Ausbildung stärken. Ausbildungsbetriebe dauerhaft entlasten.
Übermäßige Ausbildungskosten in Kleinsbetrieben
Die betriebliche Ausbildung in Deutschland wird maßgeblich durch Klein- und Kleinstbetriebe getragen. 83 Prozent der Ausbildungsbetriebe zählen zu dieser Unternehmensgröße. Auch im Handwerk hatten 2017 knapp 60 Prozent aller Betriebe weniger als 5 Beschäftigte und weitere 21 Prozent zwischen 5 und 9 Mitarbeiter. Insbesondere diese Betriebe sind jedoch nach einer aktuellen Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB Report 1/2020) von einer zunehmenden finanziellen Belastung während der Ausbildung betroffen. Die Nettoausbildungskosten nach Abzug der von den Auszubildenden erwirtschafteten Beträge sind demnach in Betrieben bis 9 Mitarbeiter von 2007 bis 2017/18 um 70 Prozent auf 6.168 Euro Nettoausbildungskosten im Jahr angestiegen und damit signifikant höher als in allen anderen Betriebsgrößenklassen.
Mit der Einführung der Mindestausbildungsvergütung zum 01.01.2020 ist mit einer weiteren deutlichen Erhöhung der Bruttoausbildungskosten in Relation zur geringen Mitarbeiterzahl insbesondere in Klein- und Kleinstbetrieben zu rechnen. Nach einer Berechnung des BIBB (BIBB Report 4/2018) sind ab dem kommenden Jahr 25 Prozent der Betriebe mit bis zu 9 Beschäftigten von der Mindestausbildungsvergütung und dementsprechend von einer weiteren und z.T. erheblichen Kostensteigerung betroffen.
Angesichts dieser steigenden finanziellen Belastung von ausbildenden Kleinstbetrieben droht ein verstärkter Rückzug. Aber Deutschland braucht dauerhaft mehr Auszubildende und Fachkräfte. Eine nachhaltige finanzielle Entlastung muss deshalb dringend in den Fokus bildungspolitischen Handelns gerückt werden.
Wie entlastet werden kann
Um gezielt eine höhere Ausbildungsbereitschaft und Ausbildungsleistung der Kleinstbetriebe zu erreichen, können die folgenden Vorschläge zur finanziellen Entlastung zu diesem bildungspolitischen Ziel einen Beitrag leisten:
Entlastung von Betrieben durch eine Drittelfinanzierung der Überbetrieblichen Unterweisung auf Basis von Ist-Kosten
Ausbildungsbetriebe im Handwerk tragen mittlerweile ca. 60 Prozent der Kosten der überbetrieblichen Unterweisung (ÜLU) als wesentlichen Bestandteil einer handwerklichen Ausbildung, obwohl eine „Drittelfinanzierung“ jeweils durch Bund, Land und Betrieb vorgesehen ist. Denn die Zuschüsse von Bund und Ländern bemessen sich nicht an den tatsächlich entstehenden Kosten, sondern an vom BMWi anerkannten „Sollkosten“. Gemessen an den tatsächlichen entstehenden bundesdurchschnittlichen Kosten trägt der Bund rund 21 Prozent und übernehmen die Länder ca. 17 Prozent.
Zur Entlastung der Betriebe sind die Zuschüsse des Bundes und der Länder schrittweise an eine Drittelfinanzierung auf Ist-Kosten-Basis bei Lehrgängen und Unterkünften anzupassen.
Darüber hinaus ist künftig eine Dynamisierung der Zuschüsse erforderlich, um den steigenden Kosten bei der Durchführung der ÜLU Rechnung zu tragen.
Entlastung von Betrieben durch kostenfreie Familienversicherung von Auszubildenden in der Kranken- und Pflegeversicherung
Derzeit ist für Auszubildende ein durchschnittlicher Krankenversicherungsbeitrag von 15,7 Prozent zzgl. 3,05 Prozent Pflegeversicherungsbeitrag (= 18,75 Prozent) zu entrichten. Diesen müssen Ausbildungsbetriebe und Auszubildende jeweils hälftig finanzieren. Um diese Kosten zu senken, sollten zukünftig Auszubildende – ebenso wie Studierende – über die Eltern in der Kranken- und Pflegeversicherung kostenfrei mitversichert werden. Die Einführung einer solchen beitragsfreien Familienversicherung für alle würde zu einer deutlichen finanziellen Entlastung von Auszubildenden und Ausbildungsbetrieben führen.