Nachhaltige und mittelstandsgerechte Verkehrspolitik in Städten
Hintergrund
In immer mehr Städten, Gemeinden und Metropolregionen werden derzeit Konzepte für eine nachhaltige Mobilitätspolitik diskutiert. Ziel ist die stadtverträglichere und emissionsärmere Organisation von Personen- und Güterverkehren. Wesentliche Antriebsfedern zur Aufstellung von neuen Verkehrskonzepten sind:
- Die Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Verkehrssektor zur Erfüllung der deutschen und europäischen Klimaschutzvorgaben,
- die weitere Verminderung der Luftschadstoffe (vor allem in Bezug auf NO2),
- die stadt- und umweltgerechte Bewältigung der gerade in wachsenden Ballungsräumen zunehmenden privaten und gewerblichen Verkehre sowie
- die Verbesserung der Lebensqualität in den Städten und Gemeinden.
Im Rahmen von lokalen Luftreinhaltepolitiken, Verkehrsentwicklungsplanungen und „Green City“-Konzepten werden diese Fragestellungen bereits intensiv behandelt – vielfach unter Beteiligung der regionalen Handwerksorganisationen.
Zur Flankierung dieser Diskussionsprozesse hat das Präsidium des ZDH am 12. Februar 2020 ein Positionspapier „Handwerk und Zukunft der Mobilität“ mit Argumentationslinien für eine nachhaltige und mittelstandsgerechte Verkehrspolitik in Städten, Gemeinden und Regionen beschlossen.
Sachstand und Bewertung
Die aktuellen Diskussionen sind für das Handwerk von großer Bedeutung, da sie unmittelbare Auswirkungen auf die Mobilität der Betriebe vor Ort haben. So werden teils weitreichende Einschränkungen der Zugänglichkeit der Innenstädte für private oder gewerbliche Fahrzeuge, umfassende Verbote für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren oder langfristig komplett autofreie Innenstädte erwogen.
Das Handwerk unterstützt die weitere Reduzierung von Schadstoff- und Treibhausgasemissionen und die Verbesserung der Qualität der Innenstädte als Orte zum Leben und Arbeiten. Da die wachsenden Verkehrsprobleme die Mobilität des Handwerks in Ballungsräumen beeinträchtigen, sind verkehrspolitische Maßnahmen dringend notwendig, um die Belieferung und Zugänglichkeit der Unternehmensstandorte sowie die Erreichbarkeit der Kunden sicherzustellen.
Alle verkehrspolitischen Maßnahmen sind zielorientiert und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit umzusetzen. Angebotserweiterungen für umweltverträgliche Verkehrsmittel müssen Vorrang vor Verboten haben. Zentrale Ansätze sind der massive und langfristig gesicherte Ausbau des ÖPNV und des Radverkehrs sowie eine intelligente Verkehrs- und Parkraumsteuerung.
Handwerksbetriebe bleiben auf eigene, multifunktional und flexibel einsetzbare Fahrzeuge angewiesen. Eine „letzte Meile“, die separat über Logistiksysteme organisierbar wäre, gibt es im Handwerk nicht. Das Handwerksfahrzeug als „mobile Werkstatt“ und „fahrbares Ersatzteillager“ muss die Kunden und Baustellen in den Innenstädten weiterhin erreichen können. Das Handwerk ist offen für Debatten über einzelne verkehrsberuhigte bzw. autoreduzierte Bereiche und die bessere Organisation von privaten Stellplätzen, um an Hauptstraßen effizientere Bus-, Rad- und Wirtschaftsverkehre zu erreichen. Komplett autofreie Städte sind aber weder realistisch noch zielführend.
Was zu tun ist
Zentrales Ziel ist die Sicherung lebenswerter und gleichzeitig wirtschaftlich leistungsfähiger Gemeinden, die für das Handwerk zugänglich bleiben und in denen die Kunden die Betriebsstandorte erreichen können. Den unterschiedlichen Verkehrsträgern – ÖPNV, Fahrrad, Pkw und Nutzfahrzeug – ist im Hinblick auf ihre Stärken in einzelnen Stadträumen ihre spezifische Aufgabenerfüllung zu ermöglichen. Der individuelle Kraftfahrzeugverkehr muss angesichts des begrenzten Stadtraums in Teilen auf ÖPNV und Fahrrad verlagert werden, er muss emissionsärmer werden – aber er ist für bestimmte Nutzergruppen in den Städten und insbesondere in ländlichen Räumen nicht gänzlich zu ersetzen.
Das Handwerk intensiviert massiv die Fuhrparkmodernisierung: Von der Filternachrüstung im Bestand und der Beschaffung von schadstoffarmen Dieselfahrzeugen der neuesten Norm, die für schwere Transporte und Spezialmaschinen zurzeit die optimale Wahl sind, über Elektromobile in immer mehr betrieblichen Einsatzfeldern bis hin zu Lastenrädern. Die Mitarbeitermobilität sollte von den Verkehrsverbünden durch mittelstandsgerechte Job- und Azubi-Tickets unterstützt werden. Die Städte können durch Lade-/Arbeitszonen und Handwerkparkausweise zur stadtverträglichen Auftragserbringung beitragen.
Erhalt und Lebensfähigkeit von Handwerk in den Innenstädten tragen zur „Stadt der kurzen Wege“ bei. Die örtliche Politik sollte die Verkehrsbedürfnisse des Handwerks und seine große Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Städte, für den umwelt- und klimagerechten Umbau und für die Einführung umweltschonender Fahrzeugtechniken noch stärker in den Verkehrskonzeptionen berücksichtigen. Das Handwerk, die „Wirtschaftsmacht. Von Nebenan“ ist und bleibt vor diesem Hintergrund ein wichtiger Partner der Verkehrspolitik.