Zentralverband des
Deutschen Handwerks
Zentralverband des
Deutschen Handwerks
06.01.2023

Vielzahl an Unwägbarkeiten macht genaue Prognose unmöglich

Wegen der vielen Risiken und Unwägbarkeiten ist eine seriöse Prognose zur konjunkturellen Entwicklung im Handwerk für 2023 nicht möglich, stellt ZDH-Generalsekretär Schwannecke im "handwerk magazin" fest.
Portraitfoto von Holger Schwannecke im Gespräch auf der Dachterrasse im Haus des Deutschen Handwerks mit Blick über Berlin

Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks

"Für das Jahr 2023 kann man momentan keine seriöse Prognose geben. Es bestehen einfach zu viele Unwägbarkeiten und Risiken. Unklar bleibt vor allem, wie sich die geopolitische Lage und der Ukraine-Krieg als eine Hauptursache der derzeitig extrem angespannten wirtschaftlichen Lage entwickeln werden" so ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke zu Patrick Neumann vom "handwerk magazin".

Herr Schwannecke, der ZDH rechnet mit rauen Zeiten auch im Handwerk. Welche Entwicklungen machen Ihnen die größten Sorgen?

Von immer mehr Betrieben hören wir, dass momentan deutlich weniger Neuaufträge ankommen. Diese fehlenden Aufträge drohen spätestens im Frühjahr zu einem deutlichen Einbruch der aktuell noch robusten Geschäftslage im Handwerk zu führen. Die hohe Verbraucherpreisinflation, hohe Beschaffungskosten für Energie und noch immer angespannte Lieferketten erschweren den Handwerksbetrieben den Geschäftsbetrieb. Kundinnen und Kunden achten stärker auf den Preis eines Produkts oder einer Dienstleistung, weil ihr real verfügbares Einkommen spürbar kleiner geworden ist. Zugleich lassen teure Energie und hohe Einkaufspreise für Rohstoffe oder Vorprodukte die Herstellungskosten deutlich steigen. Die Lunte brennt an beiden Enden, ohne dass die Betriebe ihre Mehrkosten in erforderlichem Maß an die Kundschaft weitergeben könnten. Sinkende Margen sind die Folge. Das Geld fehlt dann für Investitionen etwa für energieeffizientere Abläufe oder die Digitalisierung von Geschäftsprozessen, also genau für die Bereiche, die entscheidend sind, um sich zukunftsfest aufzustellen.

Der Baubereich dürfte 2023 als Stabilisator wegfallen – so der Eindruck aus Gesprächen mit Unternehmern.

Nach zuletzt vielen sehr guten Jahren am Bau sehen wir auch hier aktuell einen Einbruch bei den Neuaufträgen. Deutlich schlechtere Finanzierungskonditionen und die hohen Anstiege bei den Baupreisen machen privaten Bauherren die Realisierung ihrer Eigenheimpläne schwieriger. Die gewerbliche Baunachfrage wird zugleich durch die unsicheren Konjunkturaussichten gebremst. Als Konjunkturstabilisator droht der Bau daher im kommenden Jahr wohl tatsächlich wegzufallen.

Sie hatten schon vor einem Jahr an dieser Stelle vom Blick in die Glaskugel gesprochen. Wie lautet dennoch Ihre 2023er-Prognose fürs Gesamthandwerk?

Für das Jahr 2023 kann man momentan keine seriöse Prognose geben - das sieht man auch an den teils starken Prognoserevisionen der Wirtschaftsforschungsinstitute in den vergangenen Wochen. Es bestehen einfach zu viele Unwägbarkeiten und Risiken. Gas- und Strompreisbremse machen die Energiekosten für die Betriebe zwar kalkulierbarer. Ob Gas und Strom jedoch im Verlauf des Winters ausreichend und flächendeckend zur Verfügung stehen werden, dahinter bleibt ein Fragezeichen. Auch beim Konsum ist nicht absehbar, wie sehr die Verbraucher sich zum Sparen gezwungen sehen werden. Unklar bleibt vor allem, wie sich die geopolitische Lage und der Ukraine-Krieg als einer Hauptursache der derzeitig extrem angespannten wirtschaftlichen Lage entwickeln werden.  

Sehen Sie Gewerke, die besser durch diese rauen Zeiten kommen werden?

Bei allen Handwerken, die maßgeblich für die Umsetzung der Energie- und Mobilitätswende sowie des Klimaschutzes sind, findet durch die Beschleunigung der Energiewende ein Auftragshochlauf statt. Betriebe etwa, die Photovoltaik-Anlagen und passende Speicherlösungen installieren oder Wärmepumpen einbauen, können der hohen Nachfrage momentan gar nicht gerecht werden. Hier fehlen weiter ausreichend Fachkräfte im Handwerk. Es fehlt aber oft auch am Nachschub der Komponenten wie Solarpaneelen oder Wärmepumpen, die die Industrie nicht in den benötigten Stückzahlen liefern kann.

Welche drei Themen sollten Unternehmerinnen und Unternehmer trotz dieser angespannten Lage unbedingt angehen?

Mit Blick auf die Demografie bleibt die Sicherung der eigenen Fachkräftebasis essenziell – sei es durch mehr Ausbildung oder Zuwanderung. Viele Betriebe werden sich zusätzliche Fachkräftepotenziale erschließen müssen, damit sie auch in Zukunft die Anforderungen der Kundinnen und Kunden erfüllen können.

Die Energiekosten werden absehbar deutlich höher sein als vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs. Vor allem energieintensive Betriebe sollten daher, wo es möglich ist, ihre Produktion auf Alternativen zu fossilen Energieträgern umstellen. Je nach Betrieb kann auch ein Ausbau der eigenen Energieerzeugungs- und Energiespeicherkapazitäten sinnvoll sein. Im Blick bleiben muss auch das Thema Digitalisierung. Zwar lässt sich die handwerkliche Arbeit in vielen Gewerken kaum digitalisieren und die fähigen Hände unserer Handwerkerinnen und Handwerker werden weiter entscheidend sein. Aber die dahinterliegenden Geschäftsmodelle müssen mit der Zeit gehen und beispielsweise der immer stärkeren Vernetzung von Anlagen und der daraus entstandenen Datenökonomie Rechnung tragen. Deshalb müssen die Geschäftsprozesse entsprechend angepasst und die Beschäftigten entsprechend geschult werden.

Schlagworte