Zentralverband des
Deutschen Handwerks
Zentralverband des
Deutschen Handwerks
15.03.2022

Praxis Recht - Zivilrechtliche Folgen des Ukraine-Kriegs

Der Ukraine-Krieg kann auch zivilrechtliche Folgen für Handwerksbetriebe haben, die in Vertragsbeziehungen mit Unternehmen stehen, die in der Ukraine oder Russland angesiedelt sind.

Hintergrund

Seit Ende Februar 2022 wurden bereits bestehende, seitens der Europäischen Union verhängte Embargomaßnahmen gegen Russland in Form von EU-Sanktionsverordnungen erweitert, verschärft und ergänzt. Daneben ist die Hauptursache für Störungen des Geschäftsbetriebs die Verschärfung der Lieferengpässe durch den Ausfall ukrainischer Betriebe als Lieferanten. Insbesondere kann die Verfügbarkeit von fossilen Energieträgern, Holz, Metallen und Agrarrohstoffen beeinträchtigt sein. Als Folge dieser Auswirkungen kann es dazu kommen, dass Betriebe vertraglich zugesicherte Leistungen ihren Kunden gegenüber nicht oder nicht rechtzeitig erbringen können. Zudem fällt für einige Betriebe das Exportgeschäft nach Russland und/oder in die Ukraine weg.

Anwendbares Recht

Den folgenden Ausführungen liegen die relevanten deutschen Rechtsnormen zugrunde. Bei Vertragsverhältnissen zu Vertragspartnern mit Sitz in Russland oder der Ukraine kann auch ausländisches Recht bzw. UN-Kaufrecht einschlägig sein. In diesem Fall bedarf es einer gesonderten Prüfung der Rechtslage.

Gesetzliches Verbot

Sofern Vertragsbeziehungen zu Vertragspartnern mit Sitz in Russland oder der Ukraine von den EU-Sanktionsverordnungen erfasst werden, können diese Rechtsgeschäfte im Einzelfall bereits kraft Gesetzes nichtig sein.

Beispiel:Gemäß der Embargo-Verordnung (EU) 2022/263 besteht ein Einfuhrverbot in die EU für Waren mit Ursprung aus den Regionen Donezk und Luhansk. Außerdem ist es verboten in diesen Gebieten Vermittlungs-, Bau- oder Ingenieursdienstleistungen in Zusammenhang mit der Infrastruktur zu erbringen.

Vertragliche Vereinbarungen

Sofern Handwerkbetriebe sich aufgrund von Lieferschwierigkeiten oder anderen Hindernissen von Verträgen lösen möchten, sollten diese dahingehend überprüft werden, ob ein besonderes Kündigungsrecht besteht und ob die Voraussetzungen einer solchen Kündigung vorliegen.

Unmöglichkeit

Ist der Vertrag nicht bereits kraft Gesetzes unwirksam, weil er nicht unter die Embargomaßnahmen fällt, und besteht kein vertragliches Kündigungsrecht, können sich Handwerksbetriebe je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls auf den Ausschluss der Leistungspflicht berufen. Dies ist der Fall, soweit die Leistung für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

Beispiel: Ein Handwerksbetrieb benötigt für die Ausführung eines Auftrags ganz bestimmte Materialien von einem russischen oder ukrainischen Lieferanten. Als Folge des Kriegs ist eine Anlieferung jedoch nicht möglich. Der Handwerksbetrieb kann diese auch nicht von anderen Lieferanten oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand besorgen. Der Vertragspartner könnte in diesem Fall zwar grundsätzlich Schadensersatz vom Handwerksbetrieb fordern. Dieser entfällt aber, wenn der Handwerksbetrieb den Grund der Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat.

Störung der Geschäftsgrundlage

Soweit der Vertrag wirksam ist, kann eine Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen. Danach kann eine Vertragsanpassung oder die Aufhebung des Vertrags verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag in Kenntnis dieser Umstände nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten. Bei dem Ukraine-Krieg dürfte es sich grundsätzlich um einen Umstand handeln, der sich schwerwiegend geändert hat. Inwiefern bestimmte Folgen des Krieges im Einzelfall unter das Anpassungsrecht fallen, kann nicht pauschal bewertet werden.

Beispiel: Infolge des Ukraine-Krieges sind die Energiepreise, insbesondere der Öl- und Erdgaspreis, gestiegen. Dies ist insbesondere bei Verträgen mit einer längeren Laufzeit problematisch, da Handwerksbetriebe an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden sind und eine preisliche Anpassung während der Vertragslaufzeit grundsätzlich nicht möglich ist. Ob hier im Einzelfall der Vertrag aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage angepasst werden kann, erscheint jedenfalls eher fraglich, da zum einen die Energiepreise auch bereits vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine nicht unerheblich gestiegen sind. Zum anderen könnte es im Einzelfall schwierig werden, den Ukraine-Krieg als kausale Ursache für unzumutbare Preissteigerungen kalkulatorisch nachzuweisen.

 

Praxistipp: Beim Abschluss neuer Verträge sollten steigende Energiekosten mitbedacht werden. Abhängig von den zu erwartenden Auswirkungen auf die Gesamtkalkulation kann dieser Aspekt bei der Angebotskalkulation berücksichtig werden. Vertraglich könnte beispielsweise eine Energiepauschale vereinbart werden. Wichtig ist dabei die offene Kommunikation gegenüber den Kunden.

Eine Vertragsanpassung kommt außerdem immer nur dann in Betracht, wenn einem Vertragspartner das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist. Hier verbietet sich laut Rechtsprechung eine pauschale Betrachtungsweise. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.

Haftung wegen Verzugs

Sofern der Vertrag durchzuführen ist, die Vertragsleistung aufgrund der äußeren Umstände (z. B. Lieferkettenschwierigkeiten) jedoch nicht rechtzeitig erbracht werden kann, führt dieser Umstand zum Verzug. Die Haftung für die Folgen eines Leistungsverzugs oder gar eines vollständigen Leistungsausfalls setzt jedoch stets ein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) voraus. Das heißt, wenn ein Lieferant seinen vertraglichen Pflichten nicht wie vereinbart nachkommen kann, haftet er nur dann, wenn er die Ursachen hierfür verschuldet oder zumindest mitverschuldet hat. Genauso verhält es sich mit Handwerksbetrieben, die zugesagte Leistungen nicht oder nur verspätet durchführen können.

Schließt höhere Gewalt die Haftung aus?

Der Ausbruch eines Krieges kann grundsätzlich als höhere Gewalt bewertet werden. Im Fall der höheren Gewalt sind nicht der Lieferant oder der Handwerksbetrieb, sondern die außergewöhnlichen Umstände für den Leistungsausfall verantwortlich, so dass eine Haftung für die Folgen des Leistungsausfalls ausscheidet. Das bedeutet, dass weder Handwerksbetriebe ihre Lieferanten noch Auftraggeber Handwerksbetriebe für entstandene Schäden belangen können. Jedoch verbietet sich eine pauschale Bewertung. Vielmehr kommt es auf die Umstände und das konkrete Verhalten der Akteure im Einzelfall an.

In Zweifelsfällen bezüglich der gesetzlichen Bestimmungen sollte das Beratungsangebot der Handwerkskammern, Innungen und Fachverbände in Anspruch genommen werden.

Praxis Recht zum Download

  • Praxis Recht: Zivilrechtliche Folgen des Ukraine-Kriegs

Bitte beachten

Bei den hier zur Verfügung gestellten Informationen handelt es sich um allgemeine Hinweise zu handwerksrelevanten Rechtsthemen. Darüberhinausgehende Informationen und insbesondere individuelle Beratungen sind dem ZDH nicht gestattet. Bitten nutzen Sie bei weitergehenden Fragen zu den hier dargestellten Themen die Beratungsangebote Ihrer Handwerksorganisation vor Ort (Handwerkskammern, Innungen und Fachverbände).

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