Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
15.01.2025

Steigende Sozialabgaben bremsen massiv lohnintensives Handwerk

Angesichts immer weiter steigender Lohnzusatzkosten warnt ZDH-Präsident Jörg Dittrich bei Andreas Hoenig von der "dpa" vor unbezahlbaren Produkten und Dienstleistungen des lohnintensiven Handwerks und dringt auf rasche und grundsätzliche Reformen.
    Metallbauer mit Gesichtsschutz

    "Die Lage im Handwerk ist geprägt von einer rezessiven Wirtschaft und galoppierenden Preisschüben in der Sozialversicherung, die Sorge bereiten. Auftragsreichweiten gehen zurück."

    "Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist mittlerweile auf rund 42 Prozent gestiegen. Dies bedeutet eine deutliche Mehrbelastung für die personalintensiven Handwerksbetriebe und ihre Beschäftigten, die weniger Netto vom Brutto haben. Es ist nicht im Interesse der Gesellschaft, dass Handwerkerleistungen unbezahlbar werden und dadurch vom Markt verschwinden. Das geht mit einem Wohlstandsverlust einher. Es ist im Interesse der Gesellschaft, dass Sozialsysteme auch in Zukunft finanzierbar  bleiben. Wir sehen ganz deutlich, dass insbesondere lohnintensive Bereiche unter einen größeren Schwarzarbeits-Druck geraten."

    "Im Gegensatz zur Industrie machen die Lohnkosten in manchen Handwerksbetrieben bis zu 80 % der Gesamtkosten aus. Dort schlagen dann starke Steigerungen der Lohnzusatzkosten besonders heftig zu Buche. Die Wettbewerbsfähigkeit der Handwerksbetriebe ist dadurch in Gefahr, denn steigende Personalkosten können nicht 1:1 auf den Markt umgelegt werden. Diese Kostenstruktur schmälert oft Investitionsmöglichkeiten, um sich im Strukturwandel zukunftsfähig aufzustellen."

    "Wenn die Lohnzusatzkosten und Sozialabgaben zu hoch sind und die Preise steigen, gibt es irgendwann einen Grenzwert, bei dem Kunden schlichtweg nicht mehr bereit sind, diesen Preis zu zahlen, und bei dem sie sich fragen: Gehe ich jetzt alle vier Wochen zum Friseur oder alle sechs Wochen? Oder lasse ich mir von der Nachbarin auch mal zwischendurch die Haare schneiden? Ein Bäcker in einem Dorf kann ihnen ganz genau sagen, wie teuer sein Brötchen und sein Stück Kuchen sein darf - und ab wann die Menschen das nicht mehr kaufen. Dass Menschen seltener Dienstleistungen in Anspruch nehmen oder sogar ganz auf den Kauf von Produkten oder Dienstleistungen verzichten, gefährdet dann nicht nur Betriebe, sondern auch gesellschaftliche Strukturen."

    "Die Produktivität ist in den letzten Jahren nicht so gestiegen, wie die Kosten gestiegen sind. Demzufolge steigt der Preis um dieses Delta. Deutliche Kostenerhöhungen haben wir bei den Löhnen, bei der Energie, bei Material, bei den Sozialabgaben, aber auch bedingt durch Bürokratie – und auf all das hat das Handwerk selbst in der Regel keinen Einfluss und kann wegen seiner Standortgebundenheit auch nicht ins Ausland ausweichen. In den vergangenen Jahrzehnten haben steigende Preise Druck ausgeübt, die Produktivität zu erhöhen. Hier genau waren wir über viele Jahre besser als andere. Das ist seit einigen Jahren anders. Wir sind zurückgefallen. Und deswegen ist es so wichtig, an allen Kostenschrauben ein Stück so zu drehen, dass es zu Entlastungen kommt, die die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und damit unserer Produkte stärken."

    "Die Kostenschübe, die über die Sozialsysteme, steigende Materialpreise und Bürokratiekosten auf das Handwerk einwirken, führen zu Preissteigerungen, bei denen sich eine Investition auch für Privatpersonen irgendwann nicht mehr rechnet oder nicht mehr finanzierbar ist. Das Handwerk droht für breite Schichten unerschwinglich zu werden, ohne dass das Handwerk selbst es in der Hand hätte, dies zu ändern."

    "Die Abgabenlast droht, Arbeit unattraktiv zu machen – das Handwerk erstickt unter den steigenden Sozialbeiträgen. Es braucht eine Sozialabgabenbremse, um die Lohnzusatzkosten unter Kontrolle zu halten und die Leistungsträger zu entlasten! Wer immer höhere Beiträge verlangt, nimmt den Menschen die Motivation und gefährdet die Basis unserer sozialen Marktwirtschaft. Arbeitgeber und Beschäftigte tragen eine immer schwerere Last, die Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Leistung muss sich lohnen. Daher: Sozialabgaben runter, damit sich Arbeit wieder lohnt, und personalintensive Produkte und Leistungen bezahlbar bleiben. Wir brauchen mutige Reformen statt halbherziger Flickschusterei – vor allem bei der Finanzierung der Sozialversicherungssysteme. Generationengerechtigkeit bedeutet, jetzt für eine nachhaltige Finanzierung der Sozialversicherung zu sorgen – wegschieben hilft nicht! Die steigende Beitragslast ist eine tickende Zeitbombe für Wirtschaft und Gesellschaft."

    Die Sozialabgaben müssen wieder auf die Marke von 40 Prozent gesenkt werden. "Wir müssen uns die Karten legen und ehrlich miteinander sein. Es wird Kompromisse benötigen in allen Bereichen. Ich vergleiche es mit dem Zahnarzt. Wenn ich weiß, da ist ein kleines Loch im Zahn, dann sollte ich reagieren. Ansonsten droht die Wurzelbehandlung. Und wenn wir jetzt nicht reagieren, dann verlieren wir sogar den Zahn, und das kann nicht unser Interesse sein. Demzufolge sind jetzt schon nachhaltig wirksame Eingriffe nötig."

    "Man muss an mehreren Stellen etwas tun. Eigenverantwortung muss gefördert werden, man muss sich die Leistungskataloge anschauen. Was können wir uns noch leisten? Dann muss man auf die Einnahmeseite schauen. In Zeiten, in denen sich wirtschaftliche Geschäftsmodelle geändert haben, kann es nicht sein, dass die Finanzierung der Sozialsysteme unverändert und zu stark an den Lohn gekoppelt ist. Der gesellschaftliche Diskurs muss darauf hinauslaufen, dass alle sich ein Stück bewegen müssen."

    "Ich befürchte keine Pleitewelle im Handwerk. Aber wir sehen ein stilles Sterben. Viele Meisterinnen und Meister, die jetzt in einem Alter zwischen Ende 50 und 60 sind, finden niemanden, der den Betrieb übernimmt. Dann sagen sie: Ich höre lieber auf. Auf diese Weise sind im vergangenen Jahr zehntausende Arbeitsplätze im Handwerk verloren gegangen: Das bedeutet Vernichtung von Fachkräfte-Kapazitäten, die wir dringend benötigen, sowohl für die Bedürfnisse der Menschen als auch gesellschaftlich für Energiewende und Transformation."

    Zur Ankündigung von Handwerkern, sie kommen zwischen 8 und 16 Uhr: "Wenn der Preis steigt, dann muss ich als Handwerker alles daransetzen, Service und Leistung zu bringen, und mich fragen, was ich als Handwerker tun kann, um Verbindlichkeit und Verlässlichkeit zu erhöhen." Dass Handwerker nicht sagen können, wann genau sie beim Kunden sind, habe viele verschiedene Gründe etwa Unvorhersehbarkeiten bei der Tourenplanung oder Krankheitsfälle in Teams.

    "Baustellen sind keine Fließbänder, es gibt immer wieder unvorhergesehene Herausforderungen, die Zeitpläne durcheinanderbringen. Ob ein Problem mit Material, unerwartete Arbeiten oder Rückfragen vor Ort: Jeder Auftrag ist einzigartig. Diese Flexibilität ist die Stärke des Handwerks, macht genaue Zeitangaben aber bisweilen schwierig. Ungeachtet dessen muss es aber eine Serviceorientierung geben."

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