Natürliche Mixturen: Geheimnis des Kirchenmaler-Farbeimers
Fabienne von der Hocht ist Kirchenmalerin, und das mit großer Leidenschaft. Das Erstaunen über ihr Handwerk kennt sie, denn eine Ausbildung in der Fachrichtung „Kirchenmalerei und Denkmalpflege“ im Maler- und Lackiererhandwerk wird in Deutschland nur in einigen wenigen Bundesländern angeboten. Ihren Meistertitel hat von der Hocht in Bayern erworben.
Wie kommt eine junge Frau zu diesem ausgefallenen Metier? Der Malerberuf liegt durchaus nahe, stammt sie doch aus einer Familie, in der vor ihr bereits fünf Generationen Maler waren. Die Gründung des ersten Malerbetriebs von der Hocht in Krefeld fand vor über 120 Jahren statt. Solche Tradition kann verpflichtend sein. „Aber mein Vater hat mir alle Freiheit gelassen und mich nicht in seinen Beruf gedrängt“, erinnert sie sich. Nach dem Abitur ist ein Studium für sie nicht unbedingt die erste Wahl. „Ich war im Leistungskurs Kunst, hatte Freude an Kunstgeschichte und künstlerischer Arbeit.“ Etwas Praktisches, das sich mit ihrem kreativen Talent verbinden lässt, das könnte ihr gefallen. Sie macht sich schlau, was es neben dem Malerberuf „noch so geben könnte“. Und wird auf die Kirchenmalerei aufmerksam.
"Kirchenmaler nehmen ihre Farben niemals aus dem Eimern der Industrie."
Denn der Zufall will es, dass die Malerinnung München ihren Großvater zu einer Tagung für Kirchenmaler und Restauratoren nach Schloss Nymphenburg einlädt, er den Termin aber nicht wahrnehmen kann. Stattdessen fahren sie und ihr Vater. Was sie dort erlebt, gefällt ihr. Von der Hocht lernt ihren künftigen Ausbilder Reiner Neubauer kennen: Gleich nach dem Abitur beginnt sie, fern der rheinischen Heimat, in den „Neubauer Restaurierungswerkstätten“ am Chiemsee ihre Ausbildung zur Kirchenmalerin.
Altäre, Kanzeln und Kirchenbänke, Orgeln, Skulpturen, Gewölbe und Kirchenfassaden, das sind von
nun an ihre Arbeitsgebiete. Aber auch nicht sakrale Bauwerke durch fachgerechte Sicherung, Restaurierung, Konservierung und – wo sinnvoll – Rekonstruktion vor dem Verfall zu schützen, verstehen Kirchenmaler als Schwerpunkt ihres Wirkens. Tätigkeiten, die höchste Sorgfalt und Präzision, aber auch sehr gute Kenntnis alter Techniken und historischer Rezepturen sowie kunstgeschichtliches Wissen voraussetzen.
„Kirchenmaler nehmen ihre Farben niemals aus den Eimern der Industrie, sondern rühren sie nach historischen Vorbildern und aus natürlichen Rohstoffen selbst an.“ Das ist der jungen Meisterin ganz wichtig. „In meinem Kopf ist eine prächtige Sammlung an Rezepten für die Herstellung von Farben wie Kalktünche oder Öl- und Mineralfarben mit natürlichen Bindemitteln und Pigmenten entstanden“, unterstreicht sie selbstbewusst. „Und wir arbeiten mit der Bürste, niemals mit der Rolle.“ – Auch das ein wichtiges Merkmal, das sie von herkömmlichen Malern und Lackierern unterscheidet.
Nach der Gesellenprüfung macht von der Hocht noch gleich den Meister an der Meisterschule für Vergolder und Kirchenmaler in München. Dafür bleibt sie ein weiteres Jahr in Bayern. Während der Vorbereitung auf die Meisterprüfung lernt sie Denkmalpflege, Vergolden und historische Malertechniken.
Ihr Meisterstück: die Figur der heiligen Appollonia von Alexandria
Ihr Meisterstück: die Gestaltung einer Figur der heiligen Apollonia von Alexandria. Der Figur aus Lindenholz verleiht sie das faszinierende, auf geheimnisvolle Weise wie von innen heraus leuchtende, strahlend farbige Aussehen. Dabei setzt sie die unterschiedlichsten Techniken ein, die sie inzwischen beherrscht – vom Selbstanmischen aller Farben über das Beschichten mit Blattgold und -silber bis zum Versiegeln mit historischen Lacken. Mit dem Ergebnis ist sie sehr zufrieden. „Eine tolle handwerkliche Arbeit“, so sieht es auch die Prüfungskommission. Ihre Meisterprüfung besteht sie nicht nur mit einem sehr guten Ergebnis, sondern wird dafür auch mit dem „Meisterpreis der Bayerischen Staatsregierung“ ausgezeichnet.
Zurück am Niederrhein, hat Fabienne von der Hocht seit 2014 weiter praktische Erfahrungen gesammelt: jedes Jahr an der Restaurierung einer Kirche mitgewirkt, Fassaden von denkmalgeschützten Gebäuden gestaltet. Die spätgotische Kreuzherrenkirche in Düsseldorf gehört zu den Objekten sakraler Architektur, an deren Instandsetzung sie mitarbeitet, aber auch das Wappen des Bischofshauses in Essen.
Eine Herausforderung der besonderen Art war die Wiederherstellung einer Statue des zeitgenössischen Bildhauers Stephan Balkenhol. Die fast drei Meter große Figur aus Zedernholz hatte in 20 Jahren auf dem Dach einer Krefelder Klinik reichlich Flechten und Moos angesetzt. Als „Mann mit grünem Hemd und grauer Hose“ war die Skulptur gar nicht mehr erkennbar. „Den riesigen Kerl habe ich erst mal mit dem Hochdruckreiniger gründlich sauber gemacht. Dann Risse gekittet und schließlich wieder Farben, natürlich nach Originalrezepturen selbst angemischt, in drei Schichten aufgetragen.
Die Situation auf der Baustelle als Frau unter lauter Männern ist von der Hocht gewohnt. Bei den Kirchenmalern gehe es da eigentlich sehr „harmonisch“ zu, lächelt sie. In ihrem Beruf hat sie die Zusammenarbeit zwischen Männern und Frauen jedenfalls nie als kompliziert erlebt. „Wenn man kompetent ist und sein Handwerk beherrscht, gibt es keine Probleme“, weiß sie. Weder mit Kollegen noch mit Architekten, beispielsweise bei Baubesprechungen.
Nun ist die begabte Handwerkerinsich ihre eigene, auf ihre Person und ihre Interessen ausgerichtete Existenz neu aufzubauen. Ihre eigene Firma hat sie schon in die Handwerksrolle eintragen lassen. Der Name ist Programm: Mein Unikat für Dich. Kreativ, individuell und auf den einzelnen Kunden zugeschnitten sollen ihre Arbeiten künftig sein, im Umfang eher kleiner.
Von der Hocht will sich ganz darauf konzentrieren, was ihr besonders liegt: Wandmalereien restaurieren, Kunstgegenständen, Bilderrahmen und sakralen Ausstattungen mithilfe ihrer fachlichen Kenntnisse und historischen Techniken wieder ihren ursprünglichen Glanz verleihen, handwerklich besonders anspruchsvolle Oberflächen mit Blattmetall oder mittels Mineralspachteltechniken gestalten, schöne alte Möbel nach Kundenwunsch „upcyceln“.
„Zu sehen, was man selbst mit eigenen Händen geschaffen hat, ist etwas Großartiges.“ Sie bedauert, dass sich so wenige junge Menschen für ein Handwerk interessieren, sich oft nicht trauen, ihren Neigungen zu folgen. „Ich bin stolz, Handwerkerin zu sein. Das ist einfach ein gutes Gefühl“, sagt sie und strahlt.
Diese Story erschien zuerst im Geschäftsbericht "Werkstatt 2019" der Handwerkskammer Düsseldorf mit dem Schwerpunktthema "In Frauenhand".