Zentralverband des
Deutschen Handwerks
Zentralverband des
Deutschen Handwerks
04.02.2025

Handwerk für wirtschaftspolitischen Neustart

Ein wirtschaftspolitischer Neustart und ein von "Reformeuphorie" getragener Veränderungswillen sind nötig, damit das Handwerk wieder wettbewerbsfähige Bedingungen vorfindet, so ZDH-Präsident Jörg Dittrich zu Gernot Heller von der "Mediengruppe Bayern".
ZDH-Präsident Jörg Dittrich

Das Interview wurde zuerst von "Mediengruppe Bayern" veröffentlicht.

Wie geht es dem Handwerk Anfang 2025? Sieht es wieder Hoffnungszeichen am Horizont?

Deutschland steht Anfang 2025 am Scheideweg – und damit das Handwerk und die gesamte Wirtschaft: Gelingt die Trendwende oder verharren wir in der Krise. Nach zwei Rezessionsjahren in Folge ist Deutschland Schlusslicht unter den großen Volkswirtschaften. Doch statt Aufbruchstimmung und Veränderungswillen herrscht lähmende Reformstagnation. Der Veränderungsnotstand muss endlich überwunden werden. Die neue Regierung muss die aktuelle Reformlethargie durch eine echte Reformeuphorie ersetzen. Nur dann besteht die Aussicht, auch wieder Hoffnungszeichen am Horizont erkennen zu können. Die Wirtschaft gehört dringend ins Zentrum der politischen Agenda, denn ohne ihren Herzschlag fehlt dem Land die Lebenskraft. Stabile Sozialsysteme und geopolitischen Einfluss wird es nur mit einer gesunden, starken Wirtschaft geben.

Ist Deutschland noch ein Standort, wo ein Handwerksbetrieb "goldenen Boden" findet?

Der sprichwörtlich "goldene Boden" des Handwerks ist derzeit von Hemmnissen und Stolpersteinen übersät. Für das standorttreue Handwerk hat sich – um im Bild zu bleiben – das Beackern des Bodens zuletzt als immer schwieriger erwiesen: explodierende Sozialabgaben, die besonders das lohnintensive Handwerk belasten, eine anhaltend hohe Steuer- und Bürokratielast, fehlende Fachkräfte machen es vor allem kleinen und mittleren Betrieben schwer, sich zu behaupten. Eine Kehrtwende auf dem Standort-Acker ist zwingend erforderlich.

Woran mangelt es Handwerksbetrieben am meisten, was raubt ihnen Zuversicht und Mut?

Die häufig erratische Entscheidungsfindung der Ampel-Regierung, der fehlende Veränderungsmut und die fehlende Reformentschlossenheit haben dazu geführt, dass Verlässlichkeit und Planungssicherheit verloren gegangen sind. Hinzu kommen hohe Energie-, Lohn- und Materialkosten, die viele Betriebe zusätzlich belasten. Und vor allem fehlt eine echte Fachkräfteoffensive. Es gibt keine klare, stimmige und langfristige wirtschaftspolitische Strategie. Das alles führt dazu, dass viele Betriebe ihr Geld zurückhalten, statt in die Zukunft zu investieren.

Wie sieht die Zukunft des Handwerks in Deutschland aus? Droht ein langsames Sterben von Betrieben?

Das Handwerk hat grundsätzlich eine starke Zukunft, denn es ist und bleibt unverzichtbar. KI mag viele Branchen verändern, aber KI wird das Handwerk nicht ersetzen. Ob Energiewende, Digitalisierung oder nachhaltiges Bauen, ob tägliche Versorgung mit Lebensmitteln und Gesundheitsprodukten – das geht alles nur mit Handwerkerinnen und Handwerkern. Dennoch könnten zahlreiche Betriebe ohne eine wirtschaftspolitische Wende so stark unter Druck geraten, dass sich ihr Geschäftsmodell wirtschaftlich nicht mehr rechnet, und sie entweder aus eigener Entscheidung ihren Betrieb schließen oder aber aus dem Markt gedrängt werden. Am Standort Deutschland brauchen wir dringend bessere Rahmenbedingungen. Die Attraktivität, selbstständig einen Betrieb zu führen, muss gegeben sein.

Was sind die dringlichsten Maßnahmen, die eine neue Regierung ergreifen müsste?

Der Anstieg der Sozialabgaben muss dringend gebremst werden, denn er belastet vor allem das lohnintensive Handwerk. Zudem muss der Bürokratiedschungel wesentlich ambitionierter gelichtet werden und lähmende Dokumentations- und Nachweisauflagen durch eine klare, praxistaugliche Gesetzgebung ersetzt werden. Ebenso wichtig ist eine verlässliche, bezahlbare und langfristig stabile Energieversorgung, damit Betriebe wettbewerbsfähig arbeiten können. Und ein zentraler Schlüssel ist eine kraftvolle Fachkräfteoffensive mit einem starken Fokus auf die berufliche Bildung. Junge Menschen brauchen die Bestärkung von Eltern und Lehrern, dass die berufliche Bildung im Handwerk nach den eigenen Talenten große Sicherheit und Perspektive für die Zukunft bietet. Und selbst bei Nutzung aller Reserven im Inland brauchen wir einfache Wege, um qualifizierte Arbeitskräfte auch aus dem Ausland zu gewinnen. Kurzum: Es braucht nichts weniger als einen wirtschaftspolitischen Neustart.

Schadet das politische Klima im Land der Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer?

Deutschland wirkt derzeit weder besonders einladend noch attraktiv auf ausländische Fachkräfte. Das hat nicht nur mit der Stimmung im Land zu tun, sondern auch mit den hohen Steuer- und Abgabenlasten. Diese zu senken, wäre ein wichtiger Schritt – auch im Rahmen einer Zuwanderungsstrategie. Ebenso entscheidend sind klare Verfahren und eine offene Haltung gegenüber gesteuerter Zuwanderung. Nur so wird Deutschland wieder zu einem begehrten Ziel für internationale Fachkräfte.

Schlagworte