Azubisuche in Drittstaaten: Einmal um den Globus zur Ausbildung
Deutschland hat viel Arbeit, aber zu wenige, die diese Arbeit tun. In anderen Weltregionen ist es umgekehrt. Zum Beispiel in Vietnam. Seit 2016 rekrutieren die Südthüringer Wirtschaftskammern in Zusammenarbeit mit einem Partnerunternehmen junge Menschen aus dem asiatischen Land für Ausbildungen in Deutschland. Bisher konnten 162 Teilnehmer gewonnen werden, wovon allein 24 in einem Schmalkaldener Betrieb tätig sind. In der Region sind immer weniger junge Menschen bereit, handwerkliche Berufe zu erlernen, insbesondere aufgrund der herausfordernden Arbeitsbedingungen wie frühe Arbeitszeiten bei Fleischern oder Wochenendarbeit im Verkauf.
Von Vietnam nach Schmalkalden
Vor ihrer Ankunft in Thüringen absolvieren die vietnamesischen Auszubildenden regelmäßig ein einjähriges Deutschlernprogramm. Die Betriebe finanzieren zunächst die Anwerbung und den Sprachkurs vor, können aber bis zu 5.000 Euro aus einem staatlichen Förderprogramm zurückerhalten. Laut der Handwerkskammer Südthüringen deckt dies jedoch meist nicht alle anfallenden Kosten.
Um die Integration zu erleichtern, bieten manche Unternehmen, wie die Fleisch- und Wurstwaren Schmalkalden, ihren vietnamesischen Azubis günstige Unterkünfte in betriebseigenen Wohnheimen an. Dies erleichtert den Aufbau eines sozialen Netzwerks unter den Auszubildenden. Zusätzlich erhalten sie eine erhöhte Ausbildungsvergütung, da sie damit ihren gesamten Lebensunterhalt bestreiten müssen. Das Wohnheim-Konzept hat jedoch auch Nachteile: Obwohl die Azubis mit guten Deutschkenntnissen ankommen, besteht die Gefahr, dass sie diese teilweise wieder verlieren, da sie untereinander hauptsächlich Vietnamesisch sprechen.
Die Investition in vietnamesische Auszubildende zahlt sich aus; mittlerweile haben einige Führungspositionen wie Filial- oder Abteilungsleiter übernommen und sogar ihre Familien nachgeholt. Dennoch gibt es Fälle, wie bei deutschen Auszubildenden auch, in denen Absolventen den Betrieb nach der Ausbildung verlassen. Die Betreuung der ausländischen Azubis erfordert mehr Aufwand als bei deutschen Jugendlichen. Aufgrund der Sprachbarriere ist mehr Geduld beim Erklären notwendig, und es wird auch mehr private Zeit investiert, etwa wenn Unterstützung bei Behördengängen benötigt wird.
Von El Salvador nach Weiden
Die Janner Waagen GmbH in Weiden bildet seit Herbst letzten Jahres zwei Auszubildende aus El Salvador aus – Ana Moran und Kevin Alvarez. Elektrotechnikermeister und Geschäftsführer Janner beschreibt seine Rolle als die einer "zweiten Familie" für die Azubis, da er sich um viele Dinge kümmert, die über eine typische Ausbildung hinausgehen.
Bei ihrer Ankunft in Deutschland im vorigen Sommer half Janner den beiden, sich in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden. Er zeigte ihnen Einkaufsmöglichkeiten, erklärte das deutsche Mülltrennungssystem und führte sie in örtliche Vereine ein. Sogar seine Familie wurde Ansprechpartner für die Beiden. Außerdem stellte Janner eine Betriebswohnung für Ana, Kevin und drei weitere Azubis aus dem Projekt zur Verfügung. Auch im nächsten Jahr möchte er weitere Auszubildende aus Mittelamerika aufnehmen, sieht sich aber mit der Herausforderung konfrontiert, geeigneten Wohnraum zu finden.
Die Wohnungseinrichtung, den Sprachkurs, den Flug von El Salvador nach Deutschland und auch einen Führerschein, all das finanziert Janner selbst. Er betont, dass die salvadorianischen Azubis diese Kosten selbst nicht tragen können, da viele von ihnen aus ärmlichen Verhältnissen stammen. Trotz anfänglicher Bedenken ist Janner mit dem Projekt sehr zufrieden. Er lobt die gute Vorbildung und hohe Lernbereitschaft von Ana und Kevin. Zwölf Jahre Schule, davon zwei Jahre mit dem Schwerpunkt Elektro, außerdem einen Deutschkurs am Goetheinstitut mit B1-Niveau haben beide vorzuweisen. Angesichts des Lerneifers und der Freundlichkeit der Beiden arbeitet auch sein Team sehr gern mit den Salvadorianern zusammen.
Von Pakistan nach Gerolstein
Christian Pohs, Prokurist der Landbäckerei Roden in Gerolstein, hat einen innovativen Weg gefunden, um neue Auszubildende zu gewinnen. Zwei junge Männer aus Pakistan begannen im August 2023 ihre Bäckerausbildung in seinem Betrieb. Vom Bäckerverband und auch von der örtlichen Handwerkskammer gab es anfangs skeptische Äußerungen. Doch seit fünf Jahren hatte der Betrieb keinen Azubi mehr für die Backstube finden können. Der unkonventionelle Rekrutierungsprozess begann mit einer pakistanischen Minijobberin, die Pohs durch ihre hervorragenden Deutschkenntnisse und Arbeitseinstellung auffiel. Über sie entstand der Kontakt zu einem ehemaligen Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Islamabad, der jetzt eine Deutschschule betreibt und pakistanische Schüler auf das B1-Sprachniveau vorbereitet und sie bei Bewerbungen für Ausbildungen in Deutschland unterstützt. Sein Traum ist es, eine Win-Win-Situation für beide Seiten zu schaffen, ohne dafür eine Vermittlungsgebühr zu verlangen.
Pohs führte die Vorstellungsgespräche per Videokonferenz. Um die Visaanforderungen zu erfüllen, bietet die Bäckerei eine erhöhte Ausbildungsvergütung und zusätzliche Leistungen wie das Deutschlandticket an. Trotz anfänglicher Skepsis in der Branche ist Pohs mit dem Verlauf der Ausbildung und den neuen Azubis sehr zufrieden. Er sieht dies als vielversprechende Lösung für den langjährigen Mangel an Nachwuchs in seiner Backstube.
Quelle: www.deutsche-handwerks-zeitung.de, Pressemitteilung vom 24.Juni 2024