Politik muss verinnerlichen: wettbewerbsfähig = zukunftsfähig
Die Belastungen müssen runter! Welche sind das vor allem?
Alle Belastungen, die die Betriebsinhaberinnen und -inhaber davon abhalten, ihrem eigentlichen Handwerk nachzugehen: Da ist vor allem die hohe Bürokratiebelastung durch unzählige Dokumentations-, Berichts- und Nachweispflichten, die mittlerweile ein Ausmaß erreicht hat, das die Betriebe kaum noch stemmen können. Zudem müssen die Kosten für die Betriebe verringert werden: Neben den international nicht mehr wettbewerbsfähigen Steuersätzen gehören dazu auch die hohen Sozialabgaben auf den Prüfstand, die sowohl Betriebe, wie auch die Beschäftigten finanziell belasten. Den Faktor Arbeit gilt es nachhaltig zu entlasten. Hinzukommen die Belastungen, die sich nicht allein finanziell messen lassen: Etwa das Misstrauen gegen Unternehmerinnen und Unternehmer, das sich vor allem bei der Bürokratie zeigt. Das schreckt junge Meisterinnen und Meister zunehmend davon ab, den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen. Wenn uns jedoch langfristig die jungen Menschen fehlen, die sich selbstständig machen wollen, dann geht es wirklich an die Substanz: Immerhin sind sie diejenigen, die Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen und damit ganz maßgeblich die Verantwortung dafür tragen, den Wohlstand dieses Landes zu erwirtschaften. Deswegen ist der grundsätzliche Appell wichtig: Wettbewerbsfähigkeit ist Zukunftsfähigkeit! Es ist das Ausmaß an unterschiedlichen Belastungen und Baustellen, das Betriebe schwächt. Wir müssen an die grundlegenden Rahmenbedingungen am Wirtschaftsstandort Deutschland ran.
Nun ist das Handwerk ja bekannt dafür, gegen Widerstände anzukämpfen. Muss das Motto nicht in schwierigen Zeiten heißen: Ärmel hochkrempeln, weniger jammern?
Absolut, das Handwerk steht bereit und will sein ganzes Potenzial ausschöpfen und einbringen. Das müssen die Rahmenbedingungen dann aber auch zulassen. Hier muss die Politik ins Handeln kommen. Daher ist unser eindringlicher Appell an die Politik – im Bund, aber auch in den Ländern: Es ist Zeit, zu machen! Parteipolitische und parteitaktische Spielereien bremsen uns unnötig aus, und das zu einem Zeitpunkt, an dem es darum gehen muss, wieder auf einen verlässlichen Wachstumspfad zu kommen, der dann auch wieder Zuversicht erzeugt. Das Handwerk will Transformation und Zukunft gestalten. Politik ist gefordert, sich endlich darauf zu konzentrieren, den Betrieben und den Beschäftigten den Freiraum dafür zu geben.
Kann man überhaupt von DEM Handwerk sprechen. Bei den Heizungsbauern brummt es, am Bau dagegen gehen bei vielen Betrieben die Lichter aus. Wie ist die Lage aktuell?
Das Handwerk ist ein vielseitiger, vielleicht sogar der vielseitigste Wirtschaftsbereich Deutschlands. Und auch wenn unterschiedliche Gewerke und Branchen derzeit unterschiedlich belastet sind, gibt es dennoch eine ganze Reihe an Belastungen, die sie über Gewerkegrenzen hinweg melden: Die hohe Steuer- und Abgabenlast etwa trifft den Mittelstand in der Fläche. Gleiches gilt bei der Bürokratie, die das Handwerk vor allem aufgrund seiner verhältnismäßig kleinen Betriebsgröße besonders belastet: Im Handwerk liegen die Dokumentations-, Berichts- und Nachweispflichten in den meisten Fällen allein auf dem Schreibtisch der Betriebsinhaberin oder des Betriebsinhabers. Im Unterschied zu vielen großen Konzernen können sie sich eigene Abteilungen nur zur Bewältigung der Bürokratie schlicht nicht leisten.
Für die Breite des Handwerks, insbesondere aber für den Bau – zu dem rund die Hälfte aller Handwerkerinnen und Handwerker gehört – gilt außerdem: Hier spiegelt sich die schwache Konjunkturprognose für die Gesamtwirtschaft, weil die Wirtschaft insgesamt derzeit einfach „nicht brummt“. Es braucht nachhaltig wirkende Wachstumsimpulse, die die Wirtschaft wieder ankurbeln. Für den Bau muss es zusätzlich darum gehen, die im letzten Jahr getroffenen Beschlüsse rund um den „14-Punkte-Plan“ und zur Genehmigungs- und Planungsbeschleunigung endlich umzusetzen.
Das Handwerk klagt über Tausende nicht besetzte Stellen und zu wenig Nachwuchs, gleichzeitig droht in einigen Bereichen Arbeitslosigkeit. Wie kann es gelingen hier einen besseren Ausgleich hinzubekommen? Gibt es positive Beispiele, wo dies bereits gelingt?
Im Baubereich droht ein Abbau der Personalkapazitäten, weil vor allem der Wohnungsbau einen massiven Einbruch erlebt. Dies stellt allerdings vor allem die Betriebe vor Herausforderungen: Läuft der Wohnungsbau wieder an, fehlen ihnen unter Umständen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich zwischenzeitlich andere Betriebe und Aufgaben gesucht haben. Für die Beschäftigten selbst stellt die Baukrise jedoch keine grundsätzliche Gefahr dar: Der Fachkräftebedarf im Handwerk ist so hoch, dass sich gut ausgebildete Handwerkerinnen und Handwerker keine Sorgen um ihre berufliche Perspektive machen müssen.
Gefährlich wird es, wenn den Betrieben diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlen – denn wer soll dann die Ausbildung im Betriebsalltag noch betreuen? Die Herausforderungen in der Fachkräftesicherung greifen daher ineinander. Und sie verstärken sich leider gegenseitig, statt sich – wie von Ihnen vorgeschlagen – auszugleichen. Deswegen muss es zwingend darum gehen, das Problem an seiner bildungspolitischen Wurzel zu packen: Die Fachkräftesicherung im Handwerk lässt sich nur dann langfristig, nachhaltig und zukunftsfähig aufstellen, wenn Politik endlich die Bildungswende umsetzt und für echte Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung sorgt.
Mit Blick auf Wartezeiten, bis man einen Handwerker bekommt und Angebotspreisen, die einem vorgelegt werden, ist die Stimmung nicht schlechter als die Lage?
Noch stimmt es, dass die Stimmung schlechter ist als die Lage. Aber die Ergebnisse unserer jüngsten Umfrage vom vergangenen Wochenende lassen befürchten, dass im Handwerk das erste Halbjahr 2024 mit Blick auf eine konjunkturelle Belebung verloren zu gehen droht: Zu viele Betriebe erwarten deutlich rückläufige Umsätze, stark abnehmende Auftragspolster und eine sinkende Beschäftigtenzahl. Das hat nichts mit Lamentieren oder Schlechtreden zu tun, sondern spiegelt die Lage vor Ort in den Betrieben wider. Für die Politik besonders alarmierend sollte sein, dass fast jeder zweite Betrieb wegen der großen Unsicherheiten, fehlender Planungssicherheit und der fehlenden Verlässlichkeit politischer Entscheidungen Investitionen erst einmal zurückstellen will. Diese starke Investitionszurückhaltung bei 42 Prozent der antwortenden Betriebe bedeutet 42 Prozent vergebener Chancen auf Transformationsimpulse durch Investitionen. Das kann und darf der Bundesregierung keine Ruhe lassen, wenn es ihr Ernst damit ist, die Transformationen bewältigen und ihrem eigenen Fortschrittsanspruch gerecht werden zu wollen. Sie muss jetzt die Bremsen lösen.
Wenn Sie am kommenden Freitag den Bundeskanzler treffen werden, was sind die wichtigsten Anliegen, die Sie ihm vortragen werden?
Der Bundeskanzler weiß, was wir erwarten. Er kennt unsere Erwartungen und Vorschläge. Es geht um Antworten und Maßnahmen, wie wir endlich wieder wettbewerbsfähig werden. Und dafür geht es nicht um kleine, homöopathische Schritte oder parteipolitische Vorlieben, sondern um das große Ganze: Wie sieht der wettbewerbsfähige, zukunftsfähige Wirtschaftsstandort Deutschland aus? Wir haben davon nicht nur klare Vorstellungen, sondern dafür – bereits mehrfach – klare Vorschläge unterbreitet. Jetzt gilt es, diese endlich aufzugreifen und umzusetzen: Es ist Zeit, zu machen!