Catering-Unternehmen beliefert Schulen und Kindergärten mit verzehrfertigen Mittagessen in Warmhaltebehältern bzw. tiefgekühlt (in letzterem Fall stellt der Unternehmer die erforderliche Regeneriertechnik zur Verfügung). Die Ausgabe (und ggf. das vorherige Erwärmen) der Speisen sowie die anschließende Reinigung der Räume und des Geschirrs erfolgen durch die Schulen bzw. Kindergärten.
Es liegen Lieferungen zum ermäßigten Steuersatz vor (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG).
Die dargestellten Regelungen gelten grundsätzlich rückwirkend zum 1. Juli 2011. Weitere Einzelheiten, Beispiele und Informationen zur Übergangsregelung enthält das BMF-Schreiben vom 20. März 2013 (www. Bundesfinanzministerium.de, Rubrik „Service“, „Publikationen“, „BMF-Schreiben“)