Vertrauensschwund wegen fehlender politischer Verlässlichkeit

Foto: ZDH/Henning Schacht
Der Koalitionsvertrag ist an vielen Stellen ambitioniert. Die Umsetzung jedoch wird jetzt erst einmal durch die Sommerpause unterbrochen. Das ist unglücklich, weil diese Pause zu einem Zeitpunkt kommt, an dem sich viele Menschen nach den Veränderungen sehnen, die in den Papieren stehen. Stattdessen gibt es durch das Handeln der neuen Regierung die ersten Ernüchterungen. Auf der einen Seite stehen ganz konkrete, einfach umsetzbare Punkte im Koalitionsvertrag: Bonpflicht abschaffen, Sonntagsbackverbot für die Bäcker abschaffen. Das ist nicht umgesetzt. Auf der anderen Seite kommt eine zunächst für ALLE versprochene Stromsteuersenkung nicht, sondern es bleibt bei dieser Senkung nur für die Industrie, das produzierende Gewerbe und nun ergänzt um die Land- und Forstwirtschaft. Das ist Willkür. Die Enttäuschung darüber ist groß. Und das bleibt über den Sommer im Gedächtnis. Den von der Regierung bis zur Sommerpause prognostizierten deutlichen Stimmungsumschwung zum Positiven, der ist im Handwerk bislang nicht festzustellen.
Die Stromsteuersenkung für ALLE steht explizit im Koalitionsvertrag, sie war auch Teil einer Einigung im ersten Koalitionsausschuss, sie war im Sofortprogramm der Regierung enthalten. Und dann fällt der Koalition plötzlich ein, dass daraus nichts wird, weil alles unter Finanzierungsvorbehalt steht? Das lässt viele Betriebe ratlos zurück. Die stellen sich natürlich die Frage nach dem Wert von politischen und sogar schriftlichen Zusagen. Wenn jetzt alles Zugesagte nur unter Vorbehalt gilt, womit sollen sie planen? Gilt das dann auch für die Bonpflicht oder die Arbeitszeitflexibilisierung? Oder muss jetzt immer damit gerechnet werden, dass sich die Regierung aus Zugesagtem mit dem Hinweis hinausschleicht: Geht gerade nicht.
Es ist ein Vertrauensverlust, der mit der gebrochenen Zusage einer Stromsteuersenkung für alle einhergeht. Wenn eine klare Zusage einfach einkassiert und ohne jede Vorwarnung oder Einbindung der betroffenen Gruppen verkündet wird, dann erzeugt das Frust. Vertrauen kann man nicht an- und ausschalten wie Licht. Es entsteht durch Verlässlichkeit. Und daran fehlt es aktuell. Alle Handwerksbetriebe stehen im Wettbewerb. Wir wissen sehr genau, dass steigende Sozialversicherungsbeiträge und Lohnkosten zusätzlichen Kostendruck erzeugen. Umso dringlicher wäre eine Stromsteuersenkung für alle Betriebe gewesen. Gerade energieintensive Bereiche wie die Textilreiniger, die Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime mit hygienischer Wäsche versorgen und einen gigantischen Energieverbrauch haben, brauchen dringend Entlastung. Doch für sie wird die Stromsteuer nicht gesenkt.
Wenn auf europäischer Ebene für einen Industriestrompreis geworben wird, gleichzeitig aber weite Teile des Handwerks bei der Stromsteuer leer ausgehen, fehlt jedes Verständnis. Die Reduktion der Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß wäre ein klares, wirksames Signal an das Handwerk gewesen. Stattdessen erleben wir eine Politik, die Vertrauen verspielt, obwohl der Start in der Wirtschaftspolitik durchaus positive Impulse gesetzt hatte.
Es gibt nach wie vor die klare Erwartung, dass die Entscheidung zur Stromsteuer korrigiert wird, weil sie Vertrauen verletzt und die Wertigkeit von Aussagen infrage stellt.
Mittelstand und Handwerk erleben derzeit, dass sie bei konkreten Maßnahmen nicht im Fokus stehen. Das ist ein Signal, das hängen bleibt. Es geht um Wertschätzung, aber auch um politische Prioritätensetzung und eine klare Mittelstandsorientierung. Das Handwerk übernimmt bei der Ausbildung, bei der Fachkräftesicherung, bei der Integration Verantwortung. Was wir erwarten, sind faire und planbare Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln. Und dazu gehört, dass der Mittelstand nicht nur in Sonntagsreden, sondern im Regierungshandeln ernst genommen wird.
Es geht um Verlässlichkeit. Offenbar wurde die Verlässlichkeit gegenüber Mittelstand und Handwerk als nicht so dringlich erachtet. Das hinterlässt den Eindruck: "Wir sind der Politik wohl doch nicht so wichtig." Und das erschüttert Vertrauen, was jedoch Grundlage jeder tragfähigen Wirtschaftspolitik ist.