Kreislaufwirtschaft – Handwerk ist maßgeblicher Akteur
Hintergrund
Einen zweiten Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft hat die Europäische Kommission am 11. März 2020 vorgestellt. Er gilt als wichtiger Baustein des europäischen Green-Deals, um bis 2050 ein klimaneutrales Europa zu schaffen und gleichzeitig Potenziale für Wachstum und Beschäftigung zu heben. Hinsichtlich der anstehenden wirtschaftlichen Erholungsphase nach der Corona-Krise sind gerade letztgenannte Aspekte aktuell von großer Bedeutung.
Der erste Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft aus dem Jahr 2015 enthielt 54 Maßnahmen, die weitgehend abgearbeitet wurden. Die Zielvorgaben bei der Vermeidung von Abfall wurden laut EU-Kommission aber nicht erfüllt. Die Abfallströme – insbesondere im Bausektor und bei Verpackungen – sind bis zuletzt gestiegen. Das Recycling von Abfällen hat insgesamt zwar zugenommen, dennoch werden lediglich 12 Prozent des Rohstoffbedarfs in der EU derzeit durch Recyclingmaterialien abgedeckt. Mit ihrem zweiten Aktionsplan will die Kommission deshalb die Themen Abfallvermeidung, Wiederverwendung und eine längere Nutzung von Produkten in den Mittelpunkt rücken. Neue Bauwerke sollen nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und unter Berücksichtigung des Lebenszyklusansatzes errichtet werden.
Bewertung
Das Handwerk hat eine lange Nachhaltigkeitstradition. Der ZDH zeigt in seinem Positionspapier „Werte erschaffen. Werte bewahren. Zukunft gestalten.“ die Vielschichtigkeit des Themas in der betrieblichen Praxis auf. So agieren Betriebe als Produzenten, als Reparaturdienstleister, als Endverbraucher und sind ein maßgeblicher Akteur der Kreislaufwirtschaft. Der Übergang vom linearen zum kreislauforientierten Wirtschaftsmodell bietet aus ökonomischer wie ökologischer Sicht viele Potenziale, die es gezielt auszuschöpfen gilt. Wichtig ist dabei, dass die Rahmenbedingungen sachgerecht und praxisorientiert ausgestaltet werden. Nur so können die Vorteile einer Kreislaufwirtschaft genutzt und die für Handwerksbetriebe belastenden Faktoren frühzeitig abgewendet werden.
KMU beteiligen
Das Handwerk bietet vielfältige Lösungen zur Abfallvermeidung und Wiederverwendung an, etwa in den Bereichen Textil, Gesundheit, Gebäudereinigung, Lebensmittelhandwerk oder Hygiene. Der Fokus des Kommissions-Aktionsplans liegt allerdings auf großen Industriebetrieben, schwerpunktmäßig aus den Bereichen Chemikalien und Textil. Daher muss die Beteiligung von KMU-Verbänden – insbesondere jenen des Handwerks – bei der Entwicklung von Sektorstrategien dringend sichergestellt werden. Gerade Verbote – etwa von Verpackungsmaterialien – müssen hinsichtlich ihrer Wirkung auf KMU genau geprüft werden.
Reparieren statt wegwerfen
Deutsche Handwerksbetriebe erzielen bereits jetzt sechs Prozent ihres Umsatzes mit Reparaturdienstleistungen. Hier können weitere Potenziale gehoben werden. Europapolitische Initiativen zur Verbesserung von Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten können wichtige Impulse setzen, dürfen aber gleichzeitig nicht über das Ziel hinausschießen und müssen beispielsweise unverhältnismäßige Auflagen bei Einzelanfertigungen abwenden. Zudem ist eine Diskussion darüber erforderlich, was der Kunde beim Kauf erwirbt. Derzeit erwirbt er zwar das Produkt, nicht aber zwangsläufig die für eine Reparatur erforderlichen Daten.
Bürokratie vermeiden
Bürokratie ist in Form von unverhältnismäßigen Nachweis- und Dokumentationspflichten entlang der gesamten Lieferkette für Handwerksbetriebe problematisch. Zugleich leistet eine Ausweitung dieser Auflagen auf Handwerksbetriebe keinen positiven Beitrag zur Kreislaufwirtschaft. Deshalb dürfen Dokumentations- und Informationspflichten entlang der Lieferkette nur mit großem Bedacht eingeführt werden. Insbesondere Nischenprodukte und Einzelanfertigungen dürfen nicht den gleichen Berichtsanforderungen unterliegen wie Massenprodukte.
Darüber hinaus gilt es, bei der Anwendung des sog. „ökologischen Fußabdrucks“ (PEF) für KMU auf Freiwilligkeit zu setzen. Für jene Betriebe, die einen Einstieg wünschen, muss dieser so barrierearm wie möglich gestaltbar sein. Die Arbeiten der Kommission an einem KMU-Instrument zur vereinfachten Berechnung des PEF sollten daher zeitnah erfolgreich abgeschlossen werden.
Kosten im Blick haben
Für den Bausektor zieht die Kommission höhere Verwertungsquoten in Betracht. Bauwerke sollen instandgehalten und repariert und ihre Bestandteile später wiederverwendet werden können. Dazu brauchen wir in Europa einen verlässlichen Rahmen, damit mehr wiedergewonnene Rohstoffe sicher eingesetzt und von den Marktteilnehmern entsprechende Produkte nachgefragt werden. Die Ausweitung von Verwertungsauflagen treibt überdies die Kosten am Bau weiter in die Höhe, Anforderungen zur getrennten Erfassung von Baustoffen sind mit hohem Aufwand verbunden und sollten hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit genau geprüft werden. Auch bei der im Green-Deal angekündigten Renovierungswelle müssen diese Aspekte bereits berücksichtigt und das Vorhaben KMU-gerecht ausgestaltet werden.