Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
20.11.2023

Praxis Recht - Änderung des Übergangsgesetzes zum 1. Juli 2024

Zur Unterstützung Ihrer Beratungsangebote erhalten Sie ein „Praxis Recht“ zur Weitergabe an die von den gerüstbauspezifischen Änderungen des Übergangsgesetzes betroffenen Handwerksbetriebe.

Gerüstbau im Übergangsgesetz

Bei der Aufnahme des Gerüstbaus in die Anlage A der Handwerksordnung als zulassungspflichtiges Handwerk 1998 wurde 22 Handwerken im sogenannten Übergangsgesetz das Aufstellen von Arbeits- und Schutzgerüsten als wesentliche Tätigkeit zugeordnet. In der Folge war es diesen Handwerken erlaubt, umfassende Tätigkeiten des Gerüstbauerhandwerks auszuüben. Was der damalige Gesetzgeber nicht bedachte: Die Tätigkeiten rund um den Auf- und Abbau von Arbeits- und Schutzgerüsten machen den weitaus überwiegenden Teil des Gerüstbauerhandwerks aus. Dazu zählen auch etwa Gerüstsonderkonstruktionen wie Hängegerüste oder Gerüste im Industriegerüstbau. Tatsächlich war es aber nie Intention, de facto das gesamte Gerüstbauerhandwerk freizugeben.

Änderung zum 1. Juli 2024

Mit Wirkung zum 1. Juli 2024 wird das Übergangsgesetz dahingehend geändert, dass es ab diesem Zeitpunkt anderen Handwerken als dem Gerüstbau nur noch erlaubt ist, Arbeits- und Schutzgerüste im Zusammenhang mit der eigenen Leistungserbringung aufzustellen. Die Tätigkeit ist ihnen nicht mehr als wesentlich zugeordnet.

Wer ab dem 1. Juli 2024 Leistungen des Gerüstbauerhandwerks außerhalb der eigentlichen handwerklichen Tätigkeit anbieten und erbringen möchte, muss grundsätzlich mit dem Gerüstbauerhandwerk in die Handwerksrolle eingetragen sein.

Ausübung des Gerüstbauerhandwerks über § 5 HwO

Generell besteht für alle zulassungspflichtigen Handwerke die Möglichkeit, im Rahmen des § 5 HwO Gerüstbauleistungen zu erbringen, wenn sie mit dem Leistungsangebot des jeweiligen Gewerbes technisch oder fachlich zusammenhängen oder es wirtschaftlich ergänzen. Hierbei besteht jedoch die Einschränkung, dass für diese Leistung nicht geworben werden darf und sie eine untergeordnete Rolle (max. 20 % des Auftragsvolumens) spielen muss. Eine Beteiligung an Ausschreibungen für Gerüstbauleistungen ist zudem nicht möglich.

Fallgruppen

Zu unterscheiden sind ab dem 1. Juli 2024 folgende Fallgruppen:

Fallgruppe 1

Fallgruppe 2

Fallgruppe 3

Gerüst wird für eigene Tätig- keiten aufgestellt

Gerüst wird im Rahmen des

§ 5 HwO Dritten zur Nutzung überlassen

Aufstellen von Gerüsten für Dritte ohne Leistungserbrin- gung im eigenen Handwerk

Keine Eintragung mit Gerüst- bau erforderlich

Keine Eintragung mit Gerüst- bau erforderlich

Eintragung mit Gerüstbau er- forderlich

Ausübungsberechtigung und Ausnahmebewilligung

Betriebe, die bisher bereits auf der Grundlage des Übergangsgesetzes nachweislich Tätigkeiten des Gerüstbauerhandwerks ausgeübt haben und über den 1. Juli 2024 hinaus außerhalb ihres eigenen Handwerks Leistungen des Gerüstbauerhandwerks erbringen möchten (s. Fallgruppe 3), müssen sich bei der zuständigen Handwerkskammer unter den üblichen Voraussetzungen (Nachweis Meisterbrief oder meistergleicher Qualifikation im Gerüstbauerhandwerk in der Person des Betriebsinhabers bzw. des technischen Betriebsleiters) in die Handwerksrolle eintragen lassen. Kann ein Meisterbrief oder ein anderer förmlicher Abschluss (Hochschulabschluss, Technikerprüfung) nicht nachgewiesen werden, kommt die Beantragung einer Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO oder einer Ausübungsberechtigung nach § 7a HwO bzw. § 7b HwO in Betracht. In den Fällen der §§ 7a, 8 HwO sind die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten im Gerüstbauerhandwerk nachzuweisen.

Nachweis der Kenntnisse und Fertigkeiten

Sowohl bei der Ausnahmebewilligung als auch bei der Ausübungsberechtigung müssen die notwendigen bzw. erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten in der Person des Antragstellers nachgewiesen werden. Auf welchem Weg dies erfolgt, ist in erster Linie eine Entscheidung des Antragstellers. Kann der Nachweis nicht in sonstiger Weise erbracht werden, erfolgt im Zweifel eine Überprüfung, deren Elemente je nach Einzelfall alternativ oder kumulativ eine theoretische Prüfung, eine Arbeitsprobe sowie ein Fachgespräch sein können. In diesem Zusammenhang sind auch die bisherigen beruflichen Erfahrungen und Tätigkeiten des Antragstellers zu berücksichtigen, die allerdings legal erworben sein müssen.

Sachkundenachweis

Eine widerlegbare Vermutung für das Vorliegen der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten im Gerüstbauerhandwerk, Teilgebiet Arbeits- und Schutzgerüste, ohne Durchführung einer Sachkundeprüfung ist zu bejahen, wenn ein Antragsteller eine im Gerüstbauerhandwerk eingerichtete Betriebsstruktur nachweist, er die in der Meisterprüfung in seinem Handwerk erworbenen Gerüstbaukenntnisse vertieft und zusätzlich über einen längeren Zeitraum die Praxiserfahrung – auch unter Bezugnahme auf die konkrete Betriebsstruktur – erworben hat. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Baustelleneinrichtung und insbesondere das Aufstellen von Arbeits- und Schutzgerüsten Kenntnisse und Fertigkeiten erfordert, die nicht nur im Rahmen von Aus- und Fortbildung im Gerüstbau vermittelt werden. Sie finden in unterschiedlichen Abstufungen auch in den Rahmenlehrplänen und Meisterprüfungsberufsbildern anderer Handwerke Erwähnung. Dies gilt für die Handwerke Maurer und Betonbauer, Maler und Lackierer, Stuckateur, Zimmerer sowie Klempner, Steinmetze, Dachdecker, Straßenbauer, Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer, Metallbauer, Installateur und Heizungsbauer, Tischler, Glaser, Fliesenleger, Brunnenbauer sowie Schilder- und Lichtreklamehersteller.

Der Nachweis erworbener Kenntnisse und Fertigkeiten kann etwa über Materialrechnungen, -listen, Arbeitsverträge, Schulungsnachweise, Fotodokumentationen, Mietverträge oder Auftragsnachweise/Rechnungen erbracht werden. Dabei können auch diejenigen Gerüstbauleistungen Berücksichtigung finden, die im Rahmen der Auftragsabwicklung im eigenen Handwerk erbracht wurden (soweit sie gesondert abgerechnet wurden). Nicht berücksichtigungsfähig sind dagegen Leistungen durch Dritte (etwa Subunternehmer).

Fallbeispiel: 

Der Betriebsinhaber B ist auf der Grundlage einer bestandenen Meisterprüfung seit 27 Jahren mit dem Dachdecker-Handwerk in die Handwerksrolle eingetragen. Durch die Vorlage von Rechnungen über einen Zeitraum von sechs Jahren zwischen 2017 und 2023 kann nachgewiesen werden, dass Arbeits- und Schutzgerüste aufgestellt wurden und Gerüstbau-Material im erforderlichen Umfang vorhanden ist. Einem Antrag auf Erteilung einer Ausübungsberechtigung nach § 7a HwO kann ohne Durchführung einer gesonderten Überprüfung der Fach- und Sachkunde entsprochen werden.

Stichtag

Nur wenn Praxiskenntnisse und Fertigkeiten zum Stichtag 30. Juni 2024 anhand der vorstehend aufgeführten Kriterien nachgewiesen werden können, kommt ein Verfahren ohne Sachkundeprüfung überhaupt in Betracht.

Fallbeispiel: Im Jahr 2028 wird von einem Antragsteller die Meisterprüfung im Fliesenlegerhandwerk abgelegt und es erfolgt eine Eintragung in die Handwerksrolle. Wird danach ein Antrag auf Erteilung einer Ausübungsberechtigung für das Gerüstbauerhandwerk gestellt, gelten die allgemeinen Grundsätze des § 7a HwO. Es reicht insbesondere nicht aus, wenn die oben aufgeführten Kriterien erst im Jahr 2025 oder später vorliegen. Beim Nachweis von Tätigkeiten können nach den allgemeinen Grundsätzen nur solche Praxiszeiten be- rücksichtigt werden, die legal ausgeübt wurden.

Beschränkung des Antrags

Um das Verfahren auf Erteilung einer Ausübungsberechtigung zu erleichtern, sollte der Antrag auf "das Aufstellen von Stand- und Fahrgerüsten (Fassadengerüsten) ohne Gerüstsonderkonstruktionen wie Hängegerüste, Gerüste im Industriegerüstbau und insbesondere ohne Traggerüste" beschränkt werden. Dies entspricht nicht vollständig dem Begriff "Arbeits- und Schutzgerüste" aus dem Übergangsgesetz, bildet die betriebliche Praxis je- doch besser ab.

Empfehlung

Vor der Antragstellung ist es zu empfehlen, dass Kontakt zur zuständigen Handwerkskammer aufgenommen wird. Damit kann der Antrag von vornherein zielgerichtet gestellt und nur solche Unterlagen eingereicht werden, die letztendlich von den Handwerkskammern benötigt werden. So können beide Seiten Zeit und Aufwand sparen.

Im Übergangsgesetz aufgeführte Handwerke

  • Maurer/in und Betonbauer/in
  • Zimmerer/in
  • Dachdecker/in
  • Straßenbauer/in
  • Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer/in
  • Brunnenbauer/in
  • Steinmetzen und Steinbildhauer/in
  • Stuckateure/in
  • Maler und Lackierer/in
  • Schornsteinfeger/in
  • Metallbauer/in
  • Kälteanlagenbauer/in
  • Klempner/in
  • Installateur und Heizungsbauer/in
  • Elektrotechniker/in
  • Tischler/in
  • Glaser/in
  • Fliesen-, Platten- und Mosaikleger/in
  • Betonstein- und Terrazzohersteller/in
  • Estrichleger/in
  • Schilder- und Lichtreklamehersteller/in
  • Gebäudereiniger/in

Praxis Recht zum Herunterladen

  • Praxis Recht: Hinweise zur Änderung des Übergangsgesetzes zum 1. Juli 2024

Bitte beachten

Bei den hier zur Verfügung gestellten Informationen handelt es sich um allgemeine Hinweise zu handwerksrelevanten Rechtsthemen. Darüberhinausgehende Informationen und insbesondere individuelle Beratungen sind dem ZDH nicht gestattet. Bitten nutzen Sie bei weitergehenden Fragen zu den hier dargestellten Themen die Beratungsangebote Ihrer Handwerksorganisation vor Ort (Handwerkskammern, Innungen und Fachverbände).