BMF veröffentlicht Neufassung Anwendungserlass zu § 158 AO
Hintergrund:
Durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts vom 20. Dezember 2022 (BGBl 2022 S. 2730) ist § 158 AO (Beweiskraft der Buchführung) neu gefasst worden. Werden die Buchführung und die Daten nicht nach den Vorgaben der gesetzlich vorgeschriebenen einheitlichen digitalen Schnittstelle zur Verfügung gestellt, dann kann die Buchführung verworfen werden (§ 158 Abs. 2 Nr. 2 AO), und es entsteht insoweit eine Schätzungsbefugnis der Finanzverwaltung (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO). Bisher bestehen gesetzliche Vorgaben für die Digitale LohnSchnittstelle (DLS) sowie die Digitale Schnittstelle der Finanzverwaltung für Kassensysteme (DSFinV-K). Die ebenfalls neu eingeführte Regelung des § 147b AO ermöglicht die Schaffung weiterer Vorgaben für digitale Schnittstellen und Datensatzbeschreibungen mittels Rechtsverordnung durch das BMF mit Zustimmung des Bundesrates.
Der Text des Anwendungserlasses zu § 158 AO ist mit sofortiger Wirkung geändert worden und lautet nunmehr wie folgt:
„AEAO zu § 158 – Beweiskraft der Buchführung:
1. Bei formeller Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen enthält § 158 Abs. 1 AO die gesetzliche Vermutung zur sachlichen Richtigkeit der Buchführung und der Aufzeichnungen.
2. Die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Aufzeichnungen beurteilt sich nach den §§ 140 bis 148 AO und gegebenenfalls nach den weiteren Ordnungsvorschriften der Einzelsteuergesetze. Für die Annahme einer formellen Ordnungsmäßigkeit ist das Gesamtbild aller Umstände des Einzelfalls maßgebend. Die Buchführung und die Aufzeichnungen können trotz einzelner formeller Mängel aufgrund der Gesamtwertung insgesamt als formell ordnungsmäßig anzusehen sein. Eine Buchführung ist erst dann formell ordnungswidrig, wenn sie wesentliche Mängel aufweist oder die Gesamtheit aller (unwesentlichen) Mängel diesen Schluss fordert (BFH-Beschluss vom 2.12.2008, X B 69/08, m.w.N.).
3. Die Vermutung nach § 158 Abs. 1 AO verliert ihre Wirksamkeit nach § 158 Abs. 2 Nr. 1 AO insbesondere, soweit es nach einer Verprobung oder anderen Erkenntnissen unwahrscheinlich ist, dass das ausgewiesene Ergebnis mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmt.
4. Die Vermutung nach § 158 Abs. 1 AO verliert ihre Wirksamkeit nach § 158 Abs. 2 Nr. 2 AO, soweit der Steuerpflichtige der Finanzverwaltung aufbewahrungspflichtige digitale Unterlagen nicht nach den Vorgaben der einheitlichen digitalen Schnittstellen (vgl. § 146a AO i. V. m. § 4 KassenSichV, § 147b AO oder § 41 Abs. 1 Satz 7 EStG i. V. m. § 4 Abs. 2a LStDV) zur Verfügung stellt. Bei dem Zur-Verfügung-Stellen von Unterlagen nach den Vorgaben einer einheitlichen digitalen Schnittstelle handelt es sich um formelle Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Aufzeichnungen. Die Buchführung und die Aufzeichnungen entsprechen nicht den Vorgaben einer einheitlichen digitalen Schnittstelle, wenn die aufbewahrungspflichtigen digitalen Unterlagen und die Strukturinformationen nicht in dem geforderten Datenformat vorgelegt werden.
5. Ist § 158 Abs. 1 AO wegen einer Ausnahme nach § 158 Abs. 2 AO nicht anwendbar, richten sich die hieraus resultierenden Folgen für die Besteuerung insoweit nach den Umständen des Einzelfalls.
Ist die Buchführung oder sind die Aufzeichnungen ganz oder teilweise aufgrund des § 158 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht der Besteuerung zugrunde zu legen, können die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 AO geschätzt werden. Insoweit kommt der sachlichen Gewichtung der Mängel ausschlaggebende Bedeutung zu. Das Buchführungsergebnis ist nicht zu übernehmen, soweit die Beanstandungen reichen. Eine Vollschätzung an Stelle einer Hinzuschätzung kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Buchführung in wesentlichen Teilen als unbrauchbar erweist.
Ist die Buchführung oder sind die Aufzeichnungen ganz oder teilweise aufgrund des
§ 158 Abs. 2 Nr. 2 AO nicht der Besteuerung zugrunde zu legen, kann eine Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 AO insoweit gegeben sein, wie die aufbewahrungspflichtigen digitalen Unterlagen und die Strukturinformationen nicht in dem geforderten Datenformat vorgelegt werden.“
Hinweis:
Das BMF hatte Ende des letzten Jahres den Verbänden einen Diskussionsentwurf einer Verordnung zur digitalen Schnittstelle der Finanzverwaltung für Buchführungsdaten (DSFinVBV) zur Stellungnahme übersandt. Mit der Verordnung soll eine digitale Schnittstelle für einen standardisierten Export von Daten bestimmt werden, die mit einem Datenverarbeitungssystem erstellt worden und nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren sind. Die weiteren Entwicklungen des Verordnungsgebungsverfahren bleiben abzuwarten.