"Wir brauchen mehr Menschen, die sich was zutrauen!"
Was hat dich zur Ausbildung bewegt?
Richtig entwickelt hat sich das in der 10. Klasse: Ich habe vorm Abi verschiedene Praktika rund um das Thema „Bau“ gemacht, wo ich zum Beispiel in Planungs- und Architekturbüros konkret mit dem Thema zu tun hatte. Für mich war da schnell klar, dass es in die Richtung gehen sollte – und dass ich das auch gerne von der Pike auf lernen möchte.
Warum dann ausgerechnet Fliesenlegen?
Durch unseren Betrieb hatte ich damit die meisten Berührungspunkte. Aber ich bin auch einfach ein Mensch, der immer was Handfestes braucht. Ich muss das sehen, was ich gemacht habe. Und das Fliesenlegen ist ganz einfach eine schöne, gestalterische Arbeit, die trotzdem funktional ist. Bei einem tollen Badezimmer etwa sehen auch Kunden direkt, was ich geleistet habe, und freuen sich dann über meine Arbeit, die sie dann für 20, 30 Jahre nutzen.
Stichwort Leistung: Du hast deine Ausbildung als eine der landesbesten in Brandenburg abgeschlossen und dich dadurch für den PLW qualifiziert – was hat dich motiviert, dabei mitzumachen?
Für mich war das eher eine Selbstverständlichkeit, denn einerseits bekommt man die Chance nur einmal, auf der anderen Seite ist es auch eine Ehre, daran teilnehmen zu dürfen. Mein Ziel war deswegen auch nie, irgendeinen Platz zu belegen, sondern mir einfach selbst zu beweisen, was ich kann und wie gut ich im Vergleich zu anderen dastehe.
In den Wettbewerb bin ich ja auch ein bisschen als Außenseiterin reingekommen. Durch meinen Freund, der 2019 am PLW teilgenommen hat, und meinen Vater hatte ich viel Unterstützung, aber die Techniken, Übungen und Aufgaben musste ich mir schon selbst erarbeiten.
Aber funktioniert hat es ja, du hast 2021 den Wettbewerb gewonnen!
Und das macht mich natürlich stolz! Auch, weil es beweist, dass ich wirklich ein Talent dafür habe, was der PLW-Sieg nochmal zeigt. Aber egal, ob ich gewonnen hätte oder nicht: Die Erinnerungen, die bleiben, und dieser ganze Wettbewerb, das ganze Drumherum war einfach aufregend.
Nach dem PLW hast du auch dein Bauingenieur-Studium abgeschlossen, jetzt willst du noch einen Meisterkurs starten – warum?
Ich hatte und habe einfach Interesse daran, das Baugewerbe als Gesamtsystem zu betrachten: Aktuell haben wir zum Beispiel eine ziemlich große Baustelle, nämlich ein Altenheim mit über 100 Zimmern, die gebaut werden wollen. Wie viele Gewerke da vor Ort arbeiten, kann man sich von außen vielleicht gar nicht vorstellen – aber für das Management so einer Baustelle ist es extrem wichtig, dass man auch Verständnis für die anderen Berufe hat, damit das Zusammenspiel funktioniert. Du kannst da nicht dein eigenes Ding durchziehen, denn da kommt keiner weiter: Es braucht ein gutes Zusammenspiel!
Das Bauingenieur-Studium hilft mir persönlich dabei, eine Art „bauliches Allgemeinwissen“ zu entwickeln, damit ich besser verstehen kann, was der Zimmerer oder der Maurer jetzt gerade braucht. Sich viel Wissen anzueignen, hilft dabei, ernst genommen zu werden. Klar, man muss auch ein bisschen gucken, wie man sich als Frau auf der Baustelle positioniert – aber wenn man lernbereit ist, kann man sich natürlich eine gute Position erarbeiten und schnell fester Bestandteil des Teams werden.
Du hast das Thema Bauleitung und Management schon angesprochen. Ist es dann auch dein Ziel, mal den Familienbetrieb zu übernehmen?
Auf jeden Fall! Deswegen habe ich auch in unserem Familienbetrieb gelernt: Dadurch war ich als Azubi schon viel stärker in viele Prozesse eingebunden und konnte in ganz viele Bereiche reinschnuppern.
Denn um einen Betrieb zu übernehmen, ist es natürlich wichtig, dass man sich neben dem Fachlichen auch mit Betriebswirtschaft oder Projektsteuerung auskennt – aber in der Praxis zählt ja noch viel mehr: Wie komme ich an Großaufträge? Wie trete ich Kunden oder Architekten gegenüber? Wie schafft man es eben, unterschiedliche Gewerke und Menschen zusammenzubringen, damit Projekte fertiggestellt werden? Das sind Dinge, die man nur lernen kann, indem man sie macht.
Das klingt nach sehr viel Arbeit.
Ist es auch – aber es macht auch richtig viel Spaß! Für mich ist es so ein attraktiver Beruf, weil er sehr gebraucht ist. Und ich kann etwas, was nicht jeder kann. Ich glaube auch, dass mehr Leute in so einem Beruf aufgehen würden, weil es für viele Menschen wichtig ist, dass ihre Arbeit angesehen ist und einen echten Mehrwert hat. Und klar: Du hast immer das Erfolgserlebnis, weil du deine Arbeit wirklich sehen kannst. Gerade bei jungen Menschen, die man ja auch motivieren muss, zieht es schon ganz gut, wenn man sagen kann: Wahnsinn, du hast das und das geschafft, guck dir das an! Das ist das Schöne am Handwerk: Du kannst deine Arbeit festhalten und anderen zeigen.
Bist du deswegen auch so motiviert, für das Handwerk zu werben?
Genau, ich hatte schon immer Interesse daran, das Handwerk zu präsentieren, damit es bekannter wird und andere Leute einen besseren Eindruck davon bekommen. Und natürlich auch, um andere zu motivieren, den Weg ins Handwerk zu gehen.
Da habe ich auch ein eigenes Interesse dran, weil wir im Betrieb natürlich auch immer Auszubildende suchen. Daher versuche ich auch nicht unbedingt, nur die Mädels zu motivieren, sondern wirklich alle jungen Leute: Wir brauchen mehr Menschen, die sich was zutrauen! Deswegen bin ich auch dafür, dass man nicht nur am PC nach Ausbildungsplätzen googelt.
Was würdest du anderen jungen Menschen dann raten, wenn sie über eine Ausbildung nachdenken, sich aber noch unsicher sind?
Ich glaube, man muss sich erst mal überlegen, was man eigentlich für ein Typ ist: Packe ich gern an, arbeite ich gern praktisch und mache Sachen selbst? Oder bin ich eher jemand, der lieber im Büro sitzt und theoretisch arbeitet? Und dann sollte ich die Initiative ergreifen und nicht nur auf die Praktika in der Schule warten, um möglichst viele Berufe auszuprobieren. Nur so kann ich herausfinden, welcher Job mir wirklich Spaß macht – und wenn du den Beruf gefunden hast, hast du doch eigentlich alles erreicht!
Und darum lohnt es sich, mit einer Ausbildung im Handwerk durchzustarten?
Absolut. Wenn du die Ausbildung erst mal in der Tasche hast, kannst du dich ja immer noch weiterbilden, aber der Ausbildungsstart hilft Dir erst einmal, deinen Platz zu finden. Letztendlich baut ja jeder sein eigenes Leben und man muss selbst beurteilen können, ob man mit sich im Reinen ist, ob man gute Zukunftschancen hat und ob man in seinen Beruf wirklich aufgeht. Das Handwerk bietet da ganz viele Chancen, weil du dich viel weiterentwickeln kannst – ob du nun deinen Meistertitel machst und in die Selbstständigkeit gehst oder später vielleicht doch mal in der Planung unterwegs bist. Was du gelernt hast, hast du gelernt, das ist ein bisschen wie Fahrradfahren: Einen Handwerksberuf kann dir keiner mehr nehmen.