Zentralverband des
Deutschen Handwerks
Zentralverband des
Deutschen Handwerks
20.06.2024

Die Zukunftsperspektive für das Handwerk stimmt zuversichtlich

Auch im Ausland hat das deutsche Handwerk einen hervorragenden Ruf, so ZDH-Präsident Jörg Dittrich im Interview von deutschland.de.
Handwerker mit Schutzausrüstung bei Fassadenarbeiten.

Nachhaltig, serviceorientiert, technologisch top, engagiert in der Ausbildung: Das zeichnet das deutsche Handwerk auch in der Wahrnehmung im Ausland aus, so ZDH-Präsident Dittrich zu Luca Rehse-Knauf von deutschland.de.

Herr Dittrich, Sie sind nicht nur Dachdeckermeister und Diplom-Hochbauingenieur, sondern in ihrem Amt als ZDH-Präsident auch Handwerkspolitiker. Wieso ist Handwerkspolitik wichtig?

In erster Linie bin ich Handwerksmeister und sehr berührt, was die Familie über die vier Generationen in unserem Dachdeckerbetrieb trotz Kriegen, Diktatur und Willkürstaat geleistet hat. Doch gerade darum ist es mir zudem ein Herzensanliegen, als ZDH-Präsident allen Handwerkerinnen und Handwerkern und ihren Anliegen in der Demokratie bei der Politik Gehör zu verschaffen und mich für bestmögliche Rahmenbedingungen für die Handwerksbetriebe einzusetzen. Durch die Erfahrungen in meinem eigenen Familienbetrieb, aber auch durch die zahlreichen Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen in ganz Deutschland habe ich die praktischen Einblicke aus verschiedenen Perspektiven des Handwerks, um der Politik den Alltag praxisbezogen zu vermitteln. Es gilt, den politischen Entscheiderinnen und Entscheidern die Sorgen, Belastungen und Erfahrungen aus der Praxis nahezubringen, sodass sie diese bei ihren Entscheidungen entsprechend berücksichtigen: Das ist mein Verständnis von Handwerkspolitik. Von daher betrachte ich mein Amt als Dienstleistung für alle Handwerkerinnen und Handwerker, die jeden Tag in unserem Land so wichtige Aufgaben anpacken. Nach anderthalb Jahren im Amt kann ich sagen: Trotz der ehrlichen und großen Wertschätzung, die mir von vielen Seiten für das Handwerk und auch mir als Person entgegengebracht wurde, bleiben weiter extrem dicke Bretter zu bohren, um die Wertschätzung dann auch in konkrete politische Aktionen im Sinne des Handwerks umzuwandeln. Lippenbekenntnisse allein reichen nicht aus, es muss politisch im Sinne des Handwerks gehandelt werden, um die Stimmung im Land in eine andere Richtung zu drehen. Deshalb dürfen wir nicht lockerlassen und müssen oft auf Nachbesserungen hinwirken, damit später in der Praxis Gesetze und neue Regelungen auch umsetzbar sind und nicht wieder neue, unnötige bürokratische Belastungen bedeuten.

Wieso lohnt sich eine Ausbildung und Beschäftigung im Handwerk in Deutschland? Weshalb ist es ein attraktiver Standort für Fachkräfte?

Viele Menschen suchen in Zeiten von Unsicherheit zunächst Sicherheit. Eine Ausbildung und Beschäftigung im Handwerk bietet sichere Zukunftsaussichten: Das Handwerk ist nicht nur ein wichtiger Motor für Wachstum und Wohlstand in Deutschland, sondern stellt mit über einer Million Betrieben auch einen wesentlichen Teil des Mittelstands dar. Die Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften ist hoch und Handwerksberufe sind unverzichtbar – eine KI wird auch in Zukunft nicht den Maurer oder die Friseurin ersetzen. Ein Job im Handwerk ist also ein sicherer Job. Außerdem bietet eine Beschäftigung im Handwerk die Möglichkeit, sich persönlich zu entwickeln und kreativ die eigenen Talente auszuleben: Es gibt eine beeindruckende Bandbreite von über 130 Berufen – egal ob in der Baubranche, bei den Lebensmittel- oder Gesundheitshandwerken oder auch in kreativen Bereichen wie dem Kunsthandwerk. Attraktive Verdienstmöglichkeiten sind ein weiterer Grund: Bereits während der Ausbildung erhalten junge Menschen ihr eigenes Geld. Nach dem Abschluss bieten viele Handwerksberufe gute Gehälter und zahlreiche Aufstiegsmöglichkeiten, sei es durch Fortbildungen etwa zum Erwerb des Meisterbriefes, der dem akademischen Bachelorabschluss gleichgestellt ist, bis hin sogar zur Gründung eines eigenen Unternehmens. Außerdem bietet das Handwerk eine starke Gemeinschaft: Die Zusammenarbeit im Team, in der Handwerksfamilie, und das Bewusstsein, Teil einer langen Tradition zu sein, schaffen ein starkes Zugehörigkeitsgefühl, Integrationswege und Identität. Handwerkerinnen und Handwerker tragen durch ihre Arbeit dazu bei, Infrastruktur zu schaffen, zu erhalten und zu modernisieren; sie übernehmen unverzichtbare Rollen bei den anstehenden Transformationsprozessen unseres Landes und fördern die regionale Wertschöpfung. International hat das deutsche System der dualen Ausbildung einen hervorragenden Ruf und steht für Qualität und einen hohen Standard. Viele erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer haben ihre Karriere mit einer handwerklichen Ausbildung begonnen. Diese Möglichkeiten machen das Handwerk besonders attraktiv auch für Fachkräfte aus dem Ausland.

Was zeichnet deutsches Handwerk auf dem internationalen Markt (im Exportgeschäft) aus?

Das deutsche Handwerk genießt auf dem internationalen Markt einen hervorragenden Ruf, es steht für eine hohe Konkurrenzfähigkeit, Leistungsqualität, Termintreue, Serviceorientierung, Zuverlässigkeit und Flexibilität. Jahrhundertealte Traditionen treffen auf modernste Technologie, um den Anforderungen eines sich ständig wandelnden Marktes gerecht zu werden. In vielen handwerklichen Bereichen ist Deutschland technologisch führend: Ob in der Automobilindustrie, im Maschinenbau oder in der Elektrotechnik – deutsche Handwerksprodukte und -dienstleistungen setzen oft weltweit Standards. Viele Handwerksbetriebe verfügen über langjährige Erfahrungen im internationalen Geschäft und haben zum Teil hohe Exportquoten. Sie sind in der Lage, individuell auf Kundenwünsche einzugehen und maßgeschneiderte Lösungen zu bieten. Diese Flexibilität und das hohe Maß an Kundenorientierung sind entscheidende Wettbewerbsvorteile auf dem internationalen Markt. Immer wichtiger wird auch das Thema Nachhaltigkeit. Viele Handwerksbetriebe setzen auf Schonung der Ressourcen und auf den Umweltschutz. Dies trifft den Nerv der Zeit und ist ein wichtiger Faktor für die internationale Anerkennung.

Was für Pläne haben Sie für Ihre Amtszeit?

Mit dem Team aus Ehrenamt und Hauptamt gilt es, durch die bestehenden Krisen zu navigieren. Daneben haben wir viele strukturelle Aufgaben. Auf Bundesebene müssen wir endlich den Reformstau angehen und möglichst auflösen: Das Handwerk ist bereit, mit anzupacken. Es ist noch viel zu tun, um den hohen Fachkräftebedarf zu sichern, die sozialen Sicherungssysteme zu reformieren, bürokratischen Ballast abzuwerfen, Digitalisierung und Innovation im Handwerk zu stärken, berufliche und akademische Bildung endlich gleichwertig zu behandeln und die Mobilitäts- und Energiewende umzusetzen: Für all diese Aufgaben werden Handwerkerinnen und Handwerker gebraucht. Und wie ich schon zu Beginn meiner Amtszeit betont habe: Bei all dem bleibt mein Grundsatz, dass ich mich weiter mit aller Kraft dafür einsetzen werde, dass es auch in Zukunft im Handwerk nur darauf ankommt, wohin Du willst, und nicht, woher Du kommst.

Neue Entwicklungen in den Bereichen Technologie und Künstliche Intelligenz verändern die Arbeitswelt kontinuierlich. Wie passt sich das Handwerk an und wie sieht das Handwerk der Zukunft aus?

Das Handwerk passt sich seit Jahrhunderten kontinuierlich an neue Entwicklungen an und gestaltet die Zukunft aktiv mit. Viele Betriebe setzen auf moderne Technologien und digitale Werkzeuge, um ihre Arbeitsprozesse zu optimieren. Außerdem arbeitet das Handwerk mit Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Technologieunternehmen zusammen. Diese Kooperationen fördern den Wissensaustausch, ermöglichen den Zugang zu Innovationen und sichern gleichzeitig die praktische Anwendbarkeit. Von der Nutzung von 3D-Druckern über KI-gesteuerte Maschinen bis hin zu digitalen Planungs- und Kalkulationsprogrammen – die Digitalisierung durchdringt bereits jetzt alle Bereiche des Handwerks. Um zukünftigen Anforderungen der technologischen Entwicklungen gerecht zu werden, investieren Handwerksbetriebe und Ausbildungsstätten kontinuierlich in die Aus- und Weiterbildung. Ausbildungsinhalte werden entsprechend angepasst, um den Auszubildenden die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. So entstehen zum Beispiel ganz neue Berufsbilder wie Elektroniker/-in für Gebäudesystemintegration. Auch wenn man die Zukunft nicht linear vorhersagen kann, so ist sicher: Das Handwerk der Zukunft wird digitaler, vernetzter und noch nachhaltiger sein, ohne dabei seine traditionellen Stärken zu verlieren.