Wirtschaft erwartet von Regierung klares gemeinsames Leitmotiv
Das Interview ist zuerst bei ZDF heute.de erschienen.
Sie waren in dieser Woche beim Wirtschaftsgipfel der FDP eingeladen, allerdings nicht beim Bundeskanzler. Wie uneins ist die Ampel aus Ihrer Sicht in der Wirtschaftspolitik?
Die Ampel wirkt derzeit wie ein Orchester, in dem jedes Mitglied seine ganz eigene Melodie spielt – alles andere als harmonisch und aufeinander abgestimmt. Diese Stimmenvielfalt schafft Unsicherheit in der Wirtschaft: Es gibt kein klares Leitmotiv, auf das sich die Betriebe einstellen können. Wenn ein Kunde in meine Firma kommt, erwartet er auch ein in sich schlüssiges und umsetzbares Angebot – nicht drei verschiedene aus verschiedenen Abteilungen mit unterschiedlichen Akzenten und vielleicht sogar noch dem Hinweis, dass das so möglicherweise gar nicht funktionieren wird. Aber genau das macht die Bundesregierung gerade: Jede Ampelfarbe sendet andere und teils widersprüchliche Signale. Das Handwerk ist aber auf Verlässlichkeit und Planungssicherheit am Standort Deutschland angewiesen, denn es kann seine Produktion nicht ins Ausland verlagern. Ein gemeinsamer, schlüssiger und abgestimmter Regierungsplan ist nötig – keine unterschiedliche Partei- oder Wahlkampftaktik!
Setzt der Bundeskanzler die richtigen Prioritäten, und wo wünschen Sie sich mehr Führungsstärke?
Der Kanzler muss das Ruder entschlossen in die Hand nehmen und eine wirtschaftspolitische Richtung vorgeben, die von der gesamten Regierung mitgetragen wird. Gerade das Handwerk muss sich darauf verlassen können, dass die Bundespolitik den Blick für das große Ganze hat. Politische Maßnahmen, die nur einzelne Branchen ansprechen, verfehlen das große Ziel. Themen wie bezahlbare Energie, Bürokratieabbau und stabile Sozialabgaben betreffen die gesamte Wirtschaft, bei den explodierenden Lohnzusatzkosten ist das Handwerk als personalintensiver Bereich sogar noch einmal deutlich stärker betroffen. Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die das ganze Unternehmen Deutschland im Blick hat.
Welche Maßnahmen sollten jetzt umgesetzt werden, um wieder Wirtschaftswachstum zu generieren und insbesondere das Handwerk zu stärken?
Die Antwort liegt in mutigen und strukturellen Reformen und Entlastungen: weniger Bürokratie, bezahlbare Energie, niedrigere Lohnzusatzkosten, gezielte Steuererleichterungen. Betriebe müssen Spielräume bekommen, um zu wachsen und zu investieren. Das Handwerk wird tagtäglich durch überzogene bürokratische Auflagen und hohe Sozialabgaben gebremst. Die Lohnzusatzkosten zu senken, statt tatenlos ihrem stetigen Anstieg zuzusehen, wäre ein guter Schritt, damit Betriebe durchatmen und in Zukunftsfelder investieren können. Zugleich würde dadurch Arbeitnehmern mehr Netto vom Brutto bleiben. Die Ausbildung und berufliche Bildung muss gleichwertig zur akademischen Bildung gefördert werden, damit der Fachkräftenachwuchs gesichert bleibt. Wir fordern also: runter mit den Belastungen und her mit Freiraum für Investitionen!
Sie haben sich gegen mehr Subventionen ausgesprochen und für Steuersenkungen für alle – warum sind Steuersenkungen besser als gezielte Förderungen im Sinne der grünen Transformation?
Subventionen sind wie Pflaster auf Wunden, die gar nicht erst entstehen müssten. Es geht darum, die Bedingungen bei Steuern und Abgaben so für die Betriebe zu gestalten, dass sie den Freiraum haben, aus eigener Kraft in neue Technologien und in den Unternehmensausbau zu investieren – ohne Bürokratie und Antragsdschungel. Subventionen sind immer an bestimmte Bedingungen geknüpft und geben nur kurzfristig Luft. Der langfristig sinnvolle Weg sind Entlastungen bei Abgaben, Steuern und Bürokratie.
Sollte Christian Lindner die Schuldenbremse lockern, um mehr Investitionen zu ermöglichen?
Die Politik muss Prioritäten setzen und sollte zunächst alles daransetzen, die vorhandenen Mittel so einzusetzen, dass der Nutzen groß ist. Gerade das Handwerk weiß um die Bedeutung verantwortungsvoller Finanzpolitik und braucht eine verlässliche Perspektive, die auch in Zukunft Bestand hat.