Jahressteuergesetz 2024 - Umsatzsteuer
Auch wenn die Ampelparteien noch in der internen Abstimmung um die Details ringen: Erste Informationen zum geplanten Jahressteuergesetz 2024 sind bekannt. Und unter den zahlreichen "technischen" Anpassungen verbirgt sich unter anderem eine Änderung im Umsatzsteuerrecht, die in der Praxis von großer Bedeutung sein wird und die trotz ihrer wirtschaftlichen Tragweite bisher nicht die entsprechende Beachtung erfahren hat. Gemeint ist die Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Grundstücksgemeinschaft Kollaustraße 136 (Az.: C-9/20 vom 10.02.2022) zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen Ist-versteuernder Unternehmer.
Gerade im Mittelstand wird die Ist-Versteuerung (§ 20 UStG) aufgrund des Liquiditätsvorteils gern genutzt und die Umsatzgrenze, bis zu der die Regelung in Anspruch genommen werden darf, wurde in den vergangenen Jahren regelmäßig unter der Überschrift "Bürokratieabbau" erhöht, zuletzt im Wachstumschancengesetz auf nunmehr 800.000 Euro Jahresumsatz. Der Vorteil liegt für den leistenden Unternehmer darin, dass er die Umsatzsteuer erst dann an das Finanzamt abführen muss, wenn er seinerseits den Rechnungsbetrag von seinem Auftraggeber erhalten hat.
Auf der anderen Seite konnte bisher der Auftraggeber als Rechnungsempfänger die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen, sobald die Leistung erfolgt ist und er eine ordnungsgemäße Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer erhalten hat. Dabei spielte es keine Rolle, ob der leistende Unternehmer seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten (sog. Soll-Versteuerung, § 16 UStG) oder nach vereinnahmten Entgelten (sog. Ist-Versteuerung, § 20 UStG) versteuert.
Nun aber hat der EuGH entschieden, dass der Vorsteuerabzug zu diesem Zeitpunkt noch nicht zulässig ist, wenn der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer gemäß § 20 UStG nach vereinnahmten Entgelten berechnet (EuGH-Urteil vom 10.02.2022, C-9/20). Vielmehr darf der Auftraggeber die Vorsteuer aus der Rechnung eines Ist-Versteuerers erst im Zeitpunkt der Zahlung der Rechnung geltend machen. Hierfür soll künftig eine entsprechende Angabe auf der Rechnung notwendig werden.
Im ersten Schritt bedeutet das für den unternehmerischen Auftraggeber einen deutlich erhöhten Compliance-Aufwand, muss er doch bei jeder Rechnung prüfen, welchen umsatzsteuerlichen Status (Ist-Versteuerer oder Soll-Versteuerer) sein Auftragnehmer besitzt und in der Buchhaltung entsprechend diese Gruppen streng unterscheiden. Somit bringt die EuGH-Entscheidung ein erhebliches Mehr an Bürokratie. Daneben dürften die negativen Folgen für den Cash-Flow wegen der späteren Geltendmachung der Vorsteuer weniger ins Gewicht fallen, wenn auch der Gesetzentwurf von einer einmaligen „Mehreinnahme“ von 700 Millionen Euro ausgeht.
In einem zweiten Schritt könnte die Entscheidung jedoch auch für den Mittelstand erhebliche negative Folgen haben. Denn es steht zu befürchten, dass große und marktstarke Unternehmen den geschilderten Mehraufwand scheuen und versuchen könnten, ihren Compliance-Aufwand dadurch zu minimieren, dass sie – soweit möglich – auf Leistungen von Ist-Versteuerern verzichten oder ihre Zulieferer zur Umstellung auf die Soll-Versteuerung zu bewegen.
Wieder einmal zeigt sich, dass eine rein technisch anmutende Regelung in einem Jahressteuergesetz in der Praxis erhebliche Auswirkungen hat – da ist es auch nur ein schwacher Trost, dass die Regelung erst zum 1. Januar 2026 in Kraft treten soll.
Aus Sicht des ZDH sollte sich Deutschland in Brüssel für eine Änderung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie einsetzen, um die seit Jahrzehnten bewährte Rechtslage wieder herzustellen.
Ihr ZDH-Steuerteam!