2025 feiert ein Großteil der deutschen Handwerkskammern sein 125-jähriges Bestehen. Gleichzeitig blickt der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und somit auch der Deutsche Handwerkskammertag (DHKT) sowie der Unternehmerverband Deutsches Handwerk (vormals Bundesvereinigung der Fachverbände des Deutschen Handwerks BFH) auf 75 bewegte Jahre zurück. Unabhängig von den äußeren und politischen Umständen der jeweiligen Jahrzehnte, die zu Umstrukturierungen der Organisationen im Handwerk führten, wurde die eigenverantwortliche Organisation im Handwerk immer schon hochgehalten und gepflegt.
Starke Handwerksorganisationen – warum so wichtig?
Ein starkes Handwerk braucht eine starke Organisation. Das Handwerk ist mit seinen über 130 Berufen der vielseitigste Wirtschaftsbereich Deutschlands und bildet mit seinen kleinen und mittleren Betrieben das Kernstück der deutschen Wirtschaft. Wiederaufbau, Wirtschaftswunder, Wiedervereinigung, Wachstums- und Krisenjahre: Das Handwerk hat sich in der bewegten deutschen Nachkriegsgeschichte stets als Stabilitätsanker und Innovationstreiber erwiesen. Werteverbunden, modern und innovativ haben Handwerkerinnen und Handwerker unser Land seit 1949 entscheidend mitgeprägt – im Großen wie im Kleinen. Für den Zusammenhalt der Gesellschaft ist das Handwerk nicht wegzudenken. Das Handwerk in Deutschland ist nicht nur eine Wirtschaftsgruppe, sondern schon immer auch eine wichtige Gesellschaftsgruppe.
Kontinuität im Wandel kennzeichnet das Handwerk und seine Handwerksorganisationen, an deren Spitze der ZDH die Interessen von inzwischen rund einer Million Handwerksbetrieben, über 5,6 Millionen Beschäftigten und mehr als 340.000 Auszubildenden vertritt. Die Handwerksorganisationen und der ZDH setzen sich gleichermaßen für Betriebe und Beschäftigte ein und sind somit für das gesamte Handwerk gerade auch in wirtschaftlichen und geopolitischen Krisenzeiten ein Garant für Stabilität. Damals wie heute gilt: Nur weil das Handwerk mit einer gemeinsamen und starken Stimme spricht, kann es gegenüber Politik und Gesellschaft erfolgreich sein. Das setzt eine starke Organisation voraus, auf die Verlass ist.
Selbstverwaltung als Erfolgs- und Zukunftsmodell
Das Deutsche Handwerk ist seit Jahrhunderten geprägt von der handwerklichen Selbstverwaltung.
Aus der Praxis, für die Praxis: Organisiert in Handwerkskammern, Innungen und Kreishandwerkerschaften, bilden Ehrenamt und Hauptamt gemeinsam die handwerkliche Selbstverwaltung: In ihren Händen liegt es, Prüfungen durchzuführen und hoheitliche Aufgaben zu übernehmen wie das Führen von Handwerks- und Lehrlingsrollen, die Regelung der Berufsausbildung und der Erlass von Prüfungsordnungen. Diese Kernkompetenzen werden stetig an die Betriebspraxis und die politisch-wirtschaftliche Realität angepasst und weiterentwickelt.
Denn egal ob Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Klima- oder Mobilitätswende: Handwerkerinnen und Handwerker denken lösungsorientiert. Sie sind immer auf der Suche nach Mehrwert und besten Ergebnissen für ihre Kundschaft. So entstehen innovative Produkte, Verfahrensweisen und Geschäftsmodelle, die neue Wege aufzeigen und die Zukunft mitgestalten:
Wegmarken des Handwerks und des ZDH
Anlässlich des 75. Jubiläums des ZDH blicken wir zurück auf eine einzigartige Phase des Aufbaus, der Innovation und des Wohlstands. Wir lassen Meilensteine passieren und ziehen Bilanz, was Deutschland, das Handwerk und den ZDH bewegt hat.
... die richtigen Schrauben zur rechten Zeit
Das Handwerk nimmt sein Schicksal selbst in die Hand: Am 30. November 1949 bündeln Handwerkskammern, Zentralfachverbände und dem Handwerk nahestehende Einrichtungen ihre Kräfte: Sie vereinigen sich in Boppard zum Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).
Der ZDH und die Handwerkskammern starten im Jahr 1951 den "Praktischen Leistungswettbewerb der Handwerksjugend" (PLW, später "Profis leisten was" und heute "Deutsche Meisterschaft in Handwerk"), um den Nachwuchs zu fördern und einen Anreiz zur Leistungssteigerung zu schaffen.
Der ZDH fordert erfolgreich, endlich die Rahmenbedingungen für das Handwerk in Deutschland zu vereinheitlichen: Das Gesetz zur Ordnung des Handwerks (HwO) wird verabschiedet. Herzstück ist der "Große Befähigungsnachweis", der die hohe Qualität der Handwerksarbeit und -ausbildung sicherstellt.
Auf Initiative des ZDH kommt es zu einer Handwerksnovelle. Ziel ist, dass Handwerker schnell auf neue Entwicklungen reagieren können. Sie sollen ihren Betrieb unkompliziert auf verwandte Gewerke ausweiten können. Neben den Vollhandwerken werden 40 handwerksähnliche Gewerke in die HwO aufgenommen, darunter Gerüstbauer und Speiseeishersteller.
Ab 1969 regelt das Berufsbildungsgesetz branchenunabhängig die Berufsausbildung und Weiterbildung. Das Handwerk setzt für sich Ausnahmen durch: Die Prüfungsordnung und -abnahme in Ausbildungsberufen der Vollhandwerke bleibt in der Hand der Handwerkskammern.
Der ZDH erkennt frühzeitig, dass Europa politisch an Bedeutung gewinnt. Um das Handwerk stark zu positionieren, bildet er 1975 mit den Spitzenverbänden der Klein- und Mittelbetriebe aus Frankreich, Großbritannien, Dänemark und den Beneluxstaaten die Europäische Union des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe (UEAPME, seit 2018 SMEunited).
Als Mitte der achtziger Jahre das Kabelfernsehen in Deutschland eingeführt wird, gelingt es dem ZDH, den Handwerksbetrieben diesen Zukunftsmarkt zu öffnen. Während die Bundespost für die Verkabelung im öffentlichen Raum zuständig ist, verlegen Handwerksbetriebe alle Kabel innerhalb der Häuser.
Das Handwerk macht die Wiedervereinigung vor: Im Mai 1990 – Monate vor der politischen Einheit – treten die 15 Handwerkskammern der DDR dem ZDH und dem DHKT bei. Im Juni folgen die Fachverbände, die sich dem ZDH über die Bundesvereinigung der Fachverbände des Deutschen Handwerks (BFH) anschließen.
Seine Einheit demonstriert das Handwerk am 21. Juni 1990 mit einer Großkundgebung im sächsischen Zwickau. 4.000 Handwerkerinnen und Handwerker aus allen Teilen Deutschlands bekennen sich zum Zusammenschluss der Organisationen und verabschieden das "Manifest zur Einheit des Deutschen Handwerks". Gleichzeitig denkt der ZDH schon über die Grenzen Deutschlands hinaus. Der Verband eröffnet in Brüssel ein Büro, um die Interessen des Handwerks in Europa noch effektiver vertreten zu können.
Um im wiedervereinigten Deutschland dem Handwerk aus Ost und West Gehör zu verschaffen, zieht der ZDH 1999 wie die Bundesregierung von Bonn nach Berlin um. Im "Haus des Deutschen Handwerks" in der Mohrenstraße 20/21 nahe dem Gendarmenmarkt sitzt der ZDH noch heute.
Die Fachkräftesicherung ist wegen des demografischen Wandels und des Trends zu Abitur und Studium für den ZDH und das Handwerk eine große Herausforderung. 2010 startet das Handwerk in klassischen und sozialen Medien eine Imagekampagne, die Jugendlichen das moderne Handwerk präsentiert. Ab 2014 steigt die Zahl der Azubis wieder kontinuierlich.
Seit 2016 unterstützt der ZDH Betriebe mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk bei der Digitalisierung. Mit Workshops und Materialien informiert das Zentrum über Themen wie Cybersicherheit, Automatisierungstechnologien und neue Geschäftsmodelle.
Mit der "#JAzumMeister"-Initiative kämpft der ZDH entschlossen für eine Wiedereinführung der Meisterpflicht, die die Bundesregierung 2004 für 53 Berufe gegen den Willen des Handwerks aussetzte. 2019 sprechen sich Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat schließlich für die Wiedereinführung der Meisterpflicht aus. Im Jahr darauf werden zwölf zulassungsfreie Handwerke in den zulassungspflichtigen Handwerksbereich reintegriert.
Der ZDH und die Betriebe sind aufgrund multipler Krisen gleichzeitig Modus der Krisenbewältigung sowie der Zukunftsgestaltung. In dieser "neuen Normalität" rühren ZDH und Handwerksorganisationen noch stärker die Werbetrommel für das Handwerk und die Nachwuchgewinnung: Die erfolgreiche Imagekampagne geht 2025 bereits in die vierte Kampagnenstaffel und aus dem Leistungswettbewerb "PLW" wird 2023 die "Deutsche Meisterschaft im Handwerk – German Craft Skills", die deutlich anschlussfähiger an die europäischen Berufswettbewerbe ist.