Im Handwerk hauptberuflich Klima schützen
Vor welchen Herausforderungen steht das Handwerk derzeit insgesamt?
Eine Karriere im Handwerk ist sinnstiftend, zukunftssicher und bietet ein großes Maß an Freiheit. Dennoch blieben 2022 allein im Handwerk rund 19.000 von den Betrieben angebotene Ausbildungsplätze unbesetzt. Den Bedarf an Fachkräften zu decken und genügend junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk zu gewinnen, ist deshalb die größte Herausforderung, vor der das Handwerk steht, aber auch die Gesellschaft insgesamt - wegen der zentralen und unverzichtbaren Rolle von Handwerkerinnen und Handwerkern für die großen Transformationsaufgaben unseres Landes etwa beim Klimaschutz oder der Wärme- und Energiewende.
Der Wille in den Betrieben ist da: Ihr Ausbildungsengagement ist ungebrochen und im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen überdurchschnittlich hoch. Was jedoch fehlt, sind interessierte Bewerberinnen und Bewerber. Das liegt vor allem auch daran, dass Schülerinnen und Schüler - vor allem an Gymnasien - während ihrer gesamten Schullaufbahn kaum Berührungspunkte mit handwerklichen Berufen haben und sie immer noch dazu Infos erhalten, welche Berufe sie mit einem Studium ausüben können. Über die vielfältigen Möglichkeiten im Handwerk bei den Berufen selbst, aber auch bei den Bildungsabschlüssen bis hin zu Unternehmensgründungen und Betriebsübernahmen werden sie häufig gar nicht oder nur unzureichend informiert.
Dabei ist gerade im Handwerk eine steile Bildungskarriere möglich - und das vor allem auch schon sehr jung. Wo sonst kann man schon mit Anfang 20 seinen eigenen Betrieb führen? Wer sich also beruflich und persönlich entwickeln möchte, wer eigene Ideen verwirklichen möchte, egal ob als eigene Chefin und eigener Chef oder für einen Betrieb, der ist im Handwerk genau richtig! Das gilt für Frauen genauso wie für Männer.
Damit junge Menschen überhaupt erfahren, welche Welten sich im Handwerk für sie auftun, muss die Berufsorientierung an allen Schulformen ausgebaut werden und die Information über die berufliche Bildung zum festen Bestandteil der Berufsorientierung werden. Das gilt vor allem für Gymnasien. Denn qualifizierte Fachkräfte werden händeringend gesucht im Handwerk: Bereits heute sind rund 250.000 Stellen für handwerkliche Fachkräfte offen. Und der Bedarf wird sicherlich wegen der anstehenden Transformationen weiter steigen. Deshalb braucht es zunächst eine Bildungswende, damit genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen, um die Energiewende erfolgreich umzusetzen: Wir müssen hinkommen zu einer echten Gleichwertigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung in finanzieller und ideeller Hinsicht.
Welche Handwerksberufe sind für die Energiewende relevant?
Von Beruf Klimaschützer? Im Handwerk ist das möglich. Schon jetzt arbeiten fast 3,1 Millionen Beschäftigte in rund 490.000 Handwerksbetrieben und in knapp 30 Gewerken täglich in fast allen Bereichen am Erfolg der Energiewende mit. Sie dämmen Gebäude, machen die Stromnetze für die Mobilität der Zukunft stark oder stellen die Energieversorgung auf erneuerbare Quellen um. All das spart CO2 und bringt Deutschland seinen Klimazielen näher. In folgenden Gewerken im Handwerk werden klimarelevante Tätigkeiten ausgeübt:
- Behälter- und Apparatebauer
- Brunnenbauer
- Dachdecker
- Elektromaschinenbauer
- Elektrotechniker
- Estrichleger
- Fliesen-, Platten- und Mosaikleger
- Glaser
- Installateur und Heizungsbauer
- Kälteanlagenbauer
- Klempner
- Kraftfahrzeugtechniker
- Land- und Baumaschinenmechatroniker
- Maler und Lackierer
- Maurer und Betonbauer
- Metallbauer
- Ofen- und Luftheizungsbauer
- Raumausstatter
- Rollladen- und Sonnenschutztechniker
- Schornsteinfeger
- Straßenbauer
- Stuckateure
- Tischler
- Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer
- Werkstein- und Terrazzohersteller
- Zimmerer
- Zweiradmechatroniker
Sind die Herausforderungen des Handwerks in diesen Berufen noch stärker spürbar? Wie viele Fachkräfte fehlen derzeit?
Allein wegen der Planungen zum Wärmepumpenausbau gehen wir davon aus, dass im Bereich Sanitär-Heizung-Klima bis 2030 rund 60.000 zusätzliche Monteure gebraucht werden. Doch der Fachkräftebedarf ist in allen Gewerken hoch, bei den Klima- und Energiegewerken, aber ebenso bei den Nahrungsmittel-, Gesundheits- und allen anderen Gewerken: Handwerk sichert die Versorgung der Menschen in Stadt und Land mit den unterschiedlichsten Produkten und Leistungen und ist damit für das tägliche Leben unverzichtbar. Und Fachkräfte werden für die Gestaltung von anstehenden Transformationsprozessen gebraucht. Insofern werden im Handwerk Fachkräfte überall und in jedem Gewerk gesucht, die Berufs- und Karrierechancen sind hervorragend.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir Nachwuchs für das Handwerk gewinnen. Dafür müssen aber wieder mehr junge Menschen die Werkbank dem Hörsaal vorziehen. Wir als Handwerk tun mit unseren Nachwuchsinitiativen und -kampagnen bereits das unsere, um für Nachwuchs zu sorgen. Nun sind Politik und Gesellschaft gefragt: Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen, die der gleichermaßen großen Bedeutung von beruflicher und akademischer Bildung Rechnung tragen, und Politik muss beide Bildungswege gleichwertig fördern und finanziell ausstatten. Und in der Gesellschaft braucht es ein Umdenken dahingehend, dass Wissen und Können gleichermaßen notwendig und wichtig sind, damit unser Land funktioniert und wir Zukunft gestalten können.
Welche Berufschancen hätte ein junger Mensch, der sich für eine Ausbildung im Energiebereich entscheidet?
Wer sich für eine Karriere im Handwerk entscheidet, setzt auf Sicherheit, einen guten Verdienst bereits in jungen Jahren und darauf, ganz egal in welchem Gewerk, gebraucht zu werden und damit gesellschaftlich relevant zu sein. Im Energiebereich sind Handwerkerinnen und Handwerker vor allem im Hoch- und Tiefbausektor sowie in der Gebäude- und in der Versorgungstechnik tätig und folglich auch ganz besonders gefragt.
Welche Karrieremöglichkeiten hat man im Handwerk? Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es?
Die Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Handwerk sind so vielfältig, wie die Gewerke selbst. Die berufliche Bildung bietet eine große Vielfalt an Abschlüssen, Fortbildungen und Qualifizierungen. Für alle Interessen, für jede Lebensphase ist etwas dabei. Die Vielfalt an Möglichkeiten wird bei der Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen allerdings nicht ausreichend kommuniziert. Der klassische und häufigste Karriereweg ist der Gesellen- und danach der Meisterabschluss mit der Chance, einen eigenen Betrieb zu gründen oder einen bestehenden Betrieb zu übernehmen. In den kommenden fünf Jahren stehen allein im Handwerk rund 125.000 Betriebsübergaben an. So jung wie im Handwerk besteht in kaum einem anderen Wirtschaftsbereich die Möglichkeit, seine eigene Chefin oder sein eigener Chef zu sein und damit einhergehend eigene Wünsche und Ideen zu verwirklichen.
Bereits zwischen Gesellen- und Meisterabschluss sind zusätzliche Fortbildungen möglichen. Man kann sich beispielsweise zum Berufsspezialisten weiterentwickeln, etwa zum Servicetechniker oder zum Fachmann oder zur Fachfrau für kaufmännische Betriebsführung im Handwerk. In vielen Gewerken kann auch der Meisterabschluss um Fortbildungen aufgestockt werden: auf der Ebene des Bachelor Professional beispielsweise zum Verkaufsleiter oder zur Verkaufsleiterin im Lebensmittelhandwerk und auf der Ebene des Master Professional zum Restaurator oder zur Restauratorin im Handwerk. So sind neben Unternehmer- und Führungskarrieren auch Spezialisten-Karrieren möglich wie die in der Restaurierung von Denkmälern oder historischen Gebäuden. Das duale und das triale Studium erweitert das Karriereangebot im Handwerk. Im dualen Studium wird in einem vier- bis fünfjährigen Bildungsgang gleichzeitig eine berufliche Ausbildung und ein akademisches Bachelorstudium absolviert, im trialen Studium, zum Beispiel in den Bereichen Craft Design und Handwerksmanagement, wird zusätzlich der Meisterabschluss erworben.
Welche Verdienstmöglichkeiten gibt es für eine Handwerkerin oder einen Handwerker im Energiebereich?
Eines vorweg: Handwerkerinnen und Handwerker verdienen entgegen der landläufigen Meinung keineswegs grundsätzlich weniger als Absolventinnen und Absolventen eines Studiums. Laut einer IW-Studie bewegt sich das Lebensarbeitskommen von einem Meister und einem Bachelor auf Augenhöhe. Zu den konkreten Verdiensten lässt sich allerdings keine konkrete Aussage treffen, weil sich nicht nur die Berufe, sondern auch die regionalen und tariflichen Gegebenheiten unterscheiden. So ist das Lohn-Niveau im Hoch- und Tiefbau zum Beispiel sehr hoch. Die Vergütungen in der Ausbildung gehören zu den allerhöchsten in Deutschland. Und was die Zukunftsaussichten im Handwerk betrifft: Die waren selten zuvor so gut wie heute, Handwerkerinnen und Handwerker müssen sich kaum Sorgen machen, arbeitslos zu werden. Sie sind in allen beruflichen Zukunftsfeldern gefragt und unverzichtbar.