Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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11.02.2025

FG SH: Zulässigkeit von Schätzungen – amtliche Richtsatzsammlung

Das Finanzgericht Schleswig-Holstein hat kürzlich einen Beschluss zur Frage der Zulässigkeit von Schätzungen im Wege eines externen Betriebsvergleichs auf Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung veröffentlicht.

Hintergrund

Die Finanzbehörde hat die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO). Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Eine formell ordnungsmäßige Buchführung hat die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich.

Insbesondere wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel in der Kassenbuchführung der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 25. März 2015, Az. X R 20/13).

Die Schätzungsmethode des externen Betriebsvergleichs auf Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung ist von erheblicher Bedeutung. Beim Bundesfinanzhof (BFH) ist ein Revisionsverfahren (Az. X R 19/21) zur Frage der Tauglichkeit dieser Methode anhängig. Aufgrund des Beitrittsaufforderungsbeschluss des BFH vom 14. Dezember 2022, Az. X R 19/21 bestehen Zweifel, ob eine Richtsatzschätzung auch künftig von der höchstrichterlichen Rechtsprechung akzeptiert wird. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) habe zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und – wenn ja – unter welchen Voraussetzungen ein äußerer Betriebsvergleich in Gestalt einer Schätzung anhand der Richtsätze der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF zulässig ist. Aus Sicht des BFH ist insbesondere unklar,

  • welche Einzeldaten mit welchem Gewicht in die Ermittlung der Richtsätze der jeweiligen Gewerbeklasse einfließen, wie die Repräsentativität der Daten sichergestellt wird und ob es Einzeldaten gibt, die von vornhinein ausgeschlossen werden;
  • ob die regional zum Teil erheblich unterschiedliche Höhe fixer Betriebskosten der Festlegung bundeseinheitlicher Richtsätze entgegensteht;
  • weshalb die Ergebnisse von Außenprüfungen bei sog. Verlustbetrieben unberücksichtigt bleiben, obwohl auch solche Betriebe grundsätzlich einen positiven Rohgewinnaufschlagssatz ausweisen;
  • ob ganz oder teilweise erfolgreiche Rechtsbehelfe des Steuerpflichtigen gegen die auf eine Außenprüfung ergangenen Steuerbescheide Eingang in die Richtsatzsammlung finden.

Zudem stelle sich die Frage, wie dem Steuerpflichtigen ermöglicht werden kann, das Ergebnis einer Schätzung auf der Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung – insbesondere auch im Hinblick auf die spezifischen Daten, die dieser Sammlung zugrunde liegen – nachzuvollziehen und zu überprüfen.

Neben dem zuvor genannten Verfahren sind beim BFH noch zwei weitere Verfahren (Az. X R 23/21 und X R 24/21) zur Frage der Zulässigkeit der Schätzung im Wege eines externen Betriebsvergleichs auf Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung anhängig.

Dem Beschluss des Finanzgerichts Schleswig-Holstein vom 8. Mai 2024 (Az. 1 V 123/23) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Antragstellerin, eine GmbH, betrieb ein Buffet-Restaurant. Das verwendete Kassensystem bietet vielfältige Manipulationsmöglichkeiten, mit denen sich bereits ordnungsgemäß erfasste Umsatzbuchungen im Nachhinein wieder stornieren lassen, sodass sie weder in den Tagesabschlüssen noch im Speicher des Kassensystems enthalten sind. Anhand von sichergestellten Kassendaten konnte durch die Prüfer der Finanzbehörden festgestellt werden, dass bei der Antragstellerin mehrfach Manipulationen an den Tagesabschlüssen vorgenommen worden waren. Die Prüfer kamen zu dem Ergebnis, dass die allenfalls rudimentär vorhandene Buchführung der Antragstellerin mit erheblichen formellen und materiellen Mängeln behaftet sei, sodass diese der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden könne und die Besteuerungsgrundlagen daher zu schätzen seien. Sie nahmen eine Schätzung auf Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung vor. Andere Schätzungsmethoden kämen vor dem Hintergrund der erheblichen Buchführungsmängel nicht in Betracht.

Gegen die Änderungsbescheide zur Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer sowie den Gewerbesteuermessbetrag für die Streitjahre 2013 bis 2018 legte die Anspruchstellerin fristgerecht Einspruch ein und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung. Es ist bereits ein Verfahren auf Antrag der Aussetzung der Vollziehung diesem Verfahren vorausgegangen. Die Antragstellerin hatte den ersten Antrag im Verfahren vollumfänglich zurückgenommen. Über die Einsprüche wurde noch nicht entschieden.

Das Finanzgericht erachtete den erneuten Antrag für zulässig, jedoch wies es diesen als unbegründet ab, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen. Der erkennende Senat bestätigte die Schätzungsbefugnis nach § 162 Absatz 2 Satz 2 AO aufgrund gewichtiger formeller und materieller Buchführungsmängel. Auch sei die gewählte Schätzungsmethode eines äußeren Betriebsvergleichs anhand der amtlichen Richtsatzsammlung nach den im summarischen Verfahren geltenden Maßstäben nicht zu beanstanden. Gleiches gelte für die Höhe der vorgenommenen Hinzuschätzungen. Die Anwendung der amtlichen Richtsatzsammlung stelle nach der BFH-Rechtsprechung eine anerkannte Schätzungsmethode nach den Grundsätzen des äußeren Betriebsvergleichs dar.

Zwar habe der BFH in einem anhängigen Revisionsverfahren die Frage aufgeworfen, auf welchen Grundlagen und Parametern die Richtsätze beruhen, wie sie zustande kommen und welche Auswirkungen sich hieraus auf die Tauglichkeit eines äußeren Betriebsvergleichs anhand der Richtsatzsammlung ergeben, sodass er das BMF zum dortigen Verfahren beigeladen hat (BFH-Beschluss vom 14. Dezember 2022 X R 19/21, BFHE 278, 428). Hieraus ergäbe sich jedoch gegenwärtig noch keine konkret absehbare Abweichung von der bisherigen Spruchpraxis des BFH. Es ergäben sich mithin gegenwärtig auch noch keine hinreichenden ernstlichen rechtlichen Zweifel an der Zulässigkeit der Schätzungsmethode an sich. Die aufgeworfene Rechtsfrage der Anerkennung der Schätzungsmethode des äußeren Betriebsvergleichs anhand der amtlichen Richtsatzsammlung sei einerseits bereits durch den BFH in ständiger Spruchpraxis entschieden worden. Sie werde andererseits auch nicht von zwei oder mehr obersten Bundesgerichten unterschiedlich beurteilt und sei gegenwärtig auch nicht von einem oder mehreren Senaten des BFH unterschiedlich oder widersprüchlich entschieden worden. Der erkennende Senat habe im summarischen Verfahren selbst keine Bedenken, die Besteuerungsgrundlagen im Einzelfall weiterhin anhand der amtlichen Richtsatzsammlung zu schätzen.

Hinweis

Das BMF hat am 17. September 2024 die Richtsatzsammlung 2023 veröffentlicht.

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