Zentralverband des
Deutschen Handwerks
Zentralverband des
Deutschen Handwerks
03.02.2025

Nur mit einem starken Handwerk gibt es eine starke Wirtschaft

Aus Wertschätzung für das Handwerk muss auch etwas folgen, besonders im politischen Handeln. Die Bedeutung des Handwerks für unser Gemeinwesen wird viel zu wenig mitgedacht, so ZDH-Präsident Dittrich zu Andreas Niesmann (RedaktionsNetzwerk Deutschland).
Elektriker, der aus seinem Lieferwagen Werkzeuge und Materialien holt.

Herr Dittrich, laut RND-Wahlkompass, einer empirischen Umfrage unter mehr als 80.000 Lesern, glaubt jeder Zweite, dass eine "Stärkung des Handwerks" für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes entscheidend wäre. Wie kann man das Handwerk stärken?

Da fiele mir eine Menge ein. Aber erstmal freut mich, dass das Handwerk diese Wertschätzung und Anerkennung erfährt. Und Ihre Leserinnen und Leser haben Recht: Etwa 3 von 10 Betrieben in Deutschland gehören zum Handwerk. Eine starke Wirtschaft gibt es also auch nur mit einem starken Handwerk. Doch um auf Ihre Frage zurückzukommen: Aus Wertschätzung muss auch etwas folgen, besonders im politischen Handeln. Leider wird die Bedeutung des Handwerks für unser Gemeinwesen, auch für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, viel zu wenig mitgedacht.

Wie meinen Sie das?

Ein einfaches Beispiel: In München und Berlin gibt es Straßen, in denen Handwerker keine Aufträge mehr annehmen. Warum? Weil sie dort nirgends mehr parken können. Man hat eine neue Verkehrspolitik durchgesetzt, Radwege gebaut, Parkmöglichkeiten reduziert. Aber den Wirtschaftsverkehr, den hat man nicht mitgedacht. Und plötzlich haben die Bewohner dieser Viertel ein Problem, wenn sie eine neue Küche oder Badewanne brauchen, weil Anlieferung und Ausladen von Material und Werkzeugen kaum oder nur noch schwer möglich sind. Das führt zu Frust und dem falschen Eindruck, Handwerker wären gar nicht mehr an den Aufträgen interessiert. Die Gründe dahinter werden nicht gesehen. Das ärgert mich sehr.   

Das klingt eher wie ein lokales Problem.

Ist es aber nicht! Mobilität gehört zum Geschäftsmodell von Handwerkern, ist eben keine Nebensache. Wir müssen Baustellen mit Material und Werkzeug anfahren. Und wenn gut bezahlte Fachkräfte stundenlang im Stau stehen oder Parkplätze suchen, ist das für die Betriebe genauso ärgerlich wie für die Kunden, die die teure Anfahrt bezahlen müssen. Wir leisten uns in der Verkehrspolitik teils Experimente, ohne die Folgen zu durchdenken.

Also ist die Verkehrswende Ihr Problem?

Mein Problem ist die Gedankenlosigkeit, mit der sie häufig umgesetzt wird. Das Handwerk unterstützt eine moderne Verkehrspolitik, die dazu beiträgt, Emissionen zu senken, den Verkehrsfluss zu verbessern, Staus und Verkehrsprobleme zu reduzieren. Aber darüber darf der Wirtschaftsverkehr nicht vergessen werden. Der ist kein Selbstzweck, sondern für die Versorgung der Menschen existenziell. Stadtplaner und Kommunalpolitiker müssten den Wirtschaftsverkehr immer ganz selbstverständlich mitdenken, dann wird die Mobilitätswende für alle ein Erfolg. Das passiert aber viel zu wenig. Wir werden zerrieben zwischen der Mobilitätswende einerseits und einem gleichzeitig wachsenden Individualverkehr andererseits. Und bevor Sie mir jetzt vorwerfen, ein Dinosaurier zu sein, der die Verkehrswende nicht versteht: Ich habe gar kein Problem mit Lastenrädern. Handwerker verkaufen und reparieren sie und ja, auch Handwerksbetriebe nutzen sie bereits.

Es soll sogar welche geben, die damit auf die Baustelle fahren.

Mehr als Sie denken. Wir haben zusammen mit den Handwerkskammern bei den Betrieben eine Umfrage zur Mobilität im Handwerk durchgeführt. Danach setzen zwei Prozent der Betriebe bereits Lastenräder ein, weitere sechs Prozent können sich das vorstellen. Noch deutlich mehr sind es im Lebensmittelhandwerk und bei den Ausbaugewerken. Das Lastenrad ist eine interessante Ergänzung – wenn es um Wartungsaufträge und Kleinreparaturen geht. Aber da reden wir über innerstädtische Bereiche. Auf dem Land muss man Verkehrspolitik noch einmal ganz anders denken.

Wie?

Es gibt in Deutschland viele Regionen, in denen man ohne Auto nicht weit kommt. Den Menschen dort ist es deshalb auch herzlich egal, ob das Deutschlandticket nun 29, 49 oder 58 Euro kostet, weil sie es ohnehin nicht nutzen können. Eine kluge Verkehrspolitik würde das anerkennen und Angebote machen. Jungen Leuten in der Berufsausbildung, die auf dem Land leben, könnte der Staat doch beispielsweise einen Zuschuss zum Führerschein geben. Es gibt ja auch ein subventioniertes Semesterticket für Studenten.

Dass Handwerker in der Mehrheit nicht auf Transporter verzichten können, leuchtet ein. Aber warum fahren die noch so oft mit Benzin oder Diesel?

Weil die Rahmenbedingungen für Elektromobilität aus Sicht vieler Handwerksbetriebe unzureichend sind. Die Auswahl an batterieelektrischen Transportern wächst zwar, ist aber noch zu klein, die Anschaffungskosten sind hoch, und die Ladeinfrastruktur ist noch deutlich ausbaufähig. Außerdem sind die Stromkosten zum Laden des Akkus zu hoch.

Die sind um einiges niedriger als die Preise für Benzin und Diesel.

Das kommt darauf an. Wer einen großen Hof und ausreichend Dachflächen für Solarmodule hat, kann durch den Einsatz von Elektroautos Kraftstoffkosten sparen, ja. Wer das aber nicht hat, und Strom aus dem Netz oder einer Schnellladesäule beziehen muss, zahlt oft mehr. Ich wage mal eine These: Die Stromkosten bremsen unser Land gerade in vielen Bereichen aus, nicht nur in der Wirtschaft. Wäre der Strom billiger, würden mehr Menschen auf Elektroautos umsteigen oder eine Wärmepumpe installieren. Der Strompreis muss runter. Das ist das Gebot der Stunde.

Im vergangenen Jahr kostete eine Kilowattstunde für Verbrauch im Schnitt knapp unter 40 Cent. Wo muss der Preis hin?

Ich bin kein Volkswirt, aber klar ist, dass der Strompreis pro Kilowattstunde nochmal deutlich sinken muss. Und zwar für alle. Wir müssen die Energiewende neu aufsetzen und es realistischer betrachten. Der Kohlekompromiss stand unter der Prämisse, dass billiges russisches Gas zur Verfügung stehen würde. Obwohl sich das geändert hat, halten wir an dem Plan weiter fest. Das kann so nicht funktionieren. Und dieses Gefühl haben derzeit viele Menschen.

Sie wollen den Kohleausstieg verschieben?

Ich will, dass wir eine ehrliche Bestandsaufnahme machen: Was ist realistisch und sinnvoll - in physikalischer und finanzieller Hinsicht. Denn eine Energiewende, die daran scheitert, dass wir insolvent sind, bevor wir sie bewältigt haben, die hilft weder uns noch der Welt – und auch nicht dem Klima.

Neben den Strompreisen ächzt das Handwerk auch unter steigenden Lohnzusatzkosten. Fordern Sie da auch eine Bestandsaufnahme?

Ich fordere Reformen! Bei den Lohnkosten ist die Grenze dessen erreicht, was unsere Betriebe schultern können. Die Sozialkosten explodieren, und ich höre im Wahlkampf bisher viel zu wenig darüber, wie sich das ändern soll.

Robert Habeck hat viel Prügel für seinen Vorschlag kassiert, Sozialabgaben auf Kapitaleinkünfte zu erheben.

Wie sollen wir denn in der Debatte weiterkommen, wenn immer gleich von vornherein gesagt wird, was alles nicht geht. Ich glaube, wir müssen an ganz vielen Schrauben drehen. Die Sozialsysteme müssen effizienter werden, aber auch deren Finanzierung müssen wir prüfen. Die Sozialbeiträge fast ausschließlich an Löhne zu koppeln, ist das wirklich noch zeitgemäß? Es wird sicher an der ein oder anderen Stelle wehtun, ja. Aber ohne eine gemeinsame Kraftanstrengung und Reformen kollabiert entweder unser Sozialsystem oder wir verlieren international den Anschluss. Beides müssen wir verhindern.

Stau

Sonderumfrage "Mobilität im Handwerk"

Bessere Rahmenbedingungen für den Einsatz von E-Fahrzeugen im Handwerk sowie Anforderungen an die Mobilität von Mitarbeitenden bei Fahrten zu Kunden sind zentrale Stellschrauben zur Erreichung der verkehrspolitischen Ziele im Kontext der Mobilitätswende.

Zur Sonderumfrage

Schlagworte