Bedeutung des Binnenmarkts für das Handwerk
Der EU-Binnenmarkt ist mehr als 30 Jahre alt. Er folgte auf die Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht am 7. Februar 1992 durch die damaligen EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland. Heute umfasst der Binnenmarkt 27 Mitgliedstaaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen, wobei die Schweiz einen teilweisen Zugang hat. Das Vereinigte Königreich gehört seit Kurzem nicht mehr dazu.
Der EU-Binnenmarkt
schafft neue Möglichkeiten für Handwerksbetriebe, Auszubildende sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
schafft gemeinsame Werte und Normen für die Dienst- und Werkleistungen der Handwerkerinnen und Handwerker,
ist auf wirtschaftliches Wachstum und Krisenfestigkeit ausgelegt,
soll nach dem Willen der Mitgliedstaaten helfen, autarker gegenüber den globalen Herausforderungen zu werden,
wird beim europäischen Kampf gegen den Klimawandel wichtiger denn je für die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten in der globalen Welt,
sollte die Geschäftstätigkeit der Handwerksbetriebe und ihrer Mitarbeitenden einfach und bürokratiearm gewährleisten.
Die Rolle des europäischen Binnenmarktes besteht darin, auch Handwerksbetrieben den Zugang zu Zukunftsmärkten und Wertschöpfungsketten zu gewährleisten. Überbordende Bürokratie bei Anzeige-, Dokumentations- und Nachweispflichten gestalten die Kerntätigkeit eines Handwerksbetriebs immer schwieriger. Das Prinzip "Think small first" muss wieder Vorrang haben. Mehr dazu beim Thema Bessere Rechtsetzung.
ZDH-Sonderumfrage: Das Handwerk im EU-Binnenmarkt
Die Erkenntnisse im Überblick
- Handwerksbetriebe haben überwiegend einen regionalen Tätigkeitsschwerpunkt. Je größer der Betrieb, je größer das Interesse am EU-Ausland. Nicht nur deutsche Nachbarländer sind gefragt. Das Handwerk diversifiziert seine Wertschöpfungsketten.
- Die Erleichterungen bei grenzübergreifenden Aktivitäten machen den Binnenmarkt vor allem für kleinere Betriebe attraktiv.
- Die Belastungen, die durch eine Teilnahme am Binnenmarkt entstehen, sind gestiegen.
- Das Risiko hoher Bußgelder bei geringen formalen Verstößen wird von 95 % der Befragten als unangemessen und damit als größte Hürde für grenzüberschreitende Geschäftstätigkeiten wahrgenommen.
- 53 % der Betriebe wünschen sich mehr Harmonisierung der nationalen Vorschriften und Normen (z.B. bei Produktdesign- und Zulassungsanforderungen).
Zukunft des EU-Binnenmarkts
Auf europäischer Ebene muss die Binnenmarkt-Idee aus dem Blickwinkel der Betriebe wiederbelebt und stetig weiterentwickelt werden: Die Mitgliedstaaten haben Ende 2022 die Diskussion über einen wettbewerbsfähigen und resilienten Binnenmarkt wieder aufgenommen. Das EU-Parlament hat im Januar 2023 eine Resolution zu "30 Jahre Binnenmarkt: das Erreichte feiern und auf zukünftige Entwicklungen blicken" angenommen. Die EU-Kommission hat in ihrer "Langfristigen Strategie zur Wettbewerbsfähigkeit nach 2030" die Vertiefung des Binnenmarktes als ein Element für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit hervorgehoben.
Die Potenziale und Bedarfe kleiner und mittlerer, inhabergeführter und meist lokal aktiver Handwerksbetriebe müssen gerade in Zeiten von Krisen und Transformation berücksichtigt werden, damit auch das Handwerk künftig ein Stabilitätsanker im Binnenmarkt sein kann. Eine stetige Weiterentwicklung des Binnenmarkts muss das Ziel sein und seine Rahmenbedingungen mit bedacht werden.
Vorschläge zur Zukunft und Weiterentwicklung des EU-Binnenmarkts liefert der Bericht "Weit mehr als ein Markt"
Der Letta-Bericht wurde im April vom ehemaligen italienischen Ministerpräsident Enrico Letta vorgestellt und ist in die Strategische Agenda 2024-2029 eingeflossen, mit denen die europäischen Staats- und Regierungschefs die politischen Prioritäten der EU festgelegt haben.
In sechs Kapiteln stellt der Letta-Bericht verschiedene Forderungen zur Stärkung des EU-Binnenmarktes auf. Der Fokus auf einen resilienten EU-Binnenmarkt mit guten Standortbedingungen für Unternehmen ist aus ZDH-Sicht zu begrüßen. Überzogene Harmonisierungsbestrebungen anderseits können für Handwerksbetriebe die gegenteilige Wirkung haben und sind abzulehnen.
Ausführliche Details zur Position des ZDH zum Letta-Bericht sind der Stellungnahme entnehmbar.
Den EU-Binnenmarkt handwerksgerecht weiterentwickeln? Unsere Vorschläge im Überblick
Keine nachhaltige Versorgung durch das Handwerk ohne eine stabile Grundversorgung
Weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung im Binnenmarkt
Den EU-Wettbewerbsrahmen gemeinsam mit dem Handwerk ausgestalten
Nur ein stabiles Finanz- und Investitionsumfeld fördert die Handwerkstätigkeit
Resilientes Handwerk braucht verstärkten Fachkräfteaufbau
Weiterführende Informationen
Serviceangebote der EU-Kommission für Unternehmen im EU-Binnenmarkt
Der EU-Binnenmarkt bietet Handwerksbetrieben Chancen zum Aufbau neuer Geschäftsverbindungen. Im Folgenden stellen wir Ihnen die allgemeinen Regeln und Strategien sowie spezielle Serviceangebote vor, die die EU-Kommission für Unternehmen anbietet und weiterentwickelt.
Ihre Rechte und Pflichten in der EU
Das Webportal der EU-Kommission YourEurope ist das Bürger- und Unternehmensportal für die Europäische Union. Sie führt Unternehmen zu den einschlägigen Seiten der EU bis hin zu den nationalen Portalen. Es bietet Betrieben einen Leitfaden für Geschäfte in Europa, egal, ob es um Steuern, Existenzgründung, Handel, Arbeitsverträge, Produktanforderungen, Finanzierungen oder den Umgang mit Kundinnen und Kunden geht.
Spezielle Serviceangebote für kleine und mittelständische Unternehmen
Die EU-Kommission bietet auch auf kleinere Betriebe zugeschnittene Serviceangebote (Tools für KMU) an. Dazu gehören unter anderem
- eine Online-Suchmaschine zur Unterstützung von Unternehmen bei der Suche nach EU-geförderten Darlehen (Access2Finance),
- ein kostenlos bereitgestelltes mehrsprachiges Tool, das Unternehmen in einem benutzerfreundlicheren Format auch ohne Registrierung umfassend über Ein- und Ausfuhr, Steuern, Zölle, Ursprungsregeln, Produktanforderungen, Beschaffung und vieles mehr informiert (Access2Markets),
- eine europäische Plattform für Allianzen, die Industriecluster und Betriebe zusammenbringt (European Cluster Collaboration Platform), auch durch Matching-Treffen,
- ein IPR-Helpdesk, das grenzüberschreitend tätigen Betriebe bei ihren Rechten des geistigen Eigentums hilft,
- Ein Finanzhilfeprogramm "Ideas Powered for business", das kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der EU helfen soll, ihre Rechte des geistigen Eigentums zu schützen,
- Ein KMU-Leitfaden zum Datenschutz mit praktischen Beispielen,
- eine Orientierungshilfe bei der Selbstbewertung des Ursprung Ihrer Produkte (ROSA),
- eine kostenlose Hilfe bei anlassbezogenen Schwierigkeiten bei grenzüberschreitenden Geschäften (SOLVIT),
- eine Online-Datenbank, in der die Zulassungskriterien und erforderlichen Nachweise für eine Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen aufgeführt sind (eCertis),
- eine Datenbank mit öffentlichen Aufträgen innerhalb und außerhalb Europas (Ted),
- eine Toolbox für die Sorgfaltspflichten bei Mineralien und Metallen,
- das Portal "InvestEU" für die Unterstützung der Finanzierung von Unternehmensprojekten.
EU-Unternehmensregister
Das Europäische Unternehmensregister (European Business Register – EBR) ist ein webbasiertes Suchsystem für offizielle Informationen über europäische Unternehmen. Abfragen können über die Webseite erfolgen. Verfügbar sind Information aus den Handelsregistern von 20 Ländern, darunter Deutschland.
SMOT
Im Binnenmarkthindernisportal SMOT können allgemein Probleme bei der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit gemeldet werden. Im Gegensatz zu SOLVIT, über das persönliche Anliegen geklärt werden können, nutzt die EU-Kommission das gesammelte Feedback und zieht daraus Schlüsse für eine bessere Politikgestaltung.
Zusammenfassung der EU-Gesetzgebung
Das Webportal der EU-Kommission EUR-Lex bietet eine Zusammenfassung aller binnenmarktrelevanten Vorschriften und Strategien. Das umfasst Regeln für die Arbeitnehmerfreizügigkeit, Qualifikationen, Sozialschutz, Abkommen mit Drittstaaten, den freien Warenverkehr, die technische Harmonisierung, Marktüberwachung, Produkte, Dienstleistungen, Geistiges Eigentum, Urheberrechte, öffentliches Auftragswesen, Kapitalverkehr und Statistiken sowie Hintergrundinformationen.
Weitere Themen
EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR): Folgen für Betriebe
Mit der EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR), die ab 13. Dezember 2024 EU-weit zu beachten ist, soll gewährleistet werden, dass alle Produkte auf dem EU-Binnenmarkt sicher sind. Auf Handwerksbetriebe einzelner Gewerke kommen neue Verpflichtungen zu.
Handwerk international
Auf dieser Themenseite informieren wir u. a. wie sich die Außenwirtschaft im Handwerk entwickelt, zeigen, wo Handwerksbetriebe Beratung finden und stellen Möglichkeiten vor, die sich Betrieben und Beschäftigen weltweit bieten.