Praxis Recht - Barrierefreiheit von Webseiten

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Firmenwebseiten, über die E-Commerce für Verbraucherinnen und Verbraucher angeboten wird, müssen gemäß dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ab 29. Juni 2025 so ausgestaltet sein, dass sie von Menschen mit Beeinträchtigungen ohne Erschwernis genutzt werden können. Kleinstunternehmen sind von dieser Verpflichtung ausgenommen.
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Worum geht es?
Am 29. Juni 2025 treten das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und die Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) in Kraft. Diese Vorschriften setzen die EU-Richtlinie 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen (European Accessibility Act – EAA) um.
Wozu Barrierefreiheit?
Durch die Vorgaben zur Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen soll die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen am Wirtschaftsleben gestärkt werden. Ziel der neuen Regelungen ist es, unter anderem bestimmte Online-Angebote barrierefrei zu gestalten, so dass sie auch für Menschen mit Einschränkungen des Sehens, des Hörens, der Motorik oder kognitiven Beeinträchtigungen zugänglich sind und ohne Erschwernis genutzt werden können.
BFSG gilt für bestimmte Produkte und Webseiten
Schwerpunkt der Vorschriften sind Vorgaben für Hersteller zur barrierefreien Gestaltung bestimmter Produkte, wie etwa Selbstbedienungsterminals, Smartphones oder Notebooks. Das Gesetz verpflichtet darüber hinaus Betreiber von Webseiten zur barrierefreien Gestaltung des Webauftritts, sofern darauf B2C-E-Commerce-Angebote, beispielsweise B2C-Online-Shops oder Buchungen von B2C-Handwerksleistungen, dargestellt werden. Firmenwebseiten von Handwerksbetrieben sind somit grundsätzlich vom Anwendungsbereich der Vorschriften betroffen, sofern der Webauftritt solche Angebote umfasst.
Gibt es Ausnahmevorschriften?
"Kleinstunternehmen" sind vom Anwendungsbereich der neuen Vorschriften ausgenommen. Betroffene Handwerksbetriebe, die nicht unter die gesetzliche Definition des Kleinstunternehmens fallen, bei denen die Einhaltung der neuen Anforderungen jedoch zu einer unverhältnismäßigen Belastung führt, sind ebenfalls ausgenommen.
Wie müssen die Vorgaben umgesetzt werden?
Um eine Webseite gemäß den Vorgaben des BFSG und der BFSGV barrierefrei zu gestalten, müssen die Vorgaben der harmonisierten Europäischen NormEN 301 549 beachtet werden, welche auf den internationalen Standard "Web Content Accessibility Guidelines"(WCAG) verweist. Im Folgenden sind ausführliche Informationen zu den Vorschriften des BFSG und der BFSGV sowie hilfreiche Praxistipps für Handwerksbetriebe in Form von FAQ dargestellt.
Hinweis: Das BFSG und die BFSGV enthalten überwiegend unkonkrete Vorgaben zur Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen unter Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen. Die in diesen FAQ dargestellten Informationen basieren mitunter auf Auskünften der Bundesfachstelle Barrierefreiheit zum Zeitpunkt Februar 2025. Es empfiehlt sich, die künftige Rechtsprechung zum BFSG und insbesondere die entsprechende Vollzugspraxis zu verfolgen. |
FAQ – Häufige Fragen
- Müssen Firmenwebseiten bzw. Apps von Handwerksbetrieben ab 29. Juni 2025 barrierefrei sein?
- Welche Ausnahmevorschriften gibt es?
- Gelten die Vorschriften zur Barrierefreiheit von Webseiten für reine Präsentationswebseiten?
- Was muss bei der Einbindung von Drittanbietersoftware beachtet werden?
- Müssen Webseiten barrierefrei gestaltet werden, wenn Kontaktformulare, Chat-Bots, oder sonstige Kontaktinformationen dargestellt werden?
- Sind die Vorschriften des BFSG bei Newsletter-Anmeldungen zu beachten?
- Sind die Vorschriften des BFSG bei Online-Stellenangeboten zu beachten?
- Welche Bereiche der Webseite müssen barrierefrei gestaltet werden?
- Welche konkreten Maßnahmen müssen für eine barrierefreie Gestaltung von Webseiten umgesetzt werden?
- Sind sogenannte "Overlay-Tools" geeignet, um Firmenwebseiten barrierefrei zu gestalten?
- Welche Informationspflichten müssen erfüllt werden?
- Welche Behörde ist für den Vollzug der Barrierefreiheitsvorschriften zuständig?
- Welche Folgen drohen bei Verstößen gegen die Barrierefreiheitsanforderungen?
- Was ist mit Handwerksorganisationen?
Sind Bildungsangebote der Handwerksorganisation vom BFSG erfasst?
1. Müssen Firmenwebseiten bzw. Apps von Handwerksbetrieben ab 29. Juni 2025 barrierefrei sein?
Die im BFSG und der BFSGV geregelten Anforderungen der Barrierefreiheit hinsichtlich Webseiten gelten für "Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr", die für den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden. Von den Regelungen erfasst ist daher der Online-Verkauf jeglicher Produkte oder Dienstleistungen an Verbraucherinnen und Verbraucher über Webseiten und Apps (B2C-E-Commerce).
Damit sind grundsätzlich auch Firmenwebseiten und Apps von Handwerksbetrieben von der verpflichtenden barrierefreien Gestaltung betroffen, sofern dort folgende Funktionen angeboten werden:
- Online-Shops, in denen Verbraucherinnen und Verbraucher Produkte kaufen können und /oder
- Online-Buchung von Handwerksdienstleistungen, die für Verbraucherinnen und Verbraucher erbracht werden.
Praxistipp: Bei der Online-Buchung von Handwerksleistungen müssen die Barrierefreiheitsvorgaben beachtet werden, wenn elektronische Buchungen samt Zahlungsmöglichkeit auf einer Webseite oder über eine App ermöglicht werden. Auch wenn ausschließlich eine elektronische Terminbuchung mit späterer Zahlung vor Ort angeboten wird, spricht einiges dafür, dass der Anwendungsbereich des BFSG eröffnet ist (siehe auch die Leitlinien des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales - Beispiel 3). Beispiel: Auf der Webseite eines Friseurbetriebs können Verbraucherinnen und Verbraucher Termine für die Erbringung der Friseurleistungen buchen und im Online-Shop Haarpflegeprodukte kaufen. Sowohl der Online-Verkauf der Haarpflegeprodukte als auch die Online-Buchung der Termine sind "Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr", die für den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden. Die Webseite muss daher grundsätzlich barrierefrei gestaltet werden, es sei denn, es handelt sich bei dem Friseurbetrieb um ein "Kleinstunternehmen". Praxistipp: B2B-E-Commerce-Angebote, die sich ausschließlich an Unternehmen richten, sind nicht von den Barrierefreiheitsvorgaben betroffen. |
2. Welche Ausnahmevorschriften gibt es?
"Kleinstunternehmen" sind vom Anwendungsbereich der neuen Vorschriften ausgenommen. Als Kleinstunternehmen gelten laut Gesetz Unternehmen, wenn sie
- weniger als zehn Personen beschäftigen und
- entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielen oder wenn ihre Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft.
Praxistipp: Auszubildende oder Mitarbeitende im Mutterschafts- oder Elternurlaub werden bei der Anzahl der im Betrieb tätigen Personen nicht berücksichtigt. Praxistipp: Die Anzahl der beschäftigten Personen wird in Vollzeitäquivalenten berechnet. Maßgeblich ist also die Anzahl der während eines Jahres beschäftigten Vollzeitarbeitnehmer. Teilzeitbeschäftigte und Saisonarbeiterinnen und -arbeiter werden nur entsprechend ihres Anteils an der Vollzeitäquivalenz berücksichtigt. |
Handwerksbetriebe, die nicht unter die gesetzliche Definition des Kleinstunternehmens fallen, bei denen die Einhaltung der neuen Anforderungen jedoch zu einer unverhältnismäßigen Belastung führt, sind ebenfalls von den Vorgabenausgenommen.
Handwerksbetriebe können sich unter folgenden Voraussetzungen auf eine unverhältnismäßige Belastung berufen:
- Kostenanalyse anhand einer Selbstbeurteilung mittels der Anlage 4 zum BFSG.
- Dokumentation der Selbstbeurteilung und Aufbewahrung für fünf Jahre.
- Erneute Selbstbeurteilung und Dokumentationmindestens alle fünf Jahre oder im Falle neuer B2C-E-Commerce-Angebote.
- Unterrichtung der zuständigen Marktüberwachungsbehörde über die Berufung auf eine unverhältnismäßige Belastung.
- Auf Verlangen der Marktüberwachungsbehörde: Vorlage der Selbstbeurteilung.
3. Gelten die Vorschriften zur Barrierefreiheit von Webseiten für reine Präsentationswebseiten?
Präsentationswebseiten, auf denen Produkte oder Dienstleistungen lediglich vorgestellt, jedoch nicht von Verbraucherinnen oder Verbrauchern erworben oder gebucht werden können, sind nicht von den Barrierefreiheitsvorschriften erfasst.
4. Was muss bei der Einbindung von Drittanbieter-software beachtet werden?
Sofern Drittanbietersoftware (zum Beispiel für Terminbuchungen) auf der Firmenwebseite genutzt wird, sollten Handwerksbetriebe diese rechtzeitig auf Barrierefreiheit überprüfen und im Zweifel beim Softwareanbieter nachfragen, ob die Software die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt. Der Webseitenbetreiber ist grundsätzlich dafür verantwortlich, dass alle angebotenen Funktionen barrierefrei dargestellt werden.
5. Müssen Webseiten barrierefrei gestaltet werden, wenn Kontaktformulare, Chat-Bots, oder sonstige Kontaktinformationen dargestellt werden?
Kontaktformulare, Chat-Bots oder sonstige Kontaktinformationen dienen in der Regel zur allgemeinen Erstkontaktaufnahme und zielen nicht auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags ab, denn üblicherweise sind mehrere Zwischenschritte notwendig, um in konkrete Vertragsverhandlungen zu treten. Zudem ist es üblich, dass Verbraucherinnen und Verbraucher mehrere Handwerksbetriebe kontaktieren und sich erst in einem weiteren Schritt für das jeweils passende Angebot von einem der kontaktierten Betriebe entscheiden. Daher gelten allgemeine Kontaktinformationen, Kontaktformulare oder Chat-Bots üblicherweise nicht als "Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverehr" im Sinne des BFSG, so dass die Vorschriften zur Barrierefreiheit in diesen Fällen in der Regel nicht beachtet werden müssen, wenn ansonsten kein B2C-E-Commerce angeboten wird.
Die Vorgaben des BFSG müssen jedoch dann beachtet werden, wenn sich aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, dass derartige Kontaktmöglichkeiten aufgrund der jeweiligen Ausgestaltung ihrer Benutzeroberfläche und der sonstigen Informationen primär zur Aufnahme unmittelbarer und konkreter Vertragsverhandlungen oder eines direkten Vertragsschlusses dienen sollen.
6. Sind die Vorschriften des BFSG bei Newsletter-Anmeldungen zu beachten?
Das Angebot einer Newsletter-Anmeldung, mit dem Ziel, Produkte zu bewerben oder allgemeine Marketinginformationen zu versenden, führt in der Regel nicht zur Anwendung des BFSG, wenn ansonsten kein B2C-E-Commerce angeboten wird. Wird durch den Newsletter ein unmittelbarer elektronischer B2C-Vertragsschluss ermöglicht, muss dieser barrierefrei gestaltet werden.
7. Sind die Vorschriften des BFSG bei Online-Stellenangeboten zu beachten?
Bewerbungsangebote zielen nicht auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags. Damit liegt auch keine "Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr" vor. Online-Stellenangebote und sonstige Karriereseiten für Bewerbungen führen daher nicht zur Anwendung des BFSG, wenn ansonsten kein B2C-E-Commerce angeboten wird.
8. Welche Bereiche der Webseite müssen barrierefrei gestaltet werden?
Ob betroffene Handwerksbetriebe nur das entsprechende B2C-E-Commerce-Angebot (beispielsweise den Online-Shop) oder darüber hinaus die gesamte Webseite barrierefrei gestalten müssen, ist gesetzlich nicht eindeutig geregelt und lässt sich auch den Auslegungshilfen nicht abschließend entnehmen. Zu beachten ist jedoch, dass die Marktüberwachungsbehörden laut Gesetz befugt sind, folgende Seiten und Funktionen von Webseiten auf Barrierefreiheit zu überprüfen:
- Alle Verfahrensschritte in der Standardreihenfolge eines üblichen Verbrauchers, die für die Funktion des B2C-E-Commerce-Angebots notwendig sind.
- Interaktion mit Formularen sowie Steuerelementen und Dialogfeldern der Benutzeroberfläche, Bestätigungen für die Dateneingabe, Fehlermeldungen und sonstige Rückmeldungen.
- Startseite (Home), Anmeldung (Login), Site-Übersicht (Sitemap), Kontakt, Hilfeseiten und Hilfefunktionen sowie Seiten mit rechtlichen Informationen.
Praxistipp: Handwerksbetriebe sollten neben der barrierefreien Gestaltung der Seiten, auf denen das B2C-E-Commerce-Angebot dargestellt wird, jedenfalls auch die letztgenannten Seiten barrierefrei gestalten. |
9. Welche konkreten Maßnahmen müssen für eine barrierefreie Gestaltung von Webseiten umgesetzt werden?
Webseiten sind so zu gestalten, dass sie für Menschen mit Behinderungen ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.
Sowohl das BFSG als auch die BFSGV fordern, dass Webseiten mit B2C-E-Commerce-Angeboten "auf konsistente und angemessene Weise gestaltet werden", das heißt:
- wahrnehmbar,
- bedienbar,
- verständlich und
- robust.
Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheitist verpflichtet,auf ihrer Webseite eine Auflistung der wichtigsten zu beachtenden Standards zu veröffentlichen, aus denen die Barrierefreiheitsanforderungen für Webseiten mit B2C-E-Commerce-Angeboten detailliert hervorgehen. Die Maßgaben werden sich im Wesentlichen nach der derzeit in Überarbeitung befindlichen Europäischen NormEN 301 549 richten. Nach aktuellem Planungsstand soll die Überarbeitung Anfang 2026 abgeschlossen sein, so dass sich die Veröffentlichung der Standards bis zu diesem Zeitpunkt verzögert.
Bis zur Veröffentlichung der überarbeiteten Standards kann als Orientierungshilfe für Webseiten mit B2C-E-Commerce-Angeboten auf die aktuell geltende Version der Norm EN 301 549 zurückgegriffen werden. Diese verweist auf den internationalen Standard "Web Content Accessibility Guidelines"(WCAG). Aus diesen Vorgaben lassen sich im Kern folgende konkrete Umsetzungsmaßnahmen herleiten:
- Verständliche und klare Struktur und Benutzeroberfläche der Webseite.
- Verständliche Beschriftung und Erklärung von Formularfeldern.
- Bedienbarkeit der Webseite sowohl per Tastatur als auch per Maus.
- Implementierung einer Spracheingabefunktion.
- Einsatz gut lesbarer Schriftarten und Möglichkeit der Änderung der Textgröße.
- Verwendung von hohen Farbkontrasten für Vorder- und Hintergrund.
- Anpassbarkeit von Zeichen- und Zeilenabständen.
- Untertitel bei multimedialen Inhalten.
- Alternativtexte bei Bildern und Grafiken.
- Bereitstellung von Informationen in leichter Sprache.
Die Barrierefreiheit umfasst zudem Identifizierungs- und Authentifizierungsmethoden, elektronische Signaturen und Zahlungsfunktionen. In der EU-Richtlinie über Barrierefreiheitsanforderungen werden folgende Umsetzungsbeispiele genannt:
- Zahlungsdienste müssen über Spracheingabe bedient werden können, damit blinde Menschen selbstständig im Internet einkaufen können.
- Die Identifizierungs-Dialogfenster müssen Vorlesefunktionen unterstützen, sodass sie von blinden Menschen bedient werden können.
Praxistipp: Betroffene Handwerksbetriebe sollten das Thema Barrierefreiheit frühzeitig mit ihrem Webseitendienstleister besprechen. Dieser kann die entsprechenden technischen Anforderungen auf der Webseite anhand der aktuellen Version der Norm EN 301 549 und dem WCAG-Standard umsetzen. Praxistipp: "BIK-BITV-Test" ist ein kostenloses Testverfahren, welches in enger Abstimmung mit Selbsthilfeverbänden von Menschen mit Behinderungen und Experten für Barrierefreiheit entwickelt wurde. Die einzelnen Prüfschritte, die sich aus der Norm EN 301 549 (bzw. den WCAG) ergeben, sind dort aufgelistet. Der |
10. Sind sogenannte "Overlay-Tools" geeignet, um Firmenwebseiten barrierefrei zu gestalten?
Als "Overlay-Tools" wird Software bezeichnet, die der Firmenwebseite hinzugefügt wird und mithilfe derer Menschen mit Beeinträchtigungen Webseiten beispielsweise über eine Toolbar auf ihre Bedürfnisse anpassen können (z. B. individuelle Anpassung hinsichtlich Bedienbarkeit, Farben, Kontrasten, Schriftgröße, Vorlesefunktion usw.).
Laut der aktuellen Einschätzung der Überwachungsstellen des Bundes und der Länder für die Barrierefreiheit von Informationstechnik zum Einsatz von Overlay-Tools sind solche Softwarelösungen derzeit nicht in der Lage, einen Webauftritt vollständig barrierefrei darzustellen. Durch den Einsatz von "Overlay-Tools" können sogar Barrieren und negative Wechselwirkungen mit speziellen "assistiven Technologien" von Verbraucherinnen und Verbrauchern mit Behinderungen (z. B. Screen Reader) im Webauftritt entstehen.
Praxistipp: Handwerksbetriebe sollten bei der Umsetzung der BFSG-Vorschriften derzeit nicht auf "Overlay-Tools" zurückgreifen, da eine rechtssichere Umsetzung der Vorschriften damit nach aktuellem Stand voraussichtlich nicht gewährleistet ist. Ziel einer nachhaltigen barrierefreien Gestaltung einer Webseite ist die umfassende Berücksichtigung der Anforderungen an die vollständige Barrierefreiheit schon während der Konzeption des jeweiligen Teils des Webauftritts. |
11. Welche Informationspflichten müssen erfüllt werden?
Sofern Firmenwebseiten von Handwerksbetrieben barrierefrei zu gestalten sind, müssen außerdem zusätzliche Informationspflichten beachtet werden. Es ist in den AGB oder auf andere deutlich wahrnehmbare Weise (etwa über einen eigenen Menüpunkt im Seitenmenü) darüber aufzuklären, wie die Barrierefreiheitsanforderungen konkret erfüllt werden.
Folgende Informationen sind bzgl. des B2C-E-Commerce-Angebots (z. B. Online-Shop) bereitzustellen:
- eine Beschreibung der geltenden Anforderungen an die Barrierefreiheit,
- eine allgemeine Beschreibung des Angebots in einem barrierefreien Format,
- Beschreibungen und Erläuterungen, die zum Verständnis der Durchführung des Angebots erforderlich sind,
- eine Beschreibung, wie das Angebot die einschlägigen Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt,
- die Angabe der zuständigen Marktüberwachungsbehörde.
Die Bereitstellung dieser Informationen muss ihrerseits in barrierefreier Form erfolgen.
Praxistipp: Bisher sind keine offiziellen Muster für die Erfüllung der Informationspflichten gemäß BFSG verfügbar. Vorhandene Muster beziehen sich in der Regel auf eine sogenannte "Erklärung zur Barrierefreiheit", die nur für den öffentlichen Sektor verpflichtend ist. Diese Muster sind jedoch im Kontext des BFSG weder erforderlich noch geeignet, die maßgeblichen Informationspflichten zu erfüllen. |
12. Welche Behörde ist für den Vollzug der Barrierefreiheitsvorschriften zuständig?
Der Vollzug der sich aus dem BFSG und der BFSGV ergebenden Regelungen fällt in die Zuständigkeit der Bundesländer, die entsprechende Marktüberwachungsbehörden einrichten bzw. benennen.
Darüber hinaus ist die Errichtung einer gemeinsamen länderübergreifenden Anstalt des öffentlichen Rechts mit der Bezeichnung "Marktüberwachungsstelle der Länder für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen" mit Sitz in Sachsen-Anhalt geplant. Die Anstalt soll sämtliche Aufgaben wahrnehmen, die das BFSG und die BFSGV den Marktüberwachungsbehörden der Länder zuweisen.
Es ist vorgesehen, dass die gemeinsame Marktüberwachungsstelle der Länder zum Inkrafttreten des BFSG am 29. Juni 2025 ihre Arbeit aufnehmen wird.
13. Welche Folgen drohen bei Verstößen gegen die Barrierefreiheitsanforderungen?
Werden Webseiten mit B2C-E-Commerce-Angeboten nicht gesetzeskonform barrierefrei gestaltet oder die Informationspflichten nicht erfüllt, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 Euro seitens der Marktüberwachungsstellen behördlich geahndet werden kann. Außerdem drohen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen von Konkurrenzunternehmen oder klagebefugten Verbänden.
Bei Umsetzungs- und Anwendungsfragen stehen Ihnen die Beratungsangebote der Handwerkskammern, Innungen und Fachverbände zur Verfügung. |
14. Was ist mit Handwerksorganisationen?
- Aufgrund der bereits auf Landesebene erfolgten Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen(EU-Webseitenrichtlinie) aus dem Jahr 2016 erfüllen die Webseiten der Handwerkskammern als Angebot öffentlich-rechtlicher Körperschaften des jeweiligen Landes in der Regel bereits heute einen hohen Standard der Barrierefreiheit. Insofern ist mit Blick auf die neuen Vorgaben zu B2C-E-Commerce-Angeboten lediglich zu prüfen, ob im Einzelfall darüberhinausgehender Anpassungsbedarf besteht.
- Kreishandwerkerschaften, Innungen und Fachverbände sind von der bereits bestehenden Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung für Webseiten öffentlicher Stellen nicht betroffen. Die Vorgaben des BFSG müssen beachtet werden, wenn B2C-E-Commerce auf denjeweiligen Webseiten ermöglicht wird.
15. Sind Bildungsangebote der Handwerksorganisation wie etwa Ausbildungs-, Fortbildungs-, Weiterbildungs- oder sonstige Qualifizierungsangebote vom BFSG erfasst?
Die Anforderungen der Barrierefreiheit an Webseiten und Apps gelten für "Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr", die im Hinblick auf den Abschluss eines Vertrags mit Verbraucherinnen und Verbrauchern erbracht werden. Da die Bildungsangebote der Handwerksorganisation und die ihrer Bildungseinrichtungen stets in einem beruflichen Kontext der Teilnehmenden stehen, gelten diese nicht als Verbraucher. Somit sind Angebote, die über Webseiten der Handwerksorganisation dargestellt werden und welche den Bildungsbereich betreffen nicht vom Anwendungsbereich des BFSG erfasst (beispielsweise Ausbildungsangebote, Vorbereitungslehrgänge für den Erwerb des Meistertitels, Weiterbildungen für Prüferinnen und Prüfer oder ähnliche Angebote).
Bitte beachten
Bei den hier zur Verfügung gestellten Informationen handelt es sich um allgemeine Hinweise zu handwerksrelevanten Rechtsthemen. Darüberhinausgehende Informationen und insbesondere individuelle Beratungen sind dem ZDH nicht gestattet. Bitten nutzen Sie bei weitergehenden Fragen zu den hier dargestellten Themen die Beratungsangebote Ihrer Handwerksorganisation vor Ort (Handwerkskammern, Innungen und Fachverbände).