Handwerksberufe sterben nicht aus!
Handwerksberufe verändern sich seit Jahrhunderten nach den aktuellen Gegebenheiten. So findet selbst alte Handwerkskunst immer wieder zu einem Comeback, zurzeit z.B. die händische Fertigung von Schuhen, oder die Arbeit der/des Modistin/en.
Niemand wird mehr Werkzeuge von Hand feilen, er findet keine Abnehmer dafür. In der Ausbildung wird der Feinwerkmechaniker dennoch die Handarbeit erlernen, um ein Gefühl für die Arbeit und die Werkstoffe zu bekommen. Danach lernt er, CNC-gesteuerte Maschinen zu bedienen, die mit der heute erforderlichen Genauigkeit Werkzeuge für den Maschinen- und Arbeitsroboterbau fertigen. Ist der Beruf "ausgestorben"? Bestimmt nicht, er ist mit der Zeit gegangen.
Handwerk ist nie "alt"
"Was wäre die Welt ohne das Handwerk?", fragte die Imagekampagne des Handwerks in ihrem ersten Jahr 2010. Der Kino- und Fernsehspot dazu hat gezeigt: Es gibt auf der Welt nichts Älteres als unser Handwerk. Schon im "alten" Ägypten wurden Seiler, Steinmetze, Zimmerleute, Bierbrauer, Goldschmiede oder Töpfer gebraucht. Die gibt es auch heute noch. 4.000 Jahre später! Die Seiler sind nur nicht mehr für die Seile zum Bau der Pyramiden zuständig – sie erstellen jetzt Seile für Hochleistungskräne, Hängebrücken oder Rennyachten. Und könnten durchaus ein paar Auszubildende jedes Jahr mehr finden. Die Brauer arbeiten mit modernen Anlagen und Methoden. Viele Zimmerleute haben computergesteuerte Maschinen, die sich High-Tech-Material wie von Zauberhand selbsttätig aus dem Lager holen und den Zuschneideauftrag komplett alleine abarbeiten.
Handwerk ist also nie "alt", sondern ewig jung. Handwerk arbeitet immer für den Kunden von heute. Andere Zimmerleute lernen die alten Techniken und Materialien kennen, um als Restauratoren den historischen Gebäudebestand erhalten zu können. Welch' ein Spagat – in einem Berufsbild!
Exzellente Qualität "made in Germany"
Mit den traditionellen Techniken der Handwerke werden auch heute all die schönen Dinge individuell gefertigt, die so zu einem Spiegel des Geschmacks und Stils eines Kunden werden.
Es gibt Dinge, die in Deutschland hergestellt werden, in exzellenter Qualität, die vermissen die meisten Leute ihr Leben lang nicht. Andere dagegen schwören darauf. Der eine hat in seiner Küche Messer aus dem Kaufhaus und glaubt an die Marke, der andere hat sie von einer Messermanufaktur bezogen und kennt womöglich den Messerschmied persönlich. Der eine kauft sein neues Rad im Großmarkt, der andere holt es persönlich von der Manufaktur ab – es ist auf seine Körpergröße abgestimmt, sein Nutzungsverhalten, seinen Schönheitssinn. Handwerker "machen" ihren Markt – und dabei hilft ihnen auch das Internet, Kunden zu finden.
In historischen Filmen wird oft auch das Lebensgefühl einer anderen Zeit lebendig, eine junge Generation verliebt sich vielleicht in die schicken Attribute: maßgeschneiderte Anzüge und Kleider, handgefertigte Hüte, individuell angepasste feine Schuhe. Das Handwerk spürt so etwas schnell – jüngere Kunden werden, statt Marken im Internet zu bestellen, auch die Kunst der Schneider, Modisten und Schuhmacher ausprobieren. Und erfahren, dass ihr Geld im Handwerk gut angelegt ist. Denn wer ein tolles Kleid oder einen eleganten Anzug trägt, gewinnt immer.
Nischenprodukt: "analoge Berufe"
Die Handwerksorganisationen tun alles dafür, Ausbildung auch in Nischenberufen zu erhalten und schaffen so die Grundlage dafür, das Wissen um die Techniken dieser Berufe zu erhalten und weiterzugeben. So haben sich beispielsweise alle Berufe rund um Textilien auch in Deutschland gehalten. Sie sind unter der Berufsbezeichnung Textilgestalter/in im Handwerk zusammengefasst worden. Am Ende der dreijährigen Ausbildung spezialisieren sich die jungen Fachkräfte – auf das Posamentieren, das Filzen, Klöppeln, Sticken, Stricken oder Weben. Und katholische Pfarrer und Bischöfe oder Traditionsvereine finden so weiterhin "ihre" Hersteller für festliches Ornat oder besonders schöne traditionelle Trachten und Fahnen.
Einen Sprung in die Moderne mussten dagegen alle Druckberufe unternehmen – die Berufe wurden komplett der digitalen Welt angepasst. In den 70er Jahren gab es in jedem Zeitungshaus noch Schriftsetzer, die Bleilettern gossen, Metteure, die sie in schwere, metallene "Schiffe" stellten, wurden Druckfahnen gezogen und von Korrektoren kontrolliert, der Schluss-Redakteur musste die spiegelverkehrte Schrift im Schiff lesen können und überzähligen Satz kürzen oder "Löcher" aufgrund eines fehlerhaften Seitenspiegels stopfen. Es wurde eine Mater gepresst, aus der der Druckzylinder hergestellt wurde, und dann ging es an den Druck. Heute wird das meiste davon bereits am Redaktionscomputer erledigt. Diese (analogen) Berufe finden Sie nur noch in der Nische der Einladungen oder Hochzeitszeitungen usw. – wenn es eben besonders hochwertig sein soll. Oder im Technikmuseum. Die analoge Welt ist abgelöst durch die digitale Welt. Das Handwerk hat sich mit seinen Berufen angepasst.
Die Statistiken zeigen zudem: Die Nische bleibt attraktiv. Eine Handvoll Auszubildender reicht, um das Wissen weiterzugeben. Manchmal reicht schon ein Betrieb, der Kunden etwas Besonderes erfolgreich anbietet, um einen Beruf zu erhalten – etwa feine Handschuhe, möglich mit einer Ausbildung zum Sattler, Fachrichtung Feintäschnerei. Handwerk ist auch für den Erhalt von wertvollen Kulturgütern zuständig und gibt alte Handwerkstechniken als immaterielles Kulturerbe an nächste Generationen weiter – daher gibt es weiterhin Anstrengungen, beispielsweise den Beruf des Geigen- oder des Orgelbauers zu erhalten. Mit Erfolg. Auch wenn mancher Azubi aus Korea oder Japan stammt.
Regionales Handwerk bleibt stark
Allen Handwerksberufen ist gemein, dass sie individuelle, qualitativ hochwertige Lösungen, Dienstleistungen oder Produkte für die Anforderungen des Kunden anbieten. In ein und demselben Beruf können traditionelle Materialien und Techniken angewandt werden – oder computergesteuerte Maschinen Materialien aus einzigartigen neuen Kunststoffen verarbeiten. Um noch einmal die Imagekampagne des Handwerks zu zitieren: "Ein typischer Handwerksbetrieb ist kein typischer Handwerksbetrieb."
Dank dem Schaufenster Internet können auch kleinere, traditionell oder regional produzierende Handwerksbetriebe einfach mit Kunden weltweit kommunizieren. Spielzeug- oder Weihnachtsschmuckhersteller aus dem Erzgebirge bleiben lebendige Berufe – dank der Internetverkäufe weltweit. Auch sächsischer Stollen wird von Bäckern zu Weihnachten hunderttausendfach in die USA versandt.
Starkes regionales Handwerk wird attraktiv für den Nachwuchs bleiben.