Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
26.09.2023

Wettbewerbsfähige Energiepreise für alle entscheidend

Wie gelingt es, wettbewerbsfähige Energiepreise für alle sicherzustellen? Über den Weg und die nötigen Brückeninstrumente dorthin sprechen ZDH-Präsident Dittrich und DGB-Vorstandsmitglied Körzell im Interview mit Karin Birk und Steffen Range von der "DHZ".
Metallbauer

Vor allem gab es keine Klarheit zum Strompreis, also ob es zum Beispiel einen gedeckelten Industriestrompreis geben soll.

Dittrich: Für das Handwerk ist das ein entscheidender Punkt. Im Vordergrund muss das politische Bestreben stehen, in Deutschland wieder einen wettbewerbsfähigen Energiepreis für alle herzustellen, und nicht, einige wenige Unternehmen zu unterstützen.

Tatsächlich habe ich die Sorge, dass es auf einen „reinen“ Industriestrompreis hinausläuft. Und in dem Begriff ist nun mal nicht das Wort Handwerk enthalten. Dabei betreffen die hohen Energiepreise natürlich auch zahlreiche energieintensive Handwerksbetriebe. Wir sind sehr gespannt, welche Instrumente die Politik einsetzen will, um dem Standort, der Wirtschaft als Ganzes einen tragfähigen Rahmen zu geben, durch diese herausfordernde Zeit zu kommen.

Herr Körzell, Sie stehen im DGB fürs Handwerk und gleichzeitig fordert der DGB gemeinsam mit einigen Einzelgewerkschaften dezidiert einen Industriestrompreis. Schlagen da nicht zwei Seelen in Ihrer Brust?

Körzell: In meiner Brust sind nicht nur zwei Seelen, ich würde noch eine dritte dazu nehmen. Wir müssen uns auch kümmern um die sozialen Einrichtungen, also Pflegeheime oder Krankenhäuser. Die sind ja auch große Stromverbraucher. Und deswegen sagen wir ganz bewusst, wir brauchen eine Strompreis-Diskussion, die nicht verengt.

Wir hätten uns in Meseberg eine Entscheidung zum Strompreis gewünscht. Dem DGB ist es wichtig, dass wir über den gesamten Strompreis reden, besonders natürlich für die Industrie.

Am wichtigsten wäre es, die Strompreisbremse fortzuführen. Und dann sollten wir schauen, welche Abstufungen noch möglich sind. Was machen wir für das Handwerk? Was auch für andere Branchen? Wir arbeiten intensiv an einem eigenen Vorschlag, der genau das vorsieht. Wir haben in der Krise die Instrumente geschaffen, um das umzusetzen: etwa durch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Wenn man die Werkzeuge hat, sollte man sie auch nutzen.

Experten fürchten, dass das unfassbar viel Geld kosten würde. Die Rede ist von 50 Milliarden Euro, um den Strompreis auf ein erträgliches Maß zu deckeln. Können wir uns das leisten?

Körzell: Das ist natürlich erstmal eine riesige Summe, 50 Milliarden Euro. Aber niemand diskutiert, welche Wertschöpfungsverluste wir schon haben seit Beginn des Krieges. Nach einer sehr konservativen Schätzung belaufen sich die Verluste bei der Wertschöpfung auf zehn Milliarden Euro pro Monat. Der Krieg begann im Februar vergangenen Jahres, das heißt, wir reden nach 18 Monaten Krieg bereits über einen Verlust in der Bruttowertschöpfung von 180 Milliarden Euro. Vor dem Hintergrund würde sich eine Stromsubvention selbst finanzieren. Die Hilfe aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds, also 30 bis 50 Milliarden Euro, wären gut eingesetztes Geld, für die Bruttowertschöpfung und ein Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Deutschland.

Dittrich: Möglich, dass für eine Übergangsphase eine Art „Brücke“ geschaffen und eingegriffen werden muss. Aber das entbindet uns nicht davon, zuerst zu klären, wie wir wieder zu einem wettbewerbsfähigen Strompreis kommen. Die deutsche Industrie, das deutsche Handwerk, der Mittelstand brauchen insgesamt erträgliche Strompreise und Versorgungssicherheit, das sind die beiden Grundbedingungen. Wir verstehen, dass gerade energieintensive Branchen gestützt werden müssen, aber gerecht zugehen muss es trotzdem und nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen.

Was wäre aus Ihrer Sicht denn gerecht?

Dittrich: Es geht nicht, dass ein Betrieb einen Ausgleich bekommt, bloß weil er zur Industrie zählt oder exportorientiert ist. Dann hätten wir schnell eine Art Zwei-Klassen-Wirtschaft. Und es käme so weit, dass alle anderen Betriebe nicht nur höhere Preise bezahlen müssten, sondern dann auch noch zusätzlich einen Wettbewerbsnachteil haben.

Körzell: Lassen Sie mich einen wichtigen Punkt ergänzen. Wir erleben jetzt, was in den vergangenen Jahren verschlafen worden ist. Ich nenne ein Beispiel: Wir als DGB haben in den Stellungnahmen dem damaligen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier geschrieben, dass wir in Zukunft in der Spitze 780 Terawattstunden Strom für die Bundesrepublik Deutschland benötigen. Im Ministerium wurde das dann runtergerechnet auf 580 Terawattstunden pro Jahr. Mit der Folge, dass auch die Ausbauziele bei der erneuerbaren Energien entsprechend runtergerechnet wurden. Mittlerweile gehen wir wieder von 750 bis 780 Terawatt aus. Das bedeutet, man hat durch bewusstes Kleinrechnen das Tempo rausgenommen beim Ausbau der Erneuerbaren. Und das müssen wir jetzt mit doppelter Geschwindigkeit wieder aufholen, wenn wir klimaneutral werden wollen. Jetzt müssen Fehler aus der Vergangenheit korrigiert werden.

Dittrich: Damit möchte ich mich nicht zufriedengeben. Was nützt es, wenn wir jetzt sagen, wer dran schuld ist? Der Blick muss nach vorne gerichtet sein: Haben wir denn dafür jetzt einen Plan? Ich kann den nicht erkennen. Richtig ist, dass wir die Angebotsseite in den Blick nehmen. Es muss schnellstens entschieden werden, wie und wann die Gaskraftwerke, die zur Stabilisierung der Energieversorgung nötig sind und später mit Wasserstoff betrieben werden können, finanziert, gebaut und betrieben werden. Und was das für den Strompreis bedeutet. Und wie wir mit diesem Konzept wettbewerbsfähige Strompreise bekommen. Erst dann können wir entscheiden, ob wir dieses Ziel jemals erreichen können und ob ein gedeckelter Exportstrompreis überhaupt Sinn ergibt. Es darf nicht zu Monopolen kommen, die mangels Alternativen die Richtung vorgeben, wir brauchen auch hier Wettbewerb.

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