Starkes Handwerk ist echter Wettbewerbsvorteil
Ist die kleinbetriebliche Struktur des Handwerks grundsätzlich angesichts der klimapolitischen Notwendigkeiten/Ziele und neuer digitaler, plattformbasierter Geschäftsmodelle hinreichend effizient und also zukunftsfähig?
Es ist klug, die Strukturen der Wirtschaft zu hinterfragen. Eindeutige Antwort in den Vergleichen ist, dass familiengeführte Handwerksbetriebe über Generationen hinweg Herausforderungen gemeistert haben. Die Kleinteiligkeit und die Qualifikationen sind kein Nachteil, sondern bringen Flexibilität und Geschwindigkeit bei nötigen Anpassungen - und das oft deutlich besser als bei großen Konzernen. Gerade in Zeiten des Wandels sind flexible Strukturen ein klarer Vorteil. Das starke Handwerk ist ein Wettbewerbsvorteil Deutschlands. Die große und vor allem schnelle Anpassungsfähigkeit ist ein Alleinstellungsmerkmal und macht das Handwerk auch in Zukunft unverzichtbar. Nicht Größe, sondern Kooperation sind das Gebot der Stunde. Betriebe arbeiten über Gewerkegrenzen hinweg immer öfter enger zusammen. Etwa bei den gebäudetechnischen Klimagewerken, in denen beispielsweise SHK, Elektro- und Dachdeckerhandwerk entsprechende Verbändevereinbarungen geschlossen haben. Das ist eine positive Entwicklung im Interesse der Kunden, der Aufgaben und des Landes.
Vor welche Herausforderungen stellt der strukturelle Wandel die inhabergeführten Betriebe der betroffenen Gewerke, um mittel- und langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben?
Die Sicherung von Fachkräften ist eine der größten Herausforderungen für inhabergeführte Handwerksbetriebe. Angesichts des zunehmenden Mangels an Arbeits- und Fachkräften muss jeder Betrieb seine Beschäftigten optimal einsetzen. Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von unnötigen Tätigkeiten zu entlasten und eine höhere betriebliche Produktivität zu erreichen, setzen nicht nur Industrie-, sondern zunehmend auch Handwerksbetriebe auf Automatisierung, KI, Prozessinnovationen und Robotik. Allerdings erschweren die ständig weiter steigenden Berichts- und Informationspflichten es, dass „alle Hände“ in einem Betrieb bestmöglich tätig werden. Hier müssen digitale Lösungen her, die diese bürokratischen Hürden reduzieren, damit sich die Betriebe und ihre Beschäftigten auf ihr eigentliches Kerngeschäft konzentrieren und wettbewerbsfähig bleiben können. Es muss uns aber auch gelingen, alte Stereotype von ungenügender Bezahlung und oft schweißtreibender, schmutziger Arbeit im Handwerk aus den Köpfen zu bekommen. Das stimmt schon lange nicht mehr.
Wie sind die unterschiedlichen Formen des strukturellen Transformationsprozesses zu bewerten, etwa die Zusammenführung ehemals selbstständiger Betriebe in Verbünden oder Holdings?
Diese Start ups zeigen, dass die Leistung von Handwerksbetrieben auch für Investoren und neue Services interessant sind. Und wie immer sind wir klug beraten, uns zu hinterfragen, wie das Rückgrat der kleinen, familiengeführten Betriebe dem begegnen soll. Welche Schlussfolgerungen sind zu ziehen? Schon heute gibt es beispielsweise genossenschaftliche Verbünde bei Dachdeckern, Bäckern, Malern und anderen mehr. Vielleicht müssen diese sich weiterentwickeln, um eine Antwort für die kleinen Betriebe im Wettbewerb zu entwickeln.
Wie verändern plattformbasierte Geschäftsmodelle das Handwerk?
Plattformbasierte Geschäftsmodelle setzen auf standardisierte Lösungen für jedoch spezifische Kundenbedürfnisse. Das mag in manchen Fällen effizient erscheinen, doch klassische Handwerksbetriebe haben hier einen entscheidenden Vorteil: Sie bieten maßgeschneiderte Lösungen, die individuell auf den Kunden abgestimmt sind. In den letzten Monaten häufen sich Beschwerden über unseriöse und nicht fachgerechte Installationen von PV-Anlagen oder Wärmepumpen, die durch Standardangebote von der Stange entstanden sind. Oft ergeben sich dadurch hohe Folgekosten für die Kunden, beispielsweise durch undichte Dächer oder andere Schäden. Daher ist es sinnvoll, auf das qualifizierte Fachhandwerk zu setzen. Während Plattformanbieter auf Masse setzen müssen, stehen im Handwerk die persönliche Beratung und die passgenaue Umsetzung im Mittelpunkt – also echte, individuelle Lösungen für individuelle Kundenbedürfnisse. Und genau das macht den Unterschied aus.
Wie verändert sich der Wettbewerb, wenn industrielle Anbieter in klassische Handwerksmärkte eintreten?
Ein großer Vorteil von Handwerksbetrieben ist ihre Unabhängigkeit von Herstellern. Wenn Industrieunternehmen jetzt neben ihren Produkten auch Handwerksleistungen anbieten – Stichwort "product as a service" – besteht die Gefahr, dass die Interessen des Herstellers im Vordergrund stehen. Statt die beste Lösung für die Kundin oder den Kunden zu finden, geht es eher darum gehen, das eigene Produkt zu verkaufen. Handwerksbetriebe hingegen beraten auf Grund der Qualifikation neutral und herstellerunabhängig. Sie verzichten auf Koppelgeschäfte mit versteckten Kostenfallen oder langfristigen Vertragsbindungen, wie sie etwa beim Solarpanel-Leasing oder bei Stromlieferverträgen vorkommen. Industrielle Konkurrenz? Die darf uns nicht schrecken. Was uns aber wirklich ärgert, ist, wenn die öffentliche Hand in angestammte Handwerksmärkte eingreift. Solche Marktverzerrungen, etwa durch kommunale Stadtwerke, nehmen zu – besonders auch in Niedersachsen, wo SHK-Betriebe aufgekauft werden. Hier muss politisch Einhalt geboten werden. Es geht um Ordnungspolitik.
Was ist von dem Vorhaben eines Heizungsbauers zu halten, auf Baustellen im großen Stil in Crashkursen fitgemachte Montagehelfer zur Entlastung der Fachkräfte einzusetzen.
Auf die umfassende Ausbildung im Bereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sollten wir nicht verzichten, auch wenn dringend Installateure für Wärmepumpen gebraucht werden. Dafür ist eine umfängliche Qualifizierung nötig, mit einem sechswöchigen Zertifizierungslehrgang ist das nicht getan. Dies ist auch der entscheidende Unterschied zu vielen anderen europäischen Ländern. Das Handwerk bietet außerdem passfähige und bedarfsgerechte Weiterbildungsangebote für seine Fachkräfte: von zweitägigen Kursen bis zu Lehrgängen, die mehrere Wochen dauern. So erweitert etwa die "Fit für Wärmepumpen"-Qualifizierung des ZV SHK die Planungs- und Installationskompetenzen von Heizungsbauern. In einer gemeinsamen Verbändevereinbarung haben sich das SHK- und das Elektrohandwerk darauf verständigt, Weiterbildungen für das jeweils andere Gewerk anzubieten, damit das gewerkeübergreifende Arbeiten verbessert und die notwendige Zusammenarbeit der Gewerke optimiert wird. Dank solcher Qualifizierungsmaßnahmen können mittlerweile über 80 % der Fachbetriebe im Handwerk Wärmepumpen installieren – ein deutlicher Anstieg gegenüber 2022, als das erst rund 30% der Betriebe konnten. Die Klimahandwerke sind also auf einem guten Weg bei der Qualifizierung und der Fachkräfteentwicklung. Um die Energiewende weiter voranzutreiben, möchte das Handwerk auch bisher ungenutzte Zielgruppen, wie Geringqualifizierte, stärker einbinden. Dazu werden Konzepte für Teilqualifikationen entwickelt, die schrittweise das nötige Wissen vermitteln: Wichtig dabei ist jedoch, dass dies alles im System der beruflichen Bildung geschieht.