Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
11.07.2024

Wachstumspaket setzt Impulse, aber zündet keinen Turbo

Wichtige Forderungen des Handwerks wurden aufgenommen, erklärt ZDH-Präsident Jörg Dittrich gegenüber Jens Tönnesmann von der ZEIT. Aber die angedachten Impulse reichen nicht. Dafür braucht es grundlegende Standortreformen.
ZDH-Präsident Jörg Dittrich

"Das Wachstumspaket greift wichtige Forderungen des Handwerks auf, um die Rahmenbedingungen wieder stärker auf die Wertschätzung von Leistung auszurichten. Um aber wirklich den ‚Wachstumsturbo‘ zu zünden, hätten die Maßnahmen deutlich entschiedener ausfallen müssen – auch bei schneller Umsetzung bleiben bei den vorliegenden Vorschlägen wohl nur einzelne Impulse zu erwarten. Der Auftrag, die Wettbewerbsfähigkeit am Wirtschaftsstandort Deutschland strukturell zu stärken, bleibt. Dafür gilt es, den wirtschaftspolitischen Kompass langfristig auf Lösung der Herausforderungen auszurichten, die Mittelstand und Handwerk derzeit ausbremsen: die hohe Steuer- und Abgabenlast, die Bürokratie und die Fachkräftesicherung. 

Eine der größten Baustellen bleibt auch nach der Einigung die Steuerpolitik: Denn an der Notwendigkeit, Steuerpolitik auch als Standortpolitik zu begreifen und entsprechend wachstumsorientiert auszugestalten, ändert sich auch durch die einzelnen, richtigen Maßnahmen im Wachstumspaket nichts: Der vereinbarte Abbau der Kalten Progression ist zwar positiv, sorgt aber unterm Strich auch nur dafür, dass Beschäftigte und Betriebe keine steuerliche Mehrbelastung tragen müssen. Auf eine grundlegende Steuerreform muss im Höchststeuerland Deutschland weiter gewartet werden.

Die Ansätze beim Bürokratieabbau klingen zunächst vielversprechend: Mit einem jährlichen Bürokratieentlastungsgesetz, den Erleichterungen beim Datenschutz und der Ausweitung von Praxis-Checks verspricht die Bundesregierung, langjährige Forderungen des Handwerks direkt umzusetzen und endlich für einen stärkeren Alltags- und Betriebsbezug der Gesetzgebung zu sorgen. Die Verzögerungen rund um das angekündigte Bürokratieentlastungsgesetz IV dämpfen diesen Optimismus jedoch – entscheidend ist auch an dieser Stelle, dass die angekündigten Maßnahmen auch wirklich schnellstmöglich umgesetzt werden. Gerade beim Bürokratieabbau muss Politik reagieren und der Erwartungshaltung, die sie mit dem Wachstumspaket nochmal höher angesetzt hat, auch gerecht werden: Der Leidensdruck bei den Betrieben in diesem Punkt ist immens.

Die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sind weitestgehend positiv zu bewerten, weil sie Impulse setzen, um Leistung wieder stärker wertzuschätzen. Vor allem die sogenannte Genehmigungsfiktion verspricht die deutlich schnellere Arbeitsaufnahme und damit verbunden auch eine schnellere Integration von geflüchteten Menschen – dies unterstützt den Integrationsmotor Handwerk direkt. Ähnlich positiv sind auch die Anreize für Beschäftigte zu bewerten, die im Alter länger arbeiten möchten. Beides kann Handwerksbetriebe zielgerichtet dabei unterstützen, ihren Fachkräftebedarf zu sichern.

Auch die Maßnahmen im Bereich der Energiepolitik bleiben zu kleinteilig: Ein energiepolitisches Gesamtkonzept bleibt nach wie vor notwendig; mit seinen ‚Leitlinien zum Meistern der Energiewende‘ hat das Handwerk als Umsetzer und Gestalter dieser großen Transformationsaufgabe bereits Vorschläge gemacht, wie ein solches Konzept praxis- und alltagsnah umzusetzen ist. Denn ein Blick auf die geplanten Entlastungen im Energiebereich zeigt, dass auch beim Standortfaktor Energie noch Einiges zu tun bleibt: Die Ausdehnung des Strompreispakets ist zwar hilfreich, aber schließt weiterhin viele energieintensive Betriebe und Gewerke des Handwerks aus. Dass der Bundesrat diese Problematik erkannt und sich in der vergangenen Woche der Forderung des Handwerks angeschlossen hat, die Stromsteuer für alle Betriebe und Unternehmen auf das europäische Mindestmaß zu senken, zeigt, dass die Bundesregierung auch im Bereich Energiepolitik noch nachbessern muss, um Betriebe wie Standort wettbewerbs- und zukunftsfähig aufzustellen."