Die "drei großen D" – Demografie, Digitalisierung, Dekarbonisierung – haben direkte Auswirkungen auf die gegenwärtige und zukünftige Arbeitskräftenachfrage. So ist das Handwerk maßgeblich bei der Umsetzung der klima- und wohnungsbaupolitischen Transformation gefordert. Und das in einer Zeit, in der die demografische Entwicklung und der bildungspolitische Irrweg vergangener Jahre mit einer Bevorzugung der akademischen Bildung gegenüber der betrieblichen Aus- und beruflichen Fortbildung den handwerklichen Arbeitsmarkt belasten. Nach Berechnungen des Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) gibt es bereits seit 2015 mehr offene Stellen in handwerklichen Berufen als arbeitslose Handwerkerinnen und Handwerker. Insgesamt sind derzeit geschätzt rund 250.000 Stellen im Handwerk offen.
Die Fachkräftelücke in Zahlen
Diese Fachkräftelücke wird sich voraussichtlich in den kommenden Jahren zum einen wegen der demografischen Entwicklung und zum anderen des weiter anhaltenden Dranges zum Studium weiter vergrößern.
Maßnahmen zur Fachkräftesicherung
Nur mit ausreichenden Fachkräften können Handwerksbetriebe erfolgreich sein. Die Berufsbildungs- und Arbeitsmarktpolitik stehen in der Verantwortung, Rahmenbedingungen insbesondere für die kleinen und mittelständischen Unternehmen des Handwerks zu setzen, die die Entfaltung unternehmerischer Kreativität und Innovationskraft stärken, statt sie zu beeinträchtigen. Das Handwerk muss als originärer Umsetzer von Energiewende, Klimaschutz und Nachhaltigkeit einbezogen werden, wenn es darum geht, einschlägige Strategien und Instrumente zu gestalten. Das Handwerk ist eine personalintensive Wirtschaftsbranche. Für Handwerksbetriebe ist daher eine zentrale Erfolgsvoraussetzung und Grundlage für die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland, dass der Fachkräftebedarf gedeckt wird.
Berufliche Bildung schafft die Fachkräftebasis
Zur Fachkräftesicherung trägt das Handwerk über den strategischen Ansatz der Aus-, Fort- und Weiterbildung in quantitativer und qualitativer Form mit großem Einsatz der Handwerksbetriebe und gesamten Handwerksorganisation bei. Das Handwerk bietet eine qualitativ hochwertige, gerade auch den aktuellen Transformationserfordernissen entsprechende Aus-, Fort- und Weiterbildung. Auch Personen, die keinen beziehungsweise keinen verwertbaren beruflichen Abschluss haben (sogenannte Geringqualifizierte), können über flexible Qualifizierungswege im Handwerk in den Arbeitsmarkt integriert werden. Neben dem Königsweg der dualen Erstausbildung sind hier berufsabschlussorientierte Teilqualifizierungen, Umschulungen und Anpassungsqualifizierungen flexible Instrumente der beruflichen Weiterbildung.
Dennoch haben sich die Rekrutierungsschwierigkeiten der Handwerksbetriebe in den letzten zehn Jahren verschärft. Zurückzuführen ist diese Entwicklung auf den demografischen Wandel und ein sich zunehmend veränderndes Bildungswahlverhalten einschließlich einer steigenden Studierneigung.
Die Fachkräftesicherung ist eine zentrale bildungspolitische Herausforderung für die Bundesregierung und die jeweiligen Landesregierungen. Daher muss der beruflichen Bildung im politischen Handeln eine höhere Wertigkeit eingeräumt werden. Dafür braucht es eine Bildungswende. In der Folge gilt es bildungspolitische Maßnahmen in den Blick zu nehmen, die zum einen die Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung herstellen und zum anderen die Betriebe bei der Ausbildung im Handwerk unterstützen.
In Kürze...
- In der Berufsorientierung Informationen zu den Chancen und Optionen der beruflichen Bildung zum festen Bestandteil machen und dies an allen allgemeinbildenden Schulen – insbesondere auch in der gymnasialen Oberstufe - stärken.
- Die Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung gesetzlich verankern.
- Berufliche und akademische Bildung gleichwertig behandeln (zum Beispiel Exellenzstrategie, Begabtenförderung).
- Ausbildungsbetriebe entlasten und Berufsbildungsstätten weiter stärken.
Flankierende Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik
Auch wenn Handwerksbetriebe einen Großteil ihres Fachkräftebedarfs durch berufliche Aus- und Fortbildung decken, kann und muss seitens der Arbeitsmarktpolitik der Transformationsprozess dahingehend unterstützt werden, dass offene Arbeitsplätze möglichst zeitnah durch verfügbare Fachkräfte besetzt werden können. Es sind geeignete arbeitsmarktpolitische Instrumente zu prüfen, die beispielsweise den Beschäftigungsübergang von industriellen Fachkräften, die Aktivierung von Arbeitslosen und Arbeitsmarktintegration von Migranten und Geflüchteten erleichtert.
Im Handwerk steigt das Interesse an der Beschäftigung ausländischer Fachkräfte. Zuwanderungen können den anwachsenden Fachkräftebedarf zumindest teilweise und dabei zugleich auch relativ zeitnah decken. Das seit 2023 novellierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) verspricht für das Handwerk zahlreiche gute Ansätze, um Hürden aus dem Weg zu räumen und den Zuzug von ausländischen Fachkräften nach Deutschland zu erleichtern.
In Kürze...
- Transformationsbedingte Beschäftigungsübergänge von industriellen Fachkräften unterstützen.
- Unterstützungen und Beratungsleistungen noch mehr auf die Bedürfnisse kleiner Betriebe ausrichten.
- individuelle Betreuung, Beratung und gezielte Vermittlung von (Langzeit-)Arbeitslosen
- Maßnahmen zur Integration von Menschen mit einem Migrationshintergrund in den deutschen Arbeitsmarkt intensivieren (Sprachkurse, schulische Qualifizierung)
- Maßnahmen zur Integration von geflüchteten Menschen
- Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) zügig umsetzen.