Validierung von langjähriger Berufserfahrung
Um Menschen ohne Berufsabschluss neue Wege zur Einmündung in das Berufsbildungssystem und zur beruflichen Entwicklung zu eröffnen, wurde mit dem Berufsbildungsvalidierungs- und-digitalisierungsgesetz (BVaDiG) eine rechtliche Grundlage für Validierungsverfahren durch Kammern in Deutschland geschaffen. Damit können neue Fachkräftepotenziale für das Handwerk erschlossen und Beschäftigte im Handwerk in ihrer beruflichen Entwicklung unterstützt werden.
Häufige Fragen und Antworten
- Was regelt das BVaDiG?
- Was ist mit Berufsvalidierung gemeint?
- Wer kann an Berufsvalidierungsverfahren teilnehmen?
- Für welche Zielgruppe gelten bei der Berufsvalidierung besondere Bestimmungen?
- Warum ist die Validierung von Berufserfahrung sinnvoll?
- Kann die Validierung eine Konkurrenz zur dualen Berufsausbildung darstellen?
- Wie kann man ein Validierungszertifikat nutzen?
- Welche handwerksrechtlichen Folgen sind nicht mit dem Validierungszertifikat verbunden?
- Wer stellt in einem Validierungsverfahren die Berufskompetenz fest und wie geschieht dies?
- Wer trägt die Kosten der Verfahren?
- Gibt es Erfahrungen mit Validierung?
Was regelt das BVaDiG?
Jahrelange Berufserfahrungen von Handwerkerinnen und Handwerker ohne Berufsabschluss werden auf Antrag von Handwerkskammern in einem geregelten Verfahren am Maßstab eines Ausbildungsberufs bewertet. Im Validierungsverfahren wird die im Arbeitsleben erworbene berufliche Handlungsfähigkeit durch erfahrene Prüferinnen und Prüfen mit der beruflichen Handlungsfähigkeit von ausgebildeten Fachkräften im jeweiligen Ausbildungsberuf verglichen.
Die Regelungen des Gesetzes gelten nicht nur für handwerkliche Ausbildungsberufe, sondern auch für Berufe aus dem Bereich Industrie und Handel, Landwirtschaft und der freien Berufe. Auf Grundlage des BVaDiG wurden neue Vorschriften über die Feststellung und Bescheinigung der individuellen beruflichen Handlungsfähigkeit in die Handwerksordnung (§§ 41b ff. HwO) und in das Berufsbildungsgesetz (§§ 50b BBiG) aufgenommen.
Was ist mit Berufsvalidierung gemeint?
Berufsvalidierung ist ein Verfahren, mit dem berufserfahrene Menschen ohne Abschluss ihre Berufskompetenzen anhand eines anerkannten Standards bewerten lassen können. Der Standard für die Berufsvalidierung ist die Ausbildungsordnung des jeweiligen Berufs.
Für Fortbildungsabschlüsse, insbesondere für die Meisterqualifikation, gibt es keine Berufsvalidierung.
Durch die Validierung kann man eine formale Bescheinigung der Handwerkskammer über das, was man im Beruf kann, erhalten. Das Zertifikat weist aus, in welchem Umfang die beruflichen Erfahrungen zu einer beruflichen Handlungsfähigkeit geführt haben, die mit den Kompetenzen von Gesellen und Gesellinnen des Berufs vergleichbar ist. Je nach Erfolg im Verfahren wird eine vollständige oder nur eine überwiegende Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit attestiert. Dies geschieht im Falle der vollständigen Vergleichbarkeit durch ein Zeugnis der Handwerkskammer, bei überwiegender Vergleichbarkeit durch einen Bescheid der Handwerkskammer, der transparent macht, welche Teile des Berufsbildes ausgeübt werden können.
Durch die Berufsvalidierung kann kein Berufsabschluss erworben werden. Die Teilnehmenden erhalten kein Gesellenprüfungszeugnis.
Wer kann an Berufsvalidierungsverfahren teilnehmen?
Beschäftigte, die jahrelang im Handwerksbetrieb tätig waren und mindestens 25 Jahre alt sind, sind die Zielgruppe für die Berufsvalidierungsverfahren. Diese Handwerkerinnen und Handwerker müssen im Betrieb breit und umfassend eingesetzt worden sein. Zugang zu dem Verfahren hat nur, wer im jeweiligen Beruf mindestens überwiegende Teile des Berufsbildes praktisch ausgeübt hat. Reine Aushilfstätigkeiten in begrenztem Umfang eröffnen keinen Zugang zum Verfahren. Die Dauer der Berufstätigkeit muss mindestens das Eineinhalbfache der reguläre Ausbildungsdauer betragen.
Bisherige Projekterfahrungen mit Berufsvalidierungsverfahren haben bei den Teilnehmenden einen Altersdurchschnitt von 40 Jahren und eine durchschnittliche Berufserfahrung von knapp 13 Jahren ergeben.
Für welche Zielgruppe gelten bei der Berufsvalidierung besondere Bestimmungen?
Menschen mit einer nachgewiesenen Behinderung, die aus diesem Grund nicht in der Lage sind, einen Beruf umfassend auszuüben, können ihre berufliche Handlungsfähigkeit auch nur für Teile des Berufsbildes feststellen und bescheinigen lassen. Teilnehmende aus dieser Personengruppe dürfen auch jünger als 25 Jahre sein, da sie auch nicht für eine Berufsausbildung in Betracht kommen.
Im Verfahren haben Menschen mit einer Behinderung die Möglichkeit, sich durch eine Person ihres Vertrauens, die sich mit den Besonderheiten der beruflichen Bildung für Menschen mit Behinderungen auskennt, begleiten zu lassen.
Warum ist die Validierung von Berufserfahrung sinnvoll?
Für langjährig tätige Handwerkerinnen und Handwerker ohne Berufsabschluss gab es bisher kein gezieltes Angebot, um ihre durch langjährige Berufserfahrungen erworbenen Kompetenzen individuell feststellen zu lassen und damit sichtbar zu machen.
Die Validierung von Berufserfahrung hat für Handwerkerinnen und Handwerker mit jahrelangen Berufserfahrungen einen hohen Mehrwert:
- Wenn sie viele Jahre vergleichbare Leistungen wie Gesellen und Gesellinnen erbracht haben, erfahren sie durch ein Validierungsverfahren eine persönliche Stärkung und können danach oftmals höherwertige Tätigkeiten im Handwerksbetrieb ausüben (betriebliche Personalentwicklung).
- Die Validierung kann auch der Einstieg in die Personalweiterbildung, z. B. mit dem Ziel der Externenprüfung, sein. Mit einer Externenprüfung kann der Gesellenabschluss erworben werden.
Handwerksbetriebe nutzen die Validierung zur Förderung und Bindung ihrer Beschäftigten. Sie stellt also in Zeiten des Fachkräftebedarfs auch für die Betriebe eine echte Chance dar. Die Berufsvalidierung ist ein zusätzliches Angebot der Handwerkskammern, das Betriebe in der Personalbindung und Personalentwicklung ihrer Beschäftigten unterstützt.
Bisher wird die Feststellung von Berufskompetenzen nur in einem durch freie Bildungsanbieter geprägten, ungeregelten Zertifizierungsmarkt ermöglicht. Die Handwerksorganisation kann durch die neue Zuständigkeit der Handwerkskammern Validierung von Berufserfahrungen in Handwerksberufen qualitätsgesichert, auf der Grundlage der Ausbildungsordnungen selbst durchführen.
Die positiven Effekte der Validierung wurden im Projekt Valikom wissenschaftlich vom Forschungsinstitut für Berufsbildung im Handwerk nachgewiesen: Eine kurze Zusammenfassung.
Kann die Validierung eine Konkurrenz zur dualen Berufsausbildung darstellen?
Nein, dies ist durch die Altersgrenze von 25 Jahren für den Zugang sowie das Erfordernis der langjährigen Berufserfahrung ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat – so, wie es das Handwerk im Gesetzgebungsverfahren politisch gefordert hat – dafür Sorge getragen, dass Validierung die Berufsausbildung nicht verdrängt. Das Angebot schließt vielmehr eine Lücke im Bildungssystem für Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, keinen Abschluss in dem Beruf erworben haben, in welchem sie schon lange arbeiten.
Wie kann man ein Validierungszertifikat nutzen?
Durch ein Validierungszertifikat kann man Anschluss an das Berufsbildungssystem erhalten.
Wer im Verfahren die vollständige Vergleichbarkeit erreicht,
- hat Anspruch auf Zulassung zur Gesellenprüfung als Externer und
- darf an Fortbildungsprüfungen teilnehmen.
- Wer an einer Meisterprüfung in einem zulassungspflichtigen Handwerk teilnehmen möchte, muss allerdings nach dem Validierungsverfahren noch ein weiteres Jahr an einschlägiger Berufserfahrung sammeln.
- Personen, die die vollständige Vergleichbarkeit im Validierungsverfahren erreichen, sind fachlich für die Ausbildung geeignet, sie müssen allerdings ihre berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnisse durch eine zusätzliche und geeignete Prüfung der Ausbildereignung nachweisen.
Wer im Verfahren nur das Ergebnis der überwiegenden Vergleichbarkeit erreicht, hat die Möglichkeit sich für ein Ergänzungsverfahren oder in der Vorbereitung auf die Externenprüfung in den Bildungszentren des Handwerks nachzuqualifizieren.
Darüber hinaus kann man das Validierungszertifikat unmittelbar auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere für Bewerbungen, nutzen. Es sind durch das BVaDiG allerdings keine Lohnansprüche geregelt worden. Die Berücksichtigung eines Validierungszertifikats bei der Lohnfindung ist Sache der Tarifpartner bzw. der Betriebe im Rahmen ihrer Vertragsgestaltungsfreiheit.
Welche handwerksrechtlichen Folgen sind nicht mit dem Validierungszertifikat verbunden?
Über ein Validierungsverfahren erhält man weder einen Gesellen- noch einen Meisterabschluss.
Die Vorschriften über die Eintragung in die Handwerksrolle werden durch das BVaDiG nicht geändert. Mit dem Validierungszertifikat kann man deshalb auch keine Ausnahmebewilligung erhalten.
Wer stellt in einem Validierungsverfahren die Berufskompetenz fest und wie geschieht dies?
Validierungsverfahren werden durch Prüfer und Prüferinnen durchgeführt. Die Prüfer und Prüferinnen kommen aus den Gesellenprüfungsausschüssen der Handwerkskammern oder der Innungen. Die Handwerkskammer stellt für die Verfahren ein berufsspezifisches "Feststellungstandem" aus zwei Personen zusammen. Die Personen müssen aus dem Kreis der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer stammen. Die beiden Personen stellen immer im Wechsel die berufliche Handlungsfähigkeit der Kandidaten oder Kandidatinnen fest. Die andere Person achtet darauf, dass der Prozess regelkonform und fair verläuft.
Qualitätssicherende Grundlage für die Validierung sind die jeweiligen Ausbildungsordnungen. Die berufliche Handlungsfähigkeit ist in Bezug auf alle berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen des jeweiligen Ausbildungsberufs festzustellen. Für Berufe, in den regelmäßig Validierungsverfahren erwartet werden, sind spätestens bis Ende 2026 bundesweite Standards für Feststellungsinstrumente abzustimmen. Die Handwerkskammer binden hierbei Fachverbände und -gewerkschaften ein.
Wer trägt die Kosten der Verfahren?
Das Validierungsverfahren ist eine hoheitliche, gebührenpflichtige Leistung der Handwerkskammern. Die Gebühren für die Verfahren legen die Handwerkskammern in ihren Gebührenordnungen fest. Gebühren und Auslagen sind aufwandsabhängig und müssen deshalb individuell berechnet werden.
Die Kosten trägt der Teilnehmer oder die Teilnehmerin, sofern sie nicht von Dritten übernommen werden. Spezifische Förderprogramme des Bundes oder der Länder für Teilnehmende existieren derzeit nicht.
Gibt es Erfahrungen mit Validierung?
13 Handwerkskammern haben zusammen mit Kammern aus den Bereichen Industrie und Handel und der Landwirtschaft seit mehr als 9 Jahren Validierungsverfahren im vom BMBF geförderten Projekt Valikom erprobt. Insgesamt wurden bis Mai 2024 mehr als 3.500 Verfahren im Projekt durchgeführt.
Die Fachverbände des Handwerks waren in die Prozesse der Grundlagenerstellung für die Verfahren und mit Fachexperten und -expertinnen in der Durchführung involviert. Weitere Informationen finden Sie hier:
- Website des Modellprojekts Valikom: www.valikom.de
- Erklärvideo des Projekts Valikom: https://www.youtube.com/watch?v=CLSpDkQedjw