Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), kurz Lieferkettengesetz, gilt seit 2023 und verpflichtet Unternehmen mit mind. 3.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Inland (ab 2024 mit mind. 1.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Inland) menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten zu beachten. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wie Handwerksbetriebe unterliegen nicht unmittelbar den gesetzlichen Regelungen des LkSG. KMU sind jedoch oft Zulieferer von Unternehmen, die unter das Gesetz fallen. Diese Unternehmen brauchen häufig ihre mittelständischen Partner zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten und fordern diese dann zur Zusammenarbeit in der Lieferkette auf. Die in der Folge möglicherweise auf die Handwerksbetriebe zukommenden und aus dem LkSG resultierenden Dokumentations- und Berichtspflichten sind mit bürokratischem Mehraufwand verbunden.
Betriebe vor Bürokratie schützen!
Immer häufiger erhalten auch kleine handwerkliche Zulieferer von ihren industriellen Auftraggebern umfangreiche Fragebögen bzw. Verhaltenskodizes (Codes of Conduct) zum LkSG, mit denen verpflichtete Großunternehmen ihre Auskunfts- und Berichtspflichten auf ihre gesamte Zuliefererkette abwälzen – unabhängig davon, ob es sich um einen Zulieferer in Deutschland oder in Entwicklungs- und Schwellenländer handelt. Handwerkliche Zulieferer, die nach deutschen Recht und Gesetz tätig sind, verstehen weder den Nutzen noch die Notwendigkeit solcher Verhaltenskodizes.
Auch wenn es derzeit keine rechtliche Handhabe gegen überzogene Fragenkataloge oder Maßnahmen auf Basis des LkSG gibt, sollten verpflichtete Unternehmen in einem ersten Schritt prüfen, in welchen Bereichen ihrer Lieferketten überhaupt relevante Risiken bestehen und somit Handwerksbetriebe im Regelfall außenvorbleiben. Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, künftig stärker eine angemessene Vorgehensweise bei der Überprüfung der Lieferkette, die auch die Größe und Machtstellung handwerklicher Zulieferer in den Blick nimmt, zu berücksichtigen:
Handwerksbetriebe dürfen nicht sachlich und bürokratisch überfordert werden.
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), die für die Umsetzung und Kontrolle der LkSG-Verpflichtungen zuständige Stelle, hat einen FAQ-Katalog mit den wichtigsten Fragen und Antworten für KMU und kompakte Hinweise zur Zusammenarbeit in der Lieferkette veröffentlicht. Dies hilft KMU, die nicht unter das LkSG fallen, aber dennoch mit dem Gesetz in Berührung kommen:
Die wichtigsten Fragen und Antworten für Handwerksbetriebe
Das BAFA hat auch eine ausführliche Handreichung zur Zusammenarbeit in der Lieferkette zwischen verpflichtenden Unternehmen und ihren Zulieferern vorgelegt. Hierin werden wie bei den FAQs Fragen zum Umgang mit Zulieferern durch vom Gesetz unmittelbar erfasste Unternehmen ausführlich diskutiert.
EU-Lieferkettenrichtlinie: Risikobasierter Ansatz
Am 24.05.2024 wurde der Gesetzgebungsprozess zur EU-Lieferkettenrichtlinie mit der Annahme im Wettbewerbsfähigkeitsrat formal abgeschlossen. Die Richtlinie wurde am 05.07.2024 im EU-Amtsblatt veröffentlicht und tritt am 26.07.2024 in Kraft. Die Umsetzung auf nationaler Ebene erfolgt stufenweise. Bei der Umsetzung der Richtlinie und der Formulierung der Leitlinien ist es entscheidend, dass der risikobasierte Ansatz verankert wird.
Anwendungsbereich und Umsetzungsfristen der EU-Lieferkettenrichtlinie in den EU-Mitgliedstaaten (Artikel 2 und Artikel 37)
- Ab 26.07.2027: Anwendung auf Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz i.H.v. 1.5 Mrd €.
- Ab 26.07.2028: Anwendung auf Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz i.H.v. 900 Mio. €.
- Ab 26.07.2029: Anwendung auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz i.H.v. 450 Mio. €.
Weitere, für das Handwerk bedeutsame Artikel
Artikel 3: Erfasste Aktivitäten
Erfasst sind Aktivitäten in den Wertschöpfungsketten. Die vorgelagerten Tätigkeiten beziehen sich auf die Produktion von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich der Entwicklung, Gewinnung, Beschaffung, Herstellung, Beförderung, Lagerung und Lieferung von Rohstoffen, Produkten oder Teilen von Produkten und der Entwicklung des Produkts oder der Dienstleistung.
Die nachgelagerten Tätigkeiten in der Aktivitätenkette umfassen den Vertrieb, Transport sowie die Lagerung eines Produktes des Unternehmens. Die Entsorgung ist dagegen ausgenommen. Außerdem ist zu beachten, dass bei nachgelagerten Tätigkeiten die Sorgfaltspflichten auf direkte Geschäftspartner beschränkt sind. Nachgelagerte Tätigkeiten des Finanzsektors (Kreditvergabe etc.) fallen ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich.
Artikel 10: KMU-Unterstützung
In Artikel 10 Abs. 2 e) ist vorgesehen, dass KMU gezielte und angemessene Unterstützung erhalten sollen, wenn sie Geschäftspartner eines verpflichteten Unternehmens sind. Allerdings sind die vorgesehenen Unterstützungsmaßnahmen begrenzt und beziehen sich auf den Zugang zu Kapazitätsaufbau, Schulungen oder die Modernisierung von Managementsystemen. Eine finanzielle Unterstützung ist nur für den Fall vorgesehen, dass durch die Verpflichtungen des KMU eine Insolvenz verursacht wird oder droht.
Artikel 3 und Artikel 19: Risikofaktoren
In Artikel 19 Absatz 2 d) ist vorgesehen, dass die EU-Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und Sozialpartnern Leitlinien für die Bewertung der Risikofaktoren erarbeitet. Sie sollen die Unternehmen bei der Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten oder die Behörden der Mitgliedstaaten bei der Bewertung in der Praxis unterstützen. Die Risikofaktoren beziehen sich auf:
- Die Unternehmensebene
- Die Geschäftstätigkeit
- Geografische und kontextbezogene Risikofaktoren
- Produkte und Dienstleistungen
- Branchenspezifische Risikofaktoren sowie
- Risikofaktoren im Zusammenhang mit Konflikt- und Hochrisikogebieten.
Zur Entlastung der Handwerksbetriebe wird es entscheidend darauf ankommen, dass bezüglich der geografischen Risiken den rein europäischen Lieferketten in den Leitlinien ein geringes Risiko beigemessen wird.
Artikel 27: Sanktionen
Mitgliedstaaten müssen mindestens zwei Sanktionsarten festlegen (darunter Zwangsgelder), die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen. Zwangsgelder sind auf der Grundlage des weltweiten Nettoumsatzes zu berechnen (Abs. 3). Die Höchstgrenze der Geldbußen beträgt 5 Prozent des weltweiten Nettoumsatzes im jeweiligen Geschäftsjahr.
Artikel 29: Zivilrechtliche Haftung
Im Vergleich zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) stellt die in der CS3D vorgesehene zivilrechtliche Haftung eine erhebliche Verschärfung dar. Allerdings wird in der CS3D im Wesentlichen auf die Haftung gemäß nationalen Haftungssystemen verwiesen. Als Zulieferer müssen Handwerksbetriebe beispielsweise für selbst verschuldete Schäden haften. Für Schäden, die von ihren Geschäftspartnern in den Aktivitätsketten verursacht werden und daher nur in indirektem Zusammenhang stehen, sollen die Betriebe allerdings nicht haftbar sein.
Artikel 31: Vergabe
Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass öffentliche Auftraggeber Nachhaltigkeitsstandards bei der Vergabe von Aufträgen berücksichtigen können.
Artikel 36: Umsetzungsbericht
Artikel 36 Abs. 2 sieht vor, dass die EU-Kommission dem EU-Parlament und dem Rat 6 Jahre nach Inkrafttreten einen Umsetzungsbericht vorlegt, der insbesondere die Auswirkungen von CS3D auf KMU und die Wirksamkeit der KMU-Unterstützungsmaßnahmen bewertet (Abs 2 a).