Zentralverband des
Deutschen Handwerks
Zentralverband des
Deutschen Handwerks
15.03.2022

"Handwerk steht niemals still"

Torsten Preuß ist Musikinstrumentenbauer aus Leidenschaft. Warum Handwerk für ihn ein Traumberuf ist und wie wichtig die Europäischen Tage des Kunsthandwerks (ETAK) für den Musikinstrumentenbauer sind, erklärt er im Interview.
Torsten Preuß bei der Herstellung einer neuen Gitarre in seiner Werkstatt.

Herr Preuß, was macht das Handwerk für Sie persönlich aus?

„Dass man mit den Händen etwas erschafft, etwas kreiert. Ganz konkret: Ich baue mit relativ einfachen Mitteln – Schnitzer, Stemmeisen, Feile, Raspel – Musikinstrumente. Die werden dann von Menschen zum Klingen gebracht. Handwerk steht niemals still. Es ist konsequent immer in Bewegung. Für mich gibt es nichts Schöneres.“

Wie wichtig sind die Europäischen Tage des Kunsthandwerks (ETAK) für Ihren Betrieb und den Musikinstrumentenbau insgesamt?

„Sehr wichtig. Die Europäischen Tage des Kunsthandwerks sind eine wunderbare Gelegenheit, um die Leute in die Werkstatt zu locken. Gerade in dieser Zeit ist das besonders wichtig, denn in den letzten zwei Jahren war wegen Corona ja kaum jemand da. Dieser persönliche Kontakt hat uns sehr gefehlt. Bei den ETAK können wir Handwerk zeigen und Handwerk präsentieren. Und das geht in der Werkstatt einfach am besten. Auf Veranstaltungen oder Messen zeigt man immer nur das fertige Endprodukt. Bei den Europäischen Tagen des Kunsthandwerks geht es dagegen um den Entstehungsprozess – und dieser macht das Handwerk schließlich aus.“

Von Markneukirchen in die Welt: Wie wichtig ist das Thema Internationalisierung für den Musikinstrumentenbau? 

„Internationalisierung ist in vielerlei Hinsicht wichtig für uns. Wir bekommen regelmäßig Anfragen und Aufträge aus dem Ausland – die weiteste Anfrage, die uns jemals erreicht hat, kam aus Brasilien. Hier bietet das Internet natürlich ganz neue Möglichkeiten. Genauso wichtig ist der weltweite Austausch mit Kollegen – auch über die ETAK – für uns. So bekommen wir hier in Markneukirchen ständig neue und wichtige Impulse, um unser Handwerk weiterzuentwickeln. Früher war es schwierig, ein gutes Fachbuch zum Musikinstrumentenbau in die Hände zu bekommen. Heute kann ich mich grenzenlos mit Fachkollegen austauschen. Das ist wirklich toll! 

Ein nicht so erfreulicher Aspekt der Internationalisierung sind dagegen die Material- und Lieferengpässe. Die sind seit der Pandemie auch im Musikinstrumentenbau immer stärker spürbar. Wir haben auf diese Situation mittlerweile reagiert und bestellen nun wieder vermehrt Material auf Lager. Die enormen Preissteigerungen von bis zu 20 Prozent müssen wir zumindest anteilig an die Kunden weitergeben. Anders geht es leider nicht.“

Was lieben Sie an Ihrem Job ganz besonders?

„Ich würde auf keinen Fall etwas anderes machen wollen. Die Selbstständigkeit ist dabei ein wesentlicher Aspekt des Ganzen. Ich habe früher einige Jahre in einem Angestelltenverhältnis gearbeitet. Trotz der Wirren und Unwirren unserer Zeit kommt das für mich nicht mehr in Betracht.“

Warum?

„Weil mein Job so vielfältig ist. Natürlich bin ich jeden Tag mit meinen eigenen Aufträgen in der Werkstatt beschäftigt. Gleichzeitig bin ich verantwortlich für mein Unternehmen. Ich entscheide also selbst, wann ich die Büroarbeit erledige und wann ich an der Werkbank stehe. Ganz wichtig ist mir auch das Thema Ausbildung. Ich habe in meinem Betrieb bereits erfolgreich ausgebildet und bin regelmäßig als Dozent an der Fachhochschule Musikinstrumentenbau in Markneukirchen tätig. Als Außenstelle der Westsächsischen Hochschule Zwickau werden hier die Studiengänge Musikinstrumentenbau – im Bachelor – und Akustik und Technologie des Musikinstrumentenbaus – im Master – angeboten. Auch beim Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist es ein echter Vorteil, wenn man selbstständig ist. Meine Frau arbeitet seit einigen Jahren mit im Betrieb und meine drei Kinder gehen in der Werkstatt ein und aus. Bis auf die Bürokratie möchte ich an meinem Job absolut nichts missen.“

Ist die Bürokratie in Deutschland eine Hürde für junge Gründer im Handwerk?

„Ja, auf jeden Fall. Das ist gerade am Anfang schon sehr viel. Auch bei mir ist nicht alles glatt gelaufen. Die betriebswirtschaftlichen Themen sind dabei eine Sache, aber wer hat sich denn vorher schonmal mit Krankenkassenabrechnungen oder Berufsgenossenschaften beschäftigt? Da habe ich durchaus die ein oder andere Bruchlandung erlebt. Hinzu kommt, dass leider immer mehr dubiose Geschäftemacher unterwegs sind, die in einer solchen Situation versuchen, einem das Geld aus der Tasche zu ziehen. Gerade am Anfang wird man hier schon ins kalte Wasser geworfen.“

Wurden Sie hier von der Handwerksorganisation unterstützt?

„Bei meiner zuständigen Handwerkskammer bin ich immer auf offene Ohren gestoßen. Das ist auch wichtig, denn viele Sachen lernt man nicht in der Ausbildung. Man muss vielmehr selbst Erfahrungen machen und dann ist es gut, wenn man mit seinen vielen Fragen nicht alleine dasteht.  Als ich etwa den Namen meines Betriebes ‚PreußGuitars‘ schützen lassen wollte, hat mir die Handwerkskammer sehr geholfen. Denn selbst nach Studium und Meister kennt man sich mit solchen rechtlichen Fragen in der Regel nicht aus.“

Wie verlief Ihr Weg in die Selbstständigkeit?

„Ich habe zuerst eine Ausbildung und meinen Gesellenbrief gemacht. Dann habe ich vier Jahre an der Fachhochschule für Musikinstrumentenbau in Markneukirchen studiert und nebenbei meinen Meister gemacht. Im Juli 2012 war ich fertig mit dem Studium und, nur wenige Monate später, habe ich im Oktober meine eigene Werkstatt eröffnet. Das ging alles sehr schnell. Ich habe zwei Räume angemietet, eine Werkbank und einen Schrank hineingestellt und einfach losgelegt. Total pragmatisch und ohne großes Startkapital.“

Wird dieser Bildungsweg in Ihrem Handwerk von vielen Jugendlichen gewählt?

„Ja, die Kombination von Berufsausbildung und Studium an der Fachhochschule ist eine echte Erfolgsgeschichte. Wir sehen immer mehr junge Leute, die auch von weiter her gezielt nach Markneukirchen kommen, um sich hier im Musikinstrumentenbau ausbilden zu lassen. Viele haben – so wie ich – schon eine abgeschlossene Ausbildung als Geigen- oder Zupfinstrumentenmacher und satteln dann darauf auf. Die Motivation ist: Nochmal vier Jahre investieren und dabei vertieft alles lernen, was man braucht, um danach beruflich durchstarten zu können. Ich sage es mal so: Als Geselle kann man krabbeln. Mit Studium und begleitendem Meister lernt man eigenständig zu laufen als Musikinstrumentenbauer. Und was besonders bemerkenswert ist: Mädels und Frauen sind bei uns absolut auf dem Vormarsch. Während in meinem Abschlussjahrgang nur eine Frau unter zehn Absolventen war, hat das doch in den letzten Jahren stark zugenommen. Das merken wir auch in unserem Betrieb. Bei den Bewerbungen für Praktikum und Ausbildung liegt die Quote mittlerweile bei 70 zu 30 – wohlgemerkt für die Frauen, da hat sich das Verhältnis in den letzten drei Jahren fast umgekehrt.“

Auf den Punkt gebracht: Warum sollte man als junger Mensch Musikinstrumentenbauer werden?

„Weil es niemals langweilig wird. Jeden Tag passiert etwas Neues. Jeden Tag wird man vor neue Herausforderungen gestellt. Unser Handwerk bleibt niemals stehen und man hat sehr viel Spaß im Job – Musikinstrumentenbauer ist einfach ein großartiger Beruf!“ 

Schlagworte