Europäische Union: Kompromiss zum Lieferkettengesetz gefunden
Nach wochenlangem Ringen ist der Weg für ein gemeinsames europäisches Lieferkettengesetz frei. Die EU-Botschafter der Mitgliedstaaten nahmen am 15. März in Brüssel einen neuen Kompromissvorschlag an. Damit wurde die Grundlage geschaffen, um das Dossier noch bis zur Europawahl im Juni abzuschließen. Das Gesetz soll dafür sorgen, dass europäische Unternehmen die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten sicherstellen – also auch bei ihren Lieferanten. Europäische Unternehmen müssen künftig dokumentieren, dass von ihnen importierte Produkte aus Drittländern dort nicht zu Kinderarbeit oder Umweltschäden führen. Eine Reihe von Staaten, allen voran Deutschland, hatte das Gesetz lange blockiert. Um die Gegner des Gesetzes doch noch zur Zustimmung zu bewegen, hatte die belgische EU-Ratspräsidentschaft, die seit Anfang des Jahres die Geschäfte im Ministerrat führt, den Gesetzesvorschlag in den vergangenen Wochen immer wieder angepasst.
Der jetzige Kompromiss sieht weniger strenge Regeln vor als der ursprüngliche.
Durch Anhebung der Schwellenwerte wurde die Zahl der vom EU-Lieferkettengesetz betroffenen Unternehmen stark reduziert. Die Schwelle, von der an Unternehmen unter die neuen Regeln fallen, liegt nun nicht mehr bei 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro, sondern bei 1000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehr als 450 Millionen Euro. Gelten sollen diese Schwellen für diese Unternehmensgröße nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren; bereits ab 2027 müssen Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und über 1,5 Milliarden EUR Umsatz die Vorgaben einhalten. Die für Hochrisikosektoren wie Textil oder Rohstoffförderung ursprünglich vorgesehenen niedrigeren Schwellen entfallen komplett.
Beim deutschen Lieferkettengesetz liegt die Schwelle auch bei 1000 Mitarbeitern, jedoch gibt es keine Umsatzschwelle. Deutschland muss sein nationales Gesetz an die EU-Vorgaben anpassen, sobald diese endgültig verabschiedet sind. Anders als im deutschen Gesetz sieht das EU-Gesetz vor, dass die Unternehmen ihre gesamte Lieferkette mit allen Zulieferern auf Verstöße gegen die Menschen- und Arbeitsrechte und den Umweltschutz durchforsten. Die Kontrolle von Umweltverstößen ist verglichen mit dem deutschen Lieferkettengesetz ebenfalls strenger. Klagen können nach dem belgischen Kompromiss auch Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen, sofern sie das direkt im Namen von Opfern tun.
Weniger Belastung durch risikobasierten Ansatz
Da ein risikobasierter Ansatz gilt, wird die Belastung durch Kontrollen jedoch verringert. Sitzt ein Zulieferer etwa in Dänemark, ist faktisch keine Prüfung nötig, anders als beispielsweise bei einem Zuliefersitz im Kongo. Ursprünglich sollten die Kontrollen die Absatzkette auch "downstream" bis hin zur Abfallentsorgung überprüfen. Das gilt nun nur noch für die direkten Abnehmer.
Kompromiss birgt dennoch unkalkulierbare Risiken für Handwerksbetriebe.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) sieht den neuen Kompromissvorschlag als "übereilt, unausgereift und nicht hilfreich" an, mit Auswirkungen gerade für kleinere und mittlere Handwerksbetriebe. Ein kleiner Lichtblick seien zwar die deutlich höheren Schwellenwerte und die Streichung der Einstufung der Baubranche als Hochrisikosektor. Der Kompromiss berge aber viele Unsicherheiten und "unkalkulierbare Risiken für die Handwerksbetriebe, die sich als Zulieferer oder Dienstleister in den Wertschöpfungsketten größerer Unternehmen befinden". Obgleich der risikobasierte Ansatz im Text verankert werden konnte, bleibt es eine Frage der Auslegung, ob in Deutschland tätige Betriebe geprüft werden müssen oder nicht.
Quellen: www.faz.net, Pressemitteilung 15. März 2024;
www.euractiv.de, Pressemitteilung 15. März 2024;
www.zdh.de, Pressemitteilung 15. März 2024