Maut: Sachgerechte Ausnahmen für Handwerksbetriebe zulassen
Hintergrund
Die EU-Kommission plant, alle Nutzfahrzeuge über 3,5 Tonnen in streckenabhängige Mautsysteme einzubeziehen. Hierfür sollen die aktuell noch gegebenen nationalen Ausnahmemöglichkeiten gestrichen werden, die Deutschland bisher für Fahrzeuge zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen nutzt. Das EU-Parlament hatte Ende 2018 in seinem Beschluss den Kommissionvorschlag noch ausgeweitet und vorgeschlagen, auch Fahrzeuge unter 3,5 Tonnen z.B. über zeitabhängige Tarife (Staumaut) zusätzlich in die Mautberechnung einzubeziehen.
Sachstand
Derzeit laufen die Trilogverhandlungen zwischen Rat, Europaparlament und EU-Kommission. Nach etwa zweijährigen Verhandlungen haben im Dezember 2020 die EU-Verkehrsminister unter Führung der deutschen Ratspräsidentschaft eine Ratseinigung erzielt, die sich positiv von den Vorschlägen von EU-Kommission und Europaparlament abhebt. Demnach soll es entsprechend dem neuen Artikel 7 Absatz 5 (ii) für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, für Fahrzeuge im Bereich von 3,5 bis 7,5 Tonnen Ausnahmen oder ermäßigte Maut- und Nutzungsgebühren zu gewähren. Transporte in diesem Bereich sollen von der Mautpflicht ausgenommen werden können, wenn die Fahrzeuge dazu genutzt werden, Material, Ausrüstungen oder Maschinen zu befördern, die der Fahrer zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit benötigt. Dazu gehört auch die Auslieferung handwerklich hergestellter Güter. Diese Ausnahmetatbestände ließen sich vergleichbar mit dem Tachographenrecht oder der Berufskraftfahrerqualifikation bei Bedarf in der Kontrollpraxis leicht prüfen.
Bewertung
Eine pauschale Ausdehnung der Maut auf den Bereich zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen würde vor allem zulasten von regional tätigen mittelständischen Handwerksunternehmen gehen. Gerade im ländlichen Raum sind häufig längere Anfahrtswege zu den Kunden erforderlich. Das Handwerk steht zu seiner Verantwortung zum Klimaschutz, die Betriebe modernisieren ihre Fahrzeugflotten kontinuierlich. Streckenbezogene Mautsysteme können im Handwerk jedoch keine weitere Lenkungswirkung entfalten, da die Betriebe ihre Transporte weder auf andere Verkehrsträger verlagern noch unnötige Wege vermeiden können. Hinzu kommt das im europäischen Vergleich überdurchschnittlich große deutsche Mautnetz, das auch Bundesstraßen umfasst. Würden alle Fahrzeuge zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen einer Mautpflicht unterzogen, würde das die Kosten gerade für die regional tätigen Handwerksbetriebe spürbar erhöhen und dringend nötige Sanierungsarbeiten verteuern.
Zum Erhalt der Verkehrsinfrastrukturen trägt das regional ansässige Handwerk mit seinen Fahrzeugen zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen bereits durch seine Steuerleistung angemessen bei. Handwerkerinnen und Handwerker unternehmen Fahrten allein deshalb, um zur Baustelle bzw. zum Kunden zu gelangen, dort einen Auftrag auszuführen und anschließend wieder zurückzufahren. Eine Konkurrenzsituation zum Transportgewerbe besteht seitens des Handwerks nicht.
Was zu tun ist
Von einer zusätzlichen streckenbezogenen Maut für Handwerksbetriebe ist abzusehen. Die im Rat erzielte Ausnahmeoption in Art. 7 Absatz 5 (ii) für Fahrzeuge von Handwerksunternehmen zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen muss erhalten bleiben.
Insbesondere angesichts aktueller Herausforderungen wie Wohnungsbau und energetische Sanierung muss alles dafür getan werden, dass sich Handwerkerleistungen nicht verteuern. Der im EU-Parlament ebenfalls diskutierte Vorschlag, den Mautbereich gar auf leichte Nutzfahrzeuge zwischen 2,4 und 3,5 Tonnen auszuweiten, würde die Betroffenheit des Handwerks zusätzlich verstärken. Sollte es doch zu einer zusätzlichen Ausweitung kommen, müssten die oben genannten Ausnahmeregeln auch für diese leichteren Fahrzeuge gelten.