Weniger Bürokratie wagen
Bürokratieabbau: Was zu tun ist
Gerade kleine Betriebe sind überproportional von Bürokratie betroffen. In vielen Fällen müssen sie identische Anforderungen wie Großunternehmen erfüllen, ohne auch nur annähernd vergleichbare Ressourcen zu haben. Die Vielzahl an Dokumentations- und Berichtspflichten ist dabei ein besonders großes Problem.
Der ZDH ermittelt die bürokratische Belastung von Betrieben und Beschäftigten im Handwerk und setzt sich mit konkreten Vorschlägen dafür ein, Bürokratie auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, um betriebliche Freiräume zu schaffen.
Sieben Handlungsfelder mit konkreten Maßnahmen
1. Bürokratie praxisgerecht verstehen
Der Bürokratiebegriff der Politik muss dem Belastungsverständnis der Praxis entsprechen.
Maßnahmen:
- Das Europarecht muss in der Entwicklung und statistischen Erhebung des Erfüllungsaufwands vollständig berücksichtigt werden.
- Der einmalige Umstellungsaufwand, der bereits heute gemessen wird, muss in das Belastungsvolumen des Erfüllungsaufwands einbezogen werden.
- Verordnungen der Bundesministerien sind zu berücksichtigen.
- Die Belastung durch den Verwaltungsvollzug von Bundesgesetzen ist bei der Betrachtung von Bürokratie stärker in den Blick zu nehmen.
2. Entschleunigung der Gesetzgebung
Handwerksbetriebe brauchen zeitliche Freiräume, in denen sie nicht ad hoc auf gesetzliche Änderungen reagieren müssen.
Maßnahmen:
- Gesetze sollten einheitlich an einem von zwei Stichtagen im Jahr (z. B. 1. Januar und 1. August) in Kraft treten.
- Gesetzesänderungen zu gleichgelagerten Sachverhalten sollten nicht unterjährig erfolgen.
- Einführung einer Mindestfrist zwischen Verabschiedung und Inkrafttreten eines Gesetzes von drei Monaten, um erforderliche Umsetzungsmaßnahmen ergreifen zu können.
3. Selbsterklärende Gesetze
Gesetze dürfen nicht für Rechtsanwältinnen und -anwälte oder Steuerberaterinnen und -berater geschrieben werden, sondern müssen adressatengerecht formuliert und gestaltet sein.
Maßnahmen:
- Verständliche, klare Adressatenbestimmung in der Gesetzesbegründung oder dem Gesetzesvorblatt.
- Einführung einer Betroffenheits-Checkliste: Wer ist Adressat? Was ist zu tun?
- Gesetzesänderungen redaktionell im Kontext zum bestehenden Gesetzestext darstellen.
- Alternative Gesetzgebungsredaktion: Gesetzesbegründung redaktionell im Nachgang zur jeweiligen Gesetzespassage anfügen.
- Änderungen an Gesetzesentwürfen der Bundesregierung, die durch den Bundestag und den Bundesrat im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vorgenommen werden, müssen samt ihrer jeweiligen Begründungen in derselben Form wie der Gesetzentwurf selbst dargestellt und aufbereitet werden.
4. Vertrauensgrundsatz der Wirtschaft
Es braucht einen grundlegenden Mentalitätswandel von Gesetzgebung und Verwaltungsvollzug hin zu mehr Vertrauen in die Rechtstreue von Betrieben.
Maßnahmen:
- Die Beweispflicht des Staats darf nicht als präventive Rechtfertigungspflicht der Wirtschaft aufoktroyiert werden. Die Verwaltung muss den Rechtsbruch eines Betriebs beweisen, nicht der Betrieb sein rechtmäßiges Handeln.
- Revision aller relevanten Gesetze: Konsequente Streichung entsprechender Dokumentationspflichten, deren maßgeblicher Zweck darin besteht, die Rechtstreue im Fall von Prüfungen darlegen zu können.
- Erweiterte Gesetzesfolgenabschätzung: Bei anlassbezogener Gesetzgebung wegen Missbrauchsfällen ist das Ausmaß des Missbrauchs, insbesondere die Anzahl der Fälle, nachprüfbar zu erheben und ins Verhältnis zu den Gesetzesfolgen für alle – auch rechtstreuen – Adressaten zu setzen.
5. Lebensnahe Rechtsetzung
Der Gesetzgeber muss das Wissen und die Erfahrung der Praxis stärker einbeziehen, um lebensnahe Auswirkungen seiner Vorschriften abschätzen zu können.
Maßnahmen:
- Etablierung eines Know-How-Transfers: Praktikerinnen und Praktiker bringen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt der Gesetzgebungsvorbereitungen ihre Erfahrung und ihr Praxiswissen ein (Praxischeck).
- Stärkung und Ausweitung der Evaluierung bestehender Gesetze unter obligatorischer Einbeziehung der betroffenen Kreise.
- Weiterentwicklung und Anwendung von Reallaboren und Testphasen.
- Verpflichtende Anwendung des KMU-Tests.
6. Entflechtung des Paragrafen-Dschungels
Entflechtung des Paragrafen-Dschungels
Entlastung bedeutet auch, Vorschriften konsequent und ersatzlos zu streichen.
Maßnahmen:
- Konsequente Umsetzung der Entlastungsvorschläge des Handwerks. Den aktuellen Vorschlagskatalog finden Sie hier.
- Das Lebenslagen-Modell darf nicht auf den Kontakt mit Behörden beschränkt, sondern sollte auf betriebsinterne Sachverhalte erweitert werden. Die Betriebsbefragung sollte Grundlage für weitergehende Entlastungsprojekte in der jeweiligen Lebenslage sein.
7. Effizienter und einheitlicher Verwaltungsvollzug
Verwaltung muss digital, serviceorientiert und einheitlich aufgestellt sein.
Maßnahmen:
- Angleichung der Nutzung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen durch transparente und verbindliche Prüfkriterien der Verwaltung.
- Einrichtung einheitlicher Ansprechpartner bei Anträgen und Verfahren, bei denen mehrere Behörden beteiligt sind.
- Redaktionelle Überarbeitung behördlicher Schreiben und Bescheide hin zu adressatengerechter Sprache.
- Einführung eines Anspruchs auf behördliche Unterstützung bei Antragstellungen und Genehmigungsverfahren.
- Adressatengerechte, online zugängliche Informationen über Verfahrensanforderungen, -verlauf und -dauer.
- Standardisierung von Formularen im Wege der Digitalisierung.
Mehr Informationen
"Maßnahmen müssen nun endlich umgesetzt werden"
Mit dem Koalitionsvertrag habe sich die Bundesregierung zwar viel vorgenommen, aber bis jetzt sei nichts passiert, so Dr. Markus Peifer in Bezug auf die Reduzierung des bürokratischen Aufwandes für Betriebe. Er verrät, wo er das größte Entlastungspotenzial sieht.