Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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11.02.2025

Kassenführung: Schätzung mittels Unsicherheitszuschlags

Das Finanzgericht Düsseldorf hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil zur Schätzung bei formellen und materiellen Mängeln der Kassenführung entschieden.

Hintergrund

Die Finanzbehörde hat gem. § 162 Abs. 1 Satz 1 AO die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können. Nach dieser Vorschrift sind die Buchführung und Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Formelle Mängel berechtigen nur zur Schätzung, soweit sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln.

Dem Urteil (Az. 11 K 2308/19 U) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Streitig war, ob der Beklagte wegen nicht ordnungsmäßiger Buchführung des Klägers Erlöse bzw. Umsätze hinzuschätzen durfte.

Der Kläger betrieb in den Jahren 2012 bis 2014 (Streitjahre) eine Lotto-Toto-Annahmestelle mit angeschlossenem Kiosk (Tabakwaren, Zeitschriften etc.) und erzielte hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG). Den Gewinn ermittelte der Kläger durch Betriebsvermögensvergleich gem. §§ 4 Abs. 1, 5 EStG.

Der Kläger verfügte über eine elektronische Registrierkasse des Models U und fertigte hierzu handschriftliche Kassenberichte, in denen er, ausgehend vom Kassenbestand des Vortages, zunächst regelmäßig eine Kontoeinzahlung in gleicher Höhe abzog. Anschließend notierte er die Geschäftseinnahmen meist mit jeweils einer Summe für bestimmte Warengruppen (z. B. Tabak, Zeitschriften, Süßwaren, …etc.) teilweise jedoch auch nur mit einer Gesamtsumme, zog hiervon Ausgaben ab und notierte den Kassenbestand zum Geschäftsschluss. Wechselgeldbestände wurden in den Kassenberichten nicht erfasst.

Der Kläger verfügte ferner über eine eigene Lottokasse, die mit der Fa. V. direkt verbunden war. Über diese Kasse erfolgten der Verkauf von Lottoscheinen, Telefonkarten etc. sowie die Auszahlung von Lottogewinnen. Für diese Kasse fertigte er keinerlei Aufzeichnungen, insbesondere keine täglichen Kassenberichte. Die Buchungen auf dem Kassenkonto erfolgten anhand der Abrechnungen der Fa. V. und der entsprechenden Geldeingänge und Geldabgänge auf dem gesondert geführten Bankkonto für die Lottoannahmestelle. Die Entnahme der Provisionen erfolgte ebenfalls über die Lottokasse.

Seit Oktober 2012 verkaufte der Kläger auch Nahverkehrstickets für die X. B. (X.B.). Er war über eine Leitung direkt mit dem Anbieter verbunden und rechnete auch direkt mit diesem ab. Hierzu druckte dieser einen Abschlag aus. Ein extra Kassenfach gab es nicht, die Vereinnahmung der bar gezahlten Tickets lief über die Kasse Kiosk.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung gelangte der Beklagte zu der Feststellung, dass die Buchführung des Klägers nicht ordnungsgemäß sei. So lägen u. a. für den Zeitraum 01.01.2012 bis 30.09.2013 nur verdichtete Summenbuchungen und keine Einzelbuchungen vor. Weiterhin seien weder Kassendaten noch Verfahrensdokumentationen für die Kasse des Klägers vorgelegt worden. Eine Überprüfung der Vollständigkeit der Geschäftsvorfälle sowie deren Entstehung und Abwicklung könne daher nicht erfolgen. Aufgrund der vorgenannten Mängel setzte der Prüfer einen Sicherheitszuschlag in Höhe von fünf Prozent für den Zeitraum 01.01.2012 bis 30.09.2013 auf die erklärten Erlöse an.

Die nach dem Rechtsbehelfsverfahren eingereichte Klage hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht Düsseldorf wies die Klage ab und führte hierzu in der Urteilsbegründung u. a. wie folgt aus: Der Beklagte war wegen vorhandener Mängel in der Buchführung des Klägers dem Grunde nach zur Schätzung befugt. Gegen die Höhe der im laufenden Klageverfahren aufgrund der Feststellungen der Gerichtsprüferin geänderten Hinzuschätzung bestehen keine Bedenken. Die Buchführung des Klägers weise die nachfolgend dargestellten gewichtigen formellen Mängel auf:

  • Die Anleitungen zur Kassenbedienung und -programmierung sowie die Programmierungsprotokolle wurden nicht vorgelegt.
  • Es wurden keine lückenlosen Tagesendsummenbons für die Streitjahre vorgelegt.
  • Die Kassenbuchführung war nicht ordnungsgemäß, da mangels ordnungsmäßiger Kassenberichte die Kassensturzfähigkeit nicht gegeben war.

Ferner weise die Buchführung des Klägers zusätzlich auch materielle Mängel auf. Dazu zählen u. a. mehrfache Abweichungen zwischen den Abrechnungen (Datenaustausch) der X.B. und der Erfassung der bar vereinnahmten Beträge laut Z-Bons bzw. Kassenberichten. Ebenso hätten sich hinsichtlich der Abrechnung der Lottogelder Unstimmigkeiten ergeben.

Die durch den Beklagten vorgenommenen und im laufenden Klageverfahren bereits reduzierten Hinzuschätzungen seien auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Der Beklagte war aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen nicht zur Durchführung eines inneren Betriebsvergleichs in Form einer Nachkalkulation verpflichtet. Eine aussagekräftige Kalkulation sei auch nicht möglich gewesen, da dem Gericht keine Preislisten, detaillierte Warenumsatzberichte etc. vorlägen. Die Z-Bons des Klägers würden hierzu nicht ausreichen, "weil sich diesen insbesondere für den Bereich ... der sonstigen Verkäufe (Getränke, Lebensmittel, Süßwaren) keine Einzelpreise entnehmen lassen. Auch bei den verkauften Tabakwaren ist laut Z-Bons nicht erkennbar, ob es sich um Zigaretten oder um Zubehör, bei dem sich eine deutlich höhere Gewinnmarge ergibt, handelt." Mangels einer "passenden" Gewerbeklasse sei auch keine Schätzung im Wege eines äußeren Betriebsvergleichs mit Hilfe der Richtsatzsammlung vorzugswürdig gewesen.

Eine Schätzung mittels Unsicherheitszuschlags zu den erklärten Umsätzen sei im Streitfall die am besten geeignete Schätzungsmethode, um das wirtschaftlich wahrscheinlichste Ergebnis zu erzielen. Denn es sei grundsätzlich gerechtfertigt, bei einer Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen im Wege einer griffweisen Schätzung einen Unsicherheitszuschlag vorzunehmen. Bei der Bestimmung eines angemessenen Sicherheitszuschlages sei u. a. das Maß der Verletzung der dem Steuerpflichtigen obliegenden Mitwirkungspflichten zu berücksichtigen. Der erkennende 11. Senat verwies auf die Rechtsprechung, welche Sicherheitszuschläge von bis zu 20 Prozent der erklärten Umsätze für vertretbar hält (BFH-Beschlüsse vom 10.05.2012 X B71/11, BFH/NV 2012, 1461; 05.12.2007 X B 4/07, BFH/NV 2008, 587). Der Höhe nach hielt dieser den Unsicherheitszuschlag in Höhe von fünf Prozent auf die erklärten Umsätze mit Ausnahme der Provisionserlöse und durchlaufenden Posten für angemessen und zutreffend.

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