Zentralverband des
Deutschen Handwerks
Zentralverband des
Deutschen Handwerks
10.12.2021

Praxis Recht - Verbraucherverträge über digitale Produkte

Ab 1. Januar 2022 sind Neuregelungen für Verbraucherverträge über digitale Produkte und Waren mit digitalen Elementen in Kraft getreten. Bei Waren, die digitale Produkte enthalten, muss künftig geprüft werden, welche Regelungen anwendbar sind.

Am 1. Januar 2022 wurden mit dem neuen Untertitel 1 "Verbraucherverträge über digitale Produkte" spezielle Vorschriften für derartige Vertragstypen in das Bürgerliche Gesetzbuch eingeführt (§§ 327 – 327s BGB). Damit einher gehen unter anderem auch umfangreiche spezielle Verbraucherrechte wie, z. B. besondere Bestimmungen zur Mängelgewährleistung. Hiervon ausgenommen sind jedoch sogenannte "Waren mit digitalen Elementen". In der Praxis kommt es regelmäßig vor, dass Handwerksbetriebe Waren an Verbraucher verkaufen, die digitale Produkte enthalten bzw. mit diesen verbunden sind, z. B. Waschmaschinen oder andere Elektronikprodukte. Die Zuordnung dieser Waren als "digitales Produkt" oder "Ware mit digitalen Elementen" ist deshalb praxisrelevant.

Anwendungsbereich (§ 327 BGB)

Die Vorschriften des neuen Untertitels sind auf Verbraucherverträge anzuwenden, welche die Bereitstellung digitaler Produkte durch den Unternehmer zum Gegenstand haben. Der Begriff "digitale Produkte" umfasst sowohl digitale Inhalte als auch digitale Dienstleistungen. Unter "digitalen Inhalten" versteht das Gesetz Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden. Beispiele für digitale Produkte sind z. B. Apps, Computerprogramme, Videodateien, Audiodateien, Musikdateien, digitale Spiele, SaaS, Datei-Hosting oder Cloud-Computing-Dienste. Dabei regelt § 327 BGB die ausschließliche Bereitstellung derartiger digitaler Produkte. Die eingangs genannten Verkäufe von Waren mit digitalen Inhalten sind daher nicht von der Norm erfasst, da in diesen Situationen die digitalen Produkte nicht isoliert verkauft werden.

Waren mit digitalen Elementen (§ 327a Abs. 3 BGB)

Grundsätzlich sind die neuen Vorschriften außerdem auf Verbraucherverträge über Waren anzuwenden, die digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind (§ 327a Abs. 2 BGB). Ausgenommen sind jedoch gemäß § 327a Abs. 3 BGB Kaufverträge über "Waren mit digitalen Elementen". Ein solcher Kaufvertrag liegt immer vor, wenn

 

  • Waren in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können (funktionales Kriterium) und
  • die Bereitstellung des digitalen Elements gemäß dem Kaufvertrag geschuldet ist (vertragliches Kriterium). Dies ist laut den neuen Vorschriften im Zweifel anzunehmen.

 

Somit finden die neuen speziellen Regelungen für die Bereitstellung digitaler Produkte keine Anwendung, wenn beide Kriterien im Einzelfall einschlägig sind. Es gelten in diesem Fall die üblichen Regeln des Kaufrechts und die seit 1. Januar 2022 geltenden Sondervorschriften für Verbraucherkaufverträge über "Waren mit digitalen Elementen" (§§ 475b, 475c, 475e).

Praxisbeispiel: Moderne Waschmaschinen können mit Software ausgestattet sein, die unter den Begriff "digitales Produkt" fällt. Derartige Waschmaschinen würden ihre Funktion jedoch in vielen Fällen ohne die Software nicht erfüllen können (funktionales Kriterium). Die Bereitstellung der Waschmaschine zusammen mit der Software als Einheit ist außerdem regelmäßig Bestandteil des Kaufvertrags (vertragliches Kriterium). Somit liegt in diesem Fall eine "Ware mit digitalen Elementen" vor. Verkauft ein Handwerksbetrieb eine solche Waschmaschine an Verbraucher, sind die üblichen kaufrechtlichen Vorschriften und die im Folgenden beschriebenen Sondervorschriften zu beachten.

 

 

Besondere Vorschriften beim Verkauf von "Waren mit digitalen Elementen" (§§ 475b, 475c, 475e BGB)

Beim Verkauf von "Waren mit digitalen Elementen" sind seit 1. Januar 2022 ergänzend zu den üblichen Regeln des Kaufrechts die neuen Vorschriften für Verbraucherverträge über den Kauf von "Waren mit digitalen Elementen" zu beachten. Es sind weitere Vorgaben zu den Voraussetzungen der Sachmängelfreiheit zu beachten.

Für die Sachmängelfreiheit von "Waren mit digitalen Elementen" kommt es gemäß den neuen Vorschriften im Rahmen der objektiven Anforderungen zusätzlich auf die Bereitstellung von Aktualisierungen an, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Ware erforderlich sind. Zudem ist es erforderlich, dass der Verbraucher über diese Aktualisierungen informiert wird (§ 475b Abs. 4 BGB). Erforderliche Aktualisierungen und die Informationen darüber sind dem Verbraucher während des Zeitraums, den er aufgrund der Art und des Zwecks der Ware und ihrer digitalen Elemente sowie unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten kann, bereitzustellen. Die Verjährung von Ansprüchen wegen einer Verletzung der Aktualisierungspflicht tritt 12 Monate nach Ende des Zeitraums der Aktualisierungspflicht ein. Bezüglich der Höchstdauer des Aktualisierungszeitraums kann aufgrund der ungenauen Regelung im Gesetz im Einzelfall erhebliche Rechtsunsicherheit bestehen.

Praxistipp: Die Pflicht zur Aktualisierung und zur Information kann grundsätzlich auch durch einen Dritten, wie zum Beispiel den Hersteller, erbracht werden. Um dies zu erreichen, sollte jedoch sichergestellt sein, dass der Dritte diese Pflichten gegenüber dem Handwerksbetrieb zusichert und auch erfüllen kann. Handwerksbetriebe, die aktualisierungsbedürftige "Waren mit digitalen Elementen" an Verbraucher verkaufen, sollten diesen Aspekt daher mit dem Hersteller klären und vertraglich festhalten. Außerdem ist betroffenen Handwerksbetrieben in diesem Zusammenhang zu empfehlen, vertragliche Ansprüche gegen den Hersteller bei nicht bereitgestellten notwendigen Aktualisierungen zu vereinbaren.

Alternativ ist es unter folgenden Voraussetzungen auch möglich, von den Aktualisierungs- und Informationsverpflichtungen des § 475b Abs. 4 BGB vor Mitteilung eines Mangels durch vertragliche Vereinbarung abzuweichen:

  • Der Verbraucher muss vor Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis gesetzt werden, dass Aktualisierungen nicht bereitgestellt werden (Abweichung von den objektiven Anforderungen der Ware).
  • Die Abweichung muss im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart werden.

 

In Zweifelsfällen bezüglich der gesetzlichen Bestimmungen sollte das Beratungsangebot der Handwerkskammern, Innungen und Fachverbände in Anspruch genommen werden.

 

 

Praxis Recht zum Download

  • Praxis Recht: Verbraucherverträge über digitale Produkte

Bitte beachten

Bei den hier zur Verfügung gestellten Informationen handelt es sich um allgemeine Hinweise zu handwerksrelevanten Rechtsthemen. Darüberhinausgehende Informationen und insbesondere individuelle Beratungen sind dem ZDH nicht gestattet. Bitten nutzen Sie bei weitergehenden Fragen zu den hier dargestellten Themen die Beratungsangebote Ihrer Handwerksorganisation vor Ort (Handwerkskammern, Innungen und Fachverbände).

Schlagworte