Ausbildungsqualität im Handwerk: Lerndefizite als Herausforderung
Die Ausbildungsbetriebe des Handwerks leisten einen entscheidenden Beitrag für die Integration heterogener Zielgruppen in die berufliche Ausbildung und den Arbeitsmarkt. Die Folgen der Pandemie stellen das betriebliche Ausbildungsengagement zunehmend vor große Herausforderungen. Ergänzend zu den Unterstützungsangeboten der Handwerksorganisation besteht bildungspolitischer Handlungsbedarf, um Lerndefizite auszugleichen und den Ausbildungserfolg zu gewährleisten.
Zunehmende Herausforderungen durch Lernrückstände
Die vorwiegend familiengeprägten Ausbildungsbetriebe im Handwerk geben auch leistungsschwächeren jungen Menschen eine Ausbildungschance und damit eine nachhaltige Perspektive auf dem Ausbildungsmarkt. So haben trotz eines deutlichen Trends zu höheren Schulabschlüssen 39,5 Prozent der Ausbildungsanfängerinnen und -anfänger im Handwerk höchstens einen Hauptschulabschluss und 42,3 Prozent einen mittleren Schulabschluss. Gleichzeitig nimmt der Anteil der Abiturientinnen und Abiturienten unter den Ausbildungsstartern zu und betrug zuletzt 16,7 Prozent. Diese zunehmende Heterogenität der Auszubildenden stellt eine Herausforderung für die Ausbildungsqualität von Klein- und Kleinstausbildungsbetrieben dar. Aufgrund vermehrt heterogener Zielgruppen unter den Auszubildenden und steigender Förderbedarfe müssen Ausbildungsbetriebe wachsende Integrations- und Unterstützungsleistungen erbringen. Aktuelle Schulleistungsstudien und Lernstandsergebnisse zeigen gravierende Lernrückstände von Schülerinnen und Schülern in Grundkompetenzen wie Lesen und Mathematik u.a. als Folgen der pandemiebedingten Schulschließungen. Eine an den Talenten und Interessen der Schulabsolventinnen und -absolventen ausgerichtete Wahl eines Ausbildungsberufs ist aufgrund ausgefallener Berufsorientierungsmaßnahmen beeinträchtigt worden. Diese demografischen, schulischen und gesellschaftlichen Entwicklungen stellen insbesondere Klein- und Kleinstausbildungsbetriebe vor komplexe personelle und finanzielle Herausforderungen, die die Umsetzung einer erfolgreichen und qualitativ hochwertigen Ausbildung erschweren.
Unterstützungsleistung der Handwerksorganisation
Qualität ist dem Handwerk nicht nur bei seinen Produkten und Dienstleistungen, sondern als beschäftigungsintensiver Wirtschaftsbereich insbesondere auch bei der Ausbildung seines Fachkräftenachwuchses wichtig. Handwerkskammern und Zentralfachverbände des Handwerks halten zur Unterstützung einer hohen Ausbildungsqualität in den Handwerksbetrieben beispielsweise folgende Angebote vor:
- Bereitstellung von Materialien, Leitfäden und Handreichungen zur Gewinnung und Bindung von Auszubildenden,
- Eine aufsuchende Betriebsberatung und Initiativen zur Qualitätssicherung - insbesondere der „prima Ausbildungsqualität (primAQ)“ der Zentralstelle für Weiterbildung im Handwerk und der Handwerkskammer Hannover,
- Weiterbildungsangebote/Workshops für Ausbilderinnen und Ausbilder, Ausbilderfrühstücke und -stammtische sowie Schulungen von ausbildenden Gesellinnen und Gesellen zur Kommunikation und Anleitung in der Ausbildung,
- die Unterstützung bei einer Intensivierung der Zusammenarbeit mit Innungen, Lehrlingswarten und Lehrlingswartinnen zu aktuellen Rechts- und Beratungsthemen,
- ein externes Ausbildungsmanagement (EXAM) zur administrativen Entlastung von Ausbildungsbetrieben sowie
- Sprechstunden und Workshops für Auszubildende.
Bildungspolitischer Handlungsbedarf
Um eine hohe Ausbildungsqualität zu gewährleisten und den Ausbildungserfolg sicherzustellen, auch bei steigenden Anforderungen, braucht es über das Engagement der Ausbildungsbetriebe und der Handwerksorganisation hinaus weitere bildungspolitische Unterstützungsleistungen durch die Bundesregierung:
- Die ausbildungsvorbereitenden und ausbildungsbegleitenden Instrumente Einstiegsqualifizierung und Assistierte Ausbildung flexibel (AsAflex) sind flächendeckend anzubieten, verstärkt zu bewerben und anzuwenden.
- Das erfolgreiche ehrenamtliche Mentorenprogramms VerA zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen ist über die aktuelle Förderperiode hinaus zu verstetigen.
- Die Ausbildungsberatung ist durch die Gestaltung und Förderung von Fortbildungsprogrammen zu stärken.
- Durch die Einführung von Ausbildungsqualitätsberaterinnen und Ausbildungsberatern ist die proaktive Beratung von Kleinst- und Kleinausbildungsbetrieben zu unterstützen.
- Zur Unterstützung des Prüfungserfolgs sind Prüfungsvorbereitungskurse zu fördern.